TE OGH 2002/10/30 7Ob233/02v

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Veröffentlicht am 30.10.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Khalaf Abdel M*****, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner und Mag. Werner Diebald, Rechtsanwälte in Köflach, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen EUR 36.336,42 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 7.362,28), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 31. Mai 2002, GZ 5 R 50/02s-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3. Jänner 2002, GZ 14 Cg 23/01z-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Kläger vom 8. bis 20. 2. 1999 in der Universitätsklinik für Neurochirurgie des Landeskrankenhauses G*****, dessen Träger die beklagte Partei ist, wegen eines Bandscheibenvorfalles stationär behandelt und am 15. 2. 1999 an der Wirbelsäule (L5/S1) operiert. Über die Durchführung der geplanten Operation wurde er vom Operateur aufgeklärt und dies auch in der Krankengeschichte dokumentiert. Bezüglich auftretender möglicher Probleme umfasste dieses Gespräch die Punkte Auftreten eines Blutergusses oder möglicher Entzündungen bzw Wundheilungsstörungen; die Möglichkeit einer überschießenden Narbenbildung; dass es keine Garantie gebe, dass sich die Beschwerden verbessern; dass allenfalls auch eine Verschlimmerung eintreten könne; dass ein neuerlicher Bandscheibenvorfall (Rezidivprolaps) möglich sei, weil die Gefahr bestehe, dass neuerlich ein Teil der Bandscheibe herausbricht. Die anschließend in mikrochirurgischer Technik durchgeführte Operation erfolgte nach den Regeln der ärztlichen Kunst; ihr ging auch eine sorgfältige neurologische Untersuchung und radiologische Abklärung mittels Computertomographie voraus.

Beim Kläger besteht nunmehr "mit großer Wahrscheinlichkeit" ein sog Failed-Back-Syndrom, welches jedoch nicht Folge der Operation ist, sondern ein davon unabhängiges Krankheitsbild darstellt, wonach der Patient durch die an ihm vorgenommene Behandlung darin bestärkt wird, ein Leiden zu haben. Dieses Syndrom ist im Sinne einer sog Schmerzkrankheit zu verstehen und kann sich nicht nur nach einer Operation (Failed-Back-Surgery-Syndrom) entwickeln, sondern auch ohne einen operativen Eingriff, wie zB nach Physio- und Infiltrationstherapien. Dieses Schmerzsyndrom hat auch mit dem Verständnis des Bandscheibenleidens nichts zu tun. Das Failed-Back-Syndrom lässt sich durch präoperative Aufklärung über die Erfolgschancen und Behandlungsrisken nicht verhindern. Körperliche Ursachen im Sinne einer Gewebeschädigung sind beim vorliegenden Beschwerdebild des Klägers auszuschließen. Als weitere Ursachen für das Auftreten eines derartigen Failed-Back-Syndroms stellen Umstände dar, die im psychiatrischen, psychologischen und sozialen Bereich liegen.

Mit der auf Zahlung eines Schmerzengeldes von S 500.000 sA sowie Feststellung der Haftung gerichteten Klage warf der Kläger der für seine Operationsfolgen haftenden beklagten Partei vor, dass die Operation "offensichtlich nicht lege artis" durchgeführt und er dadurch geschädigt worden sei. In der letzten Streitverhandlung wurde auch noch fehlende ärztliche Aufklärung über die Möglichkeit des Auftretens eines Failed-Back-Syndroms nach einer Bandscheibenoperation vorgebracht.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehen dem Grunde und der Höhe nach.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich (zusammengefasst) aus, dass eine Haftung aus unterbliebener Aufklärung über das Syndrom schon mangels Kausalität (zwischen dem vorgenommenen Eingriff und dem jetzigen Schmerzgeschehen) zu verneinen sei; den Anspruchsgrund der Haftung wegen eines Kunstfehlers habe er in der Berufung selbst nicht mehr verfolgt.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil - soweit überschaubar - eine Rechtsprechung darüber, "wie weit über ein derartiges Syndrom aufzuklären wäre", nicht vorliege, dieser Frage jedoch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

