TE OGH 2002/11/13 9ObA193/02a

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Veröffentlicht am 13.11.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Ernst Viehberger und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Carola M*****, Flugverkehrsleiterin, *****, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein und Dr. Gerhard Zimmermann, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei AUSTRO CONTROL Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH, Schnirchgasse 11, 1030 Wien, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 2.019,85 (= ATS 27.793,90) sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Mai 2002, GZ 15 Ra 39/02a-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. November 2001, GZ 16 Cga 126/00k-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 1. 5. 1999 in Kraft getretene 48. Nachtrag zu dem hier anzuwendenden 1. Kollektivvertrag für die bei der Austro Control GmbH beschäftigten Bediensteten lautet auszugsweise, wie folgt:

„Leistungsprämie: Den Bediensteten, die sich am 1. Mai 1999 in einem Dienstverhältnis zur Austro Control GmbH befanden, wird eine Leistungsprämie in Höhe von 95 % des am 1. Mai 1999 gebührenden Gehaltes gewährt.

Die Leistungsprämien sind einmalige Zahlungen und stellen kein Präjudiz für die Zukunft dar."

Die früheren Nachträge enthalten betreffend die Leistungsprämien folgende Formulