TE OGH 2002/10/25 1Ob208/02y

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Veröffentlicht am 25.10.2002
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Dr. Paul J*****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. April 2002, GZ 45 R 169/02i-146, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 12. November 2001, GZ 4 P 319/99p-113, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Nachdem ein Rechtsanwalt zum einstweiligen Sachwalter des Betroffenen gemäß § 238 Abs 1 AußStrG (Verfahrenssachwalter) bestellt worden war, erweiterte das Erstgericht den Wirkungsbereich des einstweiligen Sachwalters gemäß § 238 Abs 2 AußStrG auf die Besorgung bestimmter dringender Angelegenheiten, nämlich die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.Nachdem ein Rechtsanwalt zum einstweiligen Sachwalter des Betroffenen gemäß § 238 Absatz eins, AußStrG (Verfahrenssachwalter) bestellt worden war, erweiterte das Erstgericht den Wirkungsbereich des einstweiligen Sachwalters gemäß § 238 Abs 2 AußStrG auf die Besorgung bestimmter dringender Angelegenheiten, nämlich die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

In seinem als "Rekurs" bezeichneten Rechtsmittel zeigt der Betroffene keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 AußStrG auf.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Erstrichterin gerichtete Ablehnungsantrag wurde rechtskräftig zurückgewiesen; ein dagegen erhobenes (unzulässiges) Rechtsmittel des Betroffenen wurde im Übrigen bereits vom Obersten Gerichtshof (7 Ob 197/02z) zurückgewiesen.

Eine gesetzliche Vorschrift, nach der ein einstweiliger Sachwalter gemäß § 238 Abs 2 AußStrG nur bestellt werden könne, wenn ein "dem Gesetz entsprechendes Gutachten" vorliegt, existiert nicht. Liegen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene nicht in ausreichendem Maße in der Lage ist, seine dringenden Angelegenheiten selbst zu besorgen, hat das Gericht für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen. Dies gilt insbesondere dort, wo der Betroffene die erforderliche Mitwirkung an einer für die Gutachtenserstattung erforderlichen Befundaufnahme (Untersuchung) unterlässt.

Soweit der Betroffene in seinem Rechtsmittel ausführt, bei der Beurteilung seines Verhaltens in der Tagsatzung vor dem Bezirksgericht Josefstadt am 23. 10. 2001 sei nicht darauf Bedacht genommen worden, dass dem Gericht bereits vor der Verhandlung bekannt gewesen wäre, er sei (anschließend) zu einer weiteren Verhandlung vor dem ASG Wien geladen gewesen, so ist einerseits festzuhalten, dass sich dafür kein Anhaltspunkt in der Stellungnahme der neurologischen Sachverständigen (ON 111) findet und dass andererseits der Beklagte auf diesen Umstand während der Tagsatzung auch in ruhiger und sachlicher Form hätte hinweisen können. Dass er sich in dieser Verhandlung aggressiv und laut verhalten und damit den Verfahrensablauf beeinträchtigt hat, stellt er selbst gar nicht in Abrede. Er tritt auch den Ausführungen des Erstgerichtes nicht entgegen, die Wahrnehmungen der Sachverständigen deckten sich mit jenen der Erstrichterin, vor der er aufgenommene Protokolle zerrissen bzw sich geweigert habe, diese zu unterschreiben, weil das Protokoll nicht zu 100 % seinem Wortlaut entspreche. Soweit die Vorinstanzen nun angesichts dieser Umstände zur Auffassung gelangten, der Betroffene sei angesichts seiner auffallend erhöhten Aggressionsspannung und fehlender Impuls- und Triebkontrolle nicht in der Lage, seine Angelegenheiten in Verfahren vor Ämtern, Behörden und Gerichten selbst gehörig zu besorgen, kann darin keine erhebliche Fehlbeurteilung erblickt werden, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.

Die Frage, ob es das Wohl des Betroffenen im Sinne des § 238 Abs 2 AußStrG erfordert, ihm zur Besorgung (sonstiger) dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen, kann regelmäßig nur anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, sodass sie - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 AußStrG darstellt. Da feststeht, dass der Betroffene an zahlreichen gerichtlichen Verfahren beteiligt ist (vgl nur ON 157), und die begründete Besorgnis besteht, er könne diese Angelegenheiten nicht ohne Gefährdung seiner eigenen Interessen selbst besorgen, bestehen keine Bedenken gegen die Auffassung der Vorinstanzen, es handle sich hier um "dringende" Angelegenheiten. Gerade bei Gerichtsverfahren ist es evident, dass sich eine Prozesspartei durch unsachliches, ungeschicktes oder nicht kooperatives Verhalten erhebliche Rechtsnachteile zufügen kann. Warum im vorliegenden Fall eine solche Besorgnis gerade in jenen Verfahren, an denen der Betroffene beteiligt ist, nicht gerechtfertigt sein sollte, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf.Die Frage, ob es das Wohl des Betroffenen im Sinne des § 238 Abs 2 AußStrG erfordert, ihm zur Besorgung (sonstiger) dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen, kann regelmäßig nur anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, sodass sie - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 AußStrG darstellt. Da feststeht, dass der Betroffene an zahlreichen gerichtlichen Verfahren beteiligt ist vergleiche nur ON 157), und die begründete Besorgnis besteht, er könne diese Angelegenheiten nicht ohne Gefährdung seiner eigenen Interessen selbst besorgen, bestehen keine Bedenken gegen die Auffassung der Vorinstanzen, es handle sich hier um "dringende" Angelegenheiten. Gerade bei Gerichtsverfahren ist es evident, dass sich eine Prozesspartei durch unsachliches, ungeschicktes oder nicht kooperatives Verhalten erhebliche Rechtsnachteile zufügen kann. Warum im vorliegenden Fall eine solche Besorgnis gerade in jenen Verfahren, an denen der Betroffene beteiligt ist, nicht gerechtfertigt sein sollte, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf.

Die von den Vorinstanzen angenommene Dringlichkeit kann auch nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass wiederholte Säumigkeiten des Erstgerichts sowie ein "bereits jahrelanger Verfahrensverlauf" vorlägen. Gerade für jene Sachwalterschaftsverfahren, in denen eine endgültige Entscheidung - aus welchen Gründen immer - nicht bald möglich ist, sieht § 238 Abs 2 AußStrG die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters für dringende Angelegenheiten vor. Zutreffend hat das Rekursgericht auch auf die Bestimmung des § 25 JN verwiesen, nach der ein abgelehnter Richter bis zur rechtskräftigen Erledigung des Ablehnungsantrages - abgesehen von der Fällung der Endentscheidung - alle Handlungen vorzunehmen hat, die keinen Aufschub gestatten. Dies gilt auch für die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG, die keine Endentscheidung darstellt.

Textnummer

E67444

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00208.02Y.1025.000

Im RIS seit

24.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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