In der hiegegen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen ordentlichen Revision, welche von der beklagten Partei auch beantwortet wurde, und in welcher der Kläger die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung, in eventu deren Aufhebung beantragt, wird indes keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Auch wenn der Oberste Gerichtshof zum Beschwerdebild des Failed-Back-Syndroms noch keine Entscheidung gefällt hat - wie dies naturgemäß nicht für jedes Krankheitsbild und jede Diagnose medizinischer Art (etwa im Sinne des Klinischen Wörterbuchs257 von Pschyrembel) zutreffen kann -, so liegen doch inzwischen zum Umfang und Ausmaß ärztlich gebotener Aufklärungspflichten (deren Nachweis grundsätzlich den behandelnden Arzt trifft: RIS-Justiz RS0026777) samt daraus resultierenden Haftungsfolgen zahlreiche höchstgerichtliche Entscheidungen vor, die zufolge ihrer Vielzahl in letzter Zeit regelmäßig zur Zurückweisung der an ihn herangetragenen Rechtsmittel nicht nur deshalb führten, weil damit von einer einhelligen und gefestigten Rechtsprechung ausgegangen werden muss, sondern er sich überdies ja in aller Regel um Fragen der Einzelfallbeurteilung handelt, denen sohin keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0026529; 8 Ob 33/01p; 6 Ob 63/02m; 10 Ob 107/02m uva). Hierauf braucht jedoch im vorliegenden Fall schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil sich die Rechtsfrage einer derartigen Haftung (RIS-Justiz RS0026763) - wie das Berufungsgericht selbst bereits zutreffend erkannt hat - schon zufolge der gegen den Standpunkt des Klägers ausschlagenden (und für den Obersten Gerichtshof bindend zugrundezulegenden) Tatfragen im Zusammenhang mit dem nunmehr vorliegenden kausalen Beschwerdebild nicht stellen kann. Ob der natürliche Kausalzusammenhang zwischen (behaupteter) Schadensursache und eingetretenem Schadenserfolg gegeben ist, ist nämlich eine irreversible Tatsachenfeststellung (RIS-Justiz RS0022582). Nach § 1299 ABGB hat hiebei der Geschädigte die Ursächlichkeit oder Mitursächlichkeit zu beweisen; ist der Ursachenzusammenhang nicht zu erweisen, geht das auch im Arzthaftungsprozess zu Lasten des Geschädigten, nicht des Schädigers (RIS-Justiz RS0026209). Daraus folgt aber, dass es sich dann eben um eine schicksalhafte, von der (unstrittig lege artis verlaufenen) Operation unabhängige Erscheinung handelt, die mit dem operierten Bandscheibenvorfall "nichts zu tun hat" (S 9 und 10 = AS 139 f des Ersturteils).In der hiegegen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen ordentlichen Revision, welche von der beklagten Partei auch beantwortet wurde, und in welcher der Kläger die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung, in eventu deren Aufhebung beantragt, wird indes keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO geltend gemacht. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO). Gemäß Paragraph 510, Absatz 3, letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Auch wenn der Oberste Gerichtshof zum Beschwerdebild des Failed-Back-Syndroms noch keine Entscheidung gefällt hat - wie dies naturgemäß nicht für jedes Krankheitsbild und jede Diagnose medizinischer Art (etwa im Sinne des Klinischen Wörterbuchs257 von Pschyrembel) zutreffen kann -, so liegen doch inzwischen zum Umfang und Ausmaß ärztlich gebotener Aufklärungspflichten (deren Nachweis grundsätzlich den behandelnden Arzt trifft: RIS-Justiz RS0026777) samt daraus resultierenden Haftungsfolgen zahlreiche höchstgerichtliche Entscheidungen vor, die zufolge ihrer Vielzahl in letzter Zeit regelmäßig zur Zurückweisung der an ihn herangetragenen Rechtsmittel nicht nur deshalb führten, weil damit von einer einhelligen und gefestigten Rechtsprechung ausgegangen werden muss, sondern er sich überdies ja in aller Regel um Fragen der Einzelfallbeurteilung handelt, denen sohin keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0026529; 8 Ob 33/01p; 6 Ob 63/02m; 10 Ob 107/02m uva). Hierauf braucht jedoch im vorliegenden Fall schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil sich die Rechtsfrage einer derartigen Haftung (RIS-Justiz RS0026763) - wie das Berufungsgericht selbst bereits zutreffend erkannt hat - schon zufolge der gegen den Standpunkt des Klägers ausschlagenden (und für den Obersten Gerichtshof bindend zugrundezulegenden) Tatfragen im Zusammenhang mit dem nunmehr vorliegenden kausalen Beschwerdebild nicht stellen kann. Ob der natürliche Kausalzusammenhang zwischen (behaupteter) Schadensursache und eingetretenem Schadenserfolg gegeben ist, ist nämlich eine irreversible Tatsachenfeststellung (RIS-Justiz RS0022582). Nach Paragraph 1299, ABGB hat hiebei der Geschädigte die Ursächlichkeit oder Mitursächlichkeit zu beweisen; ist der Ursachenzusammenhang nicht zu erweisen, geht das auch im Arzthaftungsprozess zu Lasten des Geschädigten, nicht des Schädigers (RIS-Justiz RS0026209). Daraus folgt aber, dass es sich dann eben um eine schicksalhafte, von der (unstrittig lege artis verlaufenen) Operation unabhängige Erscheinung handelt, die mit dem operierten Bandscheibenvorfall "nichts zu tun hat" (S 9 und 10 = AS 139 f des Ersturteils).

