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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des O, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. Jänner 2006, Zl. Fr 2548/05, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der (seinen Angaben zufolge am 25. Dezember 1986 geborene) Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 16. Juli 2004 illegal in das Bundesgebiet ein. Der in der Folge gestellte Asylantrag wurde mit erstinstanzlichem Bescheid gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers festgestellt und gemäß § 8 Abs. 2 AsylG seine Ausweisung verfügt. Eine dagegen erhobene Berufung ist bisher noch nicht erledigt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 4. November 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 (FrG) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Jänner 2006 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes (FPG) ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot verhängt werde.
Diese Maßnahme stützte die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Februar 2005 wegen des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach § 27 Abs. 1 und 2 Z 2 (erster Fall) SMG; § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden sei. Die belangte Behörde stellte die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Straftaten im Einzelnen fest. Danach habe der Beschwerdeführer - zusammengefasst - am 26. Jänner 2005 Suchtgift (drei Kugeln Heroin und zwei Kugeln Kokain) gewerbsmäßig an einen namentlich genannten Abnehmer verkauft und hinsichtlich von sechs Kugeln Heroin einen gleichartigen Tatversuch unternommen. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht den teilweisen Versuch, die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, sein Geständnis und sein Alter unter 21 Jahren als mildernd.
Die daran anknüpfenden weiteren Überlegungen der belangten Behörde lassen sich dahin zusammenfassen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers - unter Bedachtnahme auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und vor allem auf die insoweit bestehende große Wiederholungsgefahr - die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Da der Beschwerdeführer bereits ein halbes Jahr nach seiner Einreise und während des laufenden Asylverfahrens harte Drogen gewerbsmäßig verkauft habe, wertete die belangte Behörde das Fehlverhalten als "außerordentlich gravierend". Familiäre oder private Bindungen in Österreich seien nicht bekannt. Eine maßgebliche Integration, die eine gewisse Rechtstreue voraussetze, liege nicht vor. Das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich könne somit das besonders hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung des Suchtgifthandels keineswegs überwiegen. Die belangte Behörde erachtete deshalb die Erlassung eines zehnjährigen Rückkehrverbotes unter dem Gesichtspunkt der Abwägung nach § 66 FPG für zulässig und eine Ermessensübung im Sinne einer Abstandnahme von dieser Maßnahme nicht für gerechtfertigt. Mit zunehmendem Alter des Beschwerdeführers sei ein positiver Gesinnungswandel zu prognostizieren, sodass die Bemessung der Rückkehrverbotsdauer mit zehn Jahren vertretbar sei. Vor Ablauf dieses Zeitraums sei jedoch diese Prognose wegen der besonderen Gefährlichkeit der Tat und der mit ihr einhergehenden Wiederholungsgefahr nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:
Nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 1 FPG sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen. Dem entsprechend hat die belangte Behörde zutreffend im vorliegenden Fall die Bestimmungen des FPG angewendet, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer als Asylwerber iSd § 1 Z 3 AsylG für unzulässig angesehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0164) und das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Rückkehrverbot geprüft.
Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FrG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG. Nach dem - hier in Betracht kommenden - § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte Tatsache in diesem Sinn zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Die zweite Alternative dieses Tatbestandes ist im gegenständlichen Fall ausgehend von der vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten strafgerichtlichen Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten erfüllt. Die Beschwerde wendet sich allerdings gegen die (erkennbar darauf gegründete) Ansicht der belangten Behörde, es sei die im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass er den unbedingt verhängten Teil der Freiheitsstrafe (durch die Anhaltung in Untersuchungshaft) verbüßt habe und dass ihm aufgrund des "Haftübels" das Unrecht seiner Taten "vor Augen geführt" worden sei. Er sei seit seiner Entlassung Ende Februar 2005 nicht mehr straffällig geworden, weshalb die Einschätzung der belangten Behörde zur besonderen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers unzutreffend sei.
Entgegen der Beschwerdemeinung ist ein Wohlverhalten (bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) während des - viel zu kurzen - Zeitraums von weniger als einem Jahr nicht geeignet, dem Beschwerdeführer eine günstige Zukunftsprognose zu erstellen. Zu Recht hat die belangte Behörde auf die mit der Suchtgiftkriminalität im Allgemeinen verbundene große Wiederholungsgefahr hingewiesen, von der auch im vorliegenden Fall angesichts des in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens des Beschwerdeführers - gewerbsmäßiger Heroin- und Kokainhandel relativ bald nach der Einreise während des anhängigen Asylverfahrens - ausgegangen werden durfte.
Entgegen den Beschwerdeausführungen vermag die durch das Strafgericht vorgenommene bedingte Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe an dieser Prognosebeurteilung, die von den Fremdenbehörden eigenständig nur aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen vorzunehmen ist, nichts zu ändern (vgl. etwa hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2004/18/0122), zumal auch den Tatbeständen des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen ist, dass die bedingte Strafnachsicht einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot nicht entgegensteht (vgl. zum inhaltsgleichen § 36 Abs 2 Z 1 FrG etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2002, Zl. 2002/21/0193). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die im strafgerichtlichen Verfahren bei der Strafbemessung angenommenen Milderungsgründe rekurriert, kommt dem somit keine Relevanz zu.
Gegen die von der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG (iVm § 62 Abs. 3 FPG) vorgenommene Interessenabwägung führt die Beschwerde - abgesehen von dem Hinweis auf den durch das Rückkehrverbot bewirkten, von der belangten Behörde aber ohnehin angenommenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers - nichts ins Treffen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Rückkehrverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: vor allem zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit anderer) als im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Auch die von der belangten Behörde nach § 66 Abs. 2 FPG vorgenommene Abwägung ist vom Verwaltungsgerichtshof angesichts des Fehlens einer maßgeblichen Integration des Beschwerdeführers, des erst relativ kurzen inländischen Aufenthalts und des zutreffend als besonders hoch bewerteten öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, auch wenn nur eine diesbezügliche Verurteilung vorliegt, nicht zu beanstanden (vgl. unter zahlreichen zu Suchtgiftdelinquenten ergangenen hg. Erkenntnissen etwa die ähnlich gelagerte Sachverhalte betreffenden Erkenntnisse vom 10. September 2003, Zl. 99/18/0031, und Zl. 2003/18/0156, sowie vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0123, vom 28. September 2004, Zl. 2004/18/0266, und vom 27. September 2005, Zl. 2005/18/0518).
Schließlich vermag die Beschwerde auch keine besonderen Aspekte aufzuzeigen, welche die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes hätten veranlassen müssen. Die Tatsache der "teilweisen Haftverbüßung" musste die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdemeinung - zu keiner anderen Ermessensübung bewegen. Die Beschwerde vermag aber auch keine ausreichenden Bedenken hinsichtlich der - in Bezug auf die Dauer des Rückkehrverbotes wesentlichen - Annahme der belangten Behörde zu erwecken, dass mit einem Wegfall des Grundes für diese Maßnahme nicht vor dem Ablauf von zehn Jahren gerechnet werden könne. Zu der auch in diesem Zusammenhang erfolgten Bestreitung einer Wiederholungsgefahr kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Letztlich wird mit den allgemein gehaltenen Beschwerdeausführungen zur - nach Ansicht des Beschwerdeführers gegebenen - Notwendigkeit seiner Vernehmung durch die Berufungsbehörde kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. März 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210033.X00Im RIS seit
02.05.2007Zuletzt aktualisiert am
03.09.2012