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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. TR in K, vertreten durch Dr. Christian Willmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 1. Dezember 2006, Zl. UVS 30.5-43/2006-5, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (weitere Partei des Verfahrens: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt G wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufene Person der Mieterin (einer GmbH) von Räumlichkeiten in einem Gebäude zu verantworten, dass zumindest vom 1. April 2005 bis 12. Jänner 2006 die fraglichen Räumlichkeiten ohne behördliche Benützungsbewilligung benützt worden seien. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 118 Abs. 1 Z 6 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) begangen und wurde hiefür mit einer Geldstrafe von EUR 400,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, bestraft.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers, in welcher er das Straferkenntnis erster Instanz sowohl in rechtlicher als auch sachverhaltsmäßiger Hinsicht bekämpft und u.a. die Ladung und Einvernahme von Zeugen beantragt hatte, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe abgewiesen, dass er als "handelsrechtlicher Geschäftsführer" schuldig erkannt und die Geldstrafe auf EUR 181,50 sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag herabgesetzt wurde.
Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass sie ihre Entscheidung "auf Grund der Aktenlage - Vorakt in Verbindung mit der Verhandlungsschrift betreffend die Verhandlung vom 16. 10. 2006, GZ.: UVS 30.17-78/2006" getroffen habe und davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten habe. Das Tatbild des § 118 Abs. 1 Z 6 Stmk. BauG sei erfüllt und der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Rechtsirrtum oder Irrtum über die Strafbarkeit berufen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) in der anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002 lauten auszugsweise wie folgt:
"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)
§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung
zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht,
dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder
abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer
Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche
Beurteilung behauptet wird oder
2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe
richtet oder
3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht
übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen
Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt
hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in
der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist
Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer
Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer
Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien
zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. Unmittelbarkeit des Verfahrens
§ 51i. Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, dann ist bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 5 entfallen ist.
..."
Der Beschwerdeführer erachtet sich im Wesentlichen dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung in einer anderen Verwaltungsangelegenheit gestützt habe. Weder er selbst noch sein Rechtsvertreter seien zu dieser Verhandlung geladen worden oder hätten Gelegenheit erhalten, zu deren Ergebnissen Stellung zu nehmen, dies stelle eine eklatante Verletzung des Rechts auf Parteiengehör dar. Die belangte Behörde sei in ihrer Entscheidung auch auf die Argumente des Beschwerdeführers im Verfahren erster Instanz und in der Berufung nicht eingegangen, sondern habe ihrer Entscheidung offensichtlich einen Text aus einem anderen Verfahren zu Grunde gelegt.
Der Beschwerdeführer zeigt mit seinem Vorbringen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. In der Tat hat nämlich die belangte Behörde ihre Entscheidung auf Akteninhalte und Verfahrensergebnisse aus einem anderen Verfahren gegründet und dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit zur diesbezüglichen Stellungnahme gegeben. Sie hat damit das Recht des Beschwerdeführers auf Parteiengehör verletzt und hätte im vorliegenden Fall angesichts der in der Berufung gestellten Anträge auf Ladung und Einvernahme von Zeugen davon ausgehen müssen, dass dies der Berufung zufolge in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu erfolgen hatte und von einem Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht auszugehen war (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2004, VfSlg. Nr. 17.375, und das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2007/02/0001, m.w.N.). Die belangte Behörde hätte daher gemäß § 51e VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen müssen.
Der Beschwerdeführer hätte bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde jedes zweckdienliche Vorbringen erstatten können. Die belangte Behörde hätte sich damit auseinander setzen müssen, zumal der Beschwerdeführer gemäß § 51g Abs. 2 und 4 VStG an jede hiebei vernommene Person Fragen stellen und sich zu allen Beweismitteln hätte äußern können. Auch hätte die belangte Behörde gemäß § 51i VStG nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung bei Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist; sie hätte auch auf Aktenstücke nur insoweit Rücksicht nehmen dürfen, als sie bei der Verhandlung zulässigerweise verlesen worden wären (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2006, Zl. 2003/09/0093, m.w.N.).
Die belangte Behörde hätte bei Durchführung der nach Lage des Beschwerdefalles erforderlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis kommen können. Dieser unterlaufene Verfahrensmangel ist im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK relevant und wesentlich (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 1995, Zl. 93/17/0124, vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0231, und vom 16. Dezember 2002, Zl. 2001/10/0155). Er führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG abgesehen werden. Diesem Erfordernis wird nach dem Gesagten vielmehr im fortgesetzten Verfahren von der belangten Behörde Genüge zu tun sein, die - anders als der Verwaltungsgerichtshof - gemäß dem im Grunde des § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 66 Abs. 4 AVG zur Entscheidung in der Sache selbst berufen ist.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. März 2007
Schlagworte
Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde VerwaltungsstrafverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007060040.X00Im RIS seit
08.05.2007