Dazu kommt, dass der Kläger in erster Instanz auch nicht vorgebracht hat, bei Aufklärung über das Failed-Back-Syndrom sonst in die Behandlung (Operation) - trotz seiner festgestelltermaßen "anhaltenden Beschwerden" und "heftigen Schmerzen" zufolge des nach einem Arbeitsunfall gegebenen Bandscheibenvorfalls - gar nicht eingewilligt (RIS-Justiz RS0026783), ja nicht einmal etwa eine Überlegungszeit erbeten und weitere Ärzte konsultiert zu haben (6 Ob 126/98t), sondern hat er der beklagten Partei nur (allgemein) den haftungsbegründenden Vorwurf fehlender bzw "nicht großzügigerer" Aufklärung gemacht (vgl Protokoll ON 23, speziell AS 127). Seine nunmehr darüber hinausgehenden Ausführungen erst im Rechtsmittelverfahren verstoßen daher gegen das Neuerungsverbot und müssen auch deshalb unbeachtlich und damit ohne Erfolg bleiben. Seine Revision ist damit mangels der gesetzlichen Voraussetzungen zurückzuweisen.Dazu kommt, dass der Kläger in erster Instanz auch nicht vorgebracht hat, bei Aufklärung über das Failed-Back-Syndrom sonst in die Behandlung (Operation) - trotz seiner festgestelltermaßen "anhaltenden Beschwerden" und "heftigen Schmerzen" zufolge des nach einem Arbeitsunfall gegebenen Bandscheibenvorfalls - gar nicht eingewilligt (RIS-Justiz RS0026783), ja nicht einmal etwa eine Überlegungszeit erbeten und weitere Ärzte konsultiert zu haben (6 Ob 126/98t), sondern hat er der beklagten Partei nur (allgemein) den haftungsbegründenden Vorwurf fehlender bzw "nicht großzügigerer" Aufklärung gemacht vergleiche Protokoll ON 23, speziell AS 127). Seine nunmehr darüber hinausgehenden Ausführungen erst im Rechtsmittelverfahren verstoßen daher gegen das Neuerungsverbot und müssen auch deshalb unbeachtlich und damit ohne Erfolg bleiben. Seine Revision ist damit mangels der gesetzlichen Voraussetzungen zurückzuweisen.

Für die Revisionsbeantwortung stehen keine Kosten zu, weil die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035979).

Anmerkung

E67293 7Ob233.02v

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0070OB00233.02V.1030.000

Dokumentnummer

JJT_20021030_OGH0002_0070OB00233_02V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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