TE OGH 2002/10/25 1Ob235/02v

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Veröffentlicht am 25.10.2002
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roman R*****, vertreten durch Mag. Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 46.147,25 EUR sA und Feststellung (Streitwert 7.267,28 EUR) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 45.662,76 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2002, GZ 14 R 6/02h-50, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach Ansicht des Klägers widerspricht die Annahme des Berufungsgerichts, ihm habe bewusst sein müssen, das Fahrzeug gefahrlos verlassen zu können, der allgemeinen Lebenserfahrung. Es sei ihm allenfalls nur anzulasten, das Fahrzeug nicht "geistesgegenwärtig ... durch einen beherzten Sprung" verlassen zu haben. Ein solches Mitverschulden sei aber zu vernachlässigen. Mit dieser Argumentation übergeht der Kläger die Feststellung, dass der Fahrzeuglenker wegen "starken Querverkehrs" hatte anhalten müssen, "sich die Beamten rechts" daneben einreihten und den Lenker "mit gezogener Dienstwaffe zum Anhalten" aufforderten. In diesem Zeitpunkt wusste der Kläger als Beifahrer zum einen längst um die Gefährlichkeit des Fahrzeuglenkers, zum anderen hätte es auch keines "beherzten Sprungs" bedurft, um aus einem angehaltenen Fahrzeug auszusteigen. Überdies wäre es dem Kläger, wie das Berufungsgericht hervorhob, schon vorher möglich gewesen, den Fahrzeuglenker an der weiteren Flucht zu hindern. Auf dem Boden solcher Tatsachen ist in der Anlastung eines Mitverschuldens von einem Drittel an der wegen des späteren Waffengebrauchs durch Gendarmeriebeamte erlittenen Schussverletzung zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung zu erblicken; eine solche müsste jedoch als Voraussetzung der Zulässigkeit der Revision vorliegen.

2. Gemäß § 8 Abs 2 WaffGG ist der lebensgefährdende Waffengebrauch - abgesehen von einer hier nicht maßgebenden Ausnahme - nur dann zulässig, wenn dadurch Unbeteiligte voraussichtlich nicht gefährdet werden. Qualifiziert man den Kläger als Beifahrer des Verdächtigen in einer ex-post-Betrachtung als "Unbeteiligten" im Sinne des Gesetzes, so ist nicht zu übersehen, dass die Gendarmeriebeamten die vor dem Waffengebrauch erforderliche Abwägung in einer - wegen der bereits bekannten Rücksichtslosigkeit des Fahrzeuglenkers - prekären Gesamtsituation unter Zeitdruck vorzunehmen hatten. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war bei den gezielten Schüssen auf den rechten Vorderreifen des Fluchtfahrzeugs aus einer Entfernung von 2 m nicht mit einer voraussichtlichen Gefährdung eines unbeteiligten Beifahrers zu rechnen. Das ist ebenso zumindest nicht als eine die Rechtsposition des Klägers belastenden erhebliche Fehlbeurteilung anzusehen. Es besteht daher auch soweit keine Veranlassung zur Korrektur des angefochtenen Urteils. Die Meinung des - im Zuge des neuerlichen Losfahrens am rechten Oberschenkel getroffenen - Klägers, Schüsse auf den rechten vorderen Radkasten seien zwangsläufig mit einer erkennbaren Gefährdung des Beifahrers verknüpft, beruht auf Erwägungen über die Maße und konstruktiven Zusammenhänge einzelner Teile des Fahrzeugs sowie die Festigkeit der Karosserie. Die im Anlassfall bedeutsame Ausnahmesituation, deren Bewältigung sofortiges Handeln erforderte, kann jedoch auch eine Fehlbeurteilung des Gefährdungspotentials von Schüssen auf den rechten Vorderreifen eines Fahrzeugs für einen unbeteiligten Beifahrer nach den in der Revision aufgezeigten Gesichtspunkten entschuldigen. Es liegt daher in der Verneinung eines Organverschuldens durch das Berufungsgericht auch insoweit keine gravierende Fehlbeurteilung. Dabei geht es - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht um die Lösung des Verschuldensgrads, sondern um die Verneinung jeden Verschuldens. Die Absicht des Schützen über das anvisierte Ziel ist nur für die Klärung der Frage von Bedeutung, ob Organen aufgrund einer Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials von Schüssen nach den feststehenden Umständen überhaupt ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann.2. Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, WaffGG ist der lebensgefährdende Waffengebrauch - abgesehen von einer hier nicht maßgebenden Ausnahme - nur dann zulässig, wenn dadurch Unbeteiligte voraussichtlich nicht gefährdet werden. Qualifiziert man den Kläger als Beifahrer des Verdächtigen in einer ex-post-Betrachtung als "Unbeteiligten" im Sinne des Gesetzes, so ist nicht zu übersehen, dass die Gendarmeriebeamten die vor dem Waffengebrauch erforderliche Abwägung in einer - wegen der bereits bekannten Rücksichtslosigkeit des Fahrzeuglenkers - prekären Gesamtsituation unter Zeitdruck vorzunehmen hatten. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war bei den gezielten Schüssen auf den rechten Vorderreifen des Fluchtfahrzeugs aus einer Entfernung von 2 m nicht mit einer voraussichtlichen Gefährdung eines unbeteiligten Beifahrers zu rechnen. Das ist ebenso zumindest nicht als eine die Rechtsposition des Klägers belastenden erhebliche Fehlbeurteilung anzusehen. Es besteht daher auch soweit keine Veranlassung zur Korrektur des angefochtenen Urteils. Die Meinung des - im Zuge des neuerlichen Losfahrens am rechten Oberschenkel getroffenen - Klägers, Schüsse auf den rechten vorderen Radkasten seien zwangsläufig mit einer erkennbaren Gefährdung des Beifahrers verknüpft, beruht auf Erwägungen über die Maße und konstruktiven Zusammenhänge einzelner Teile des Fahrzeugs sowie die Festigkeit der Karosserie. Die im Anlassfall bedeutsame Ausnahmesituation, deren Bewältigung sofortiges Handeln erforderte, kann jedoch auch eine Fehlbeurteilung des Gefährdungspotentials von Schüssen auf den rechten Vorderreifen eines Fahrzeugs für einen unbeteiligten Beifahrer nach den in der Revision aufgezeigten Gesichtspunkten entschuldigen. Es liegt daher in der Verneinung eines Organverschuldens durch das Berufungsgericht auch insoweit keine gravierende Fehlbeurteilung. Dabei geht es - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht um die Lösung des Verschuldensgrads, sondern um die Verneinung jeden Verschuldens. Die Absicht des Schützen über das anvisierte Ziel ist nur für die Klärung der Frage von Bedeutung, ob Organen aufgrund einer Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials von Schüssen nach den feststehenden Umständen überhaupt ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann.

3. Die außerordentliche Revision ist somit als Ergebnis der voranstehenden Erwägungen gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.3. Die außerordentliche Revision ist somit als Ergebnis der voranstehenden Erwägungen gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückzuweisen.

Anmerkung

E67274 1Ob235.02v

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00235.02V.1025.000

Dokumentnummer

JJT_20021025_OGH0002_0010OB00235_02V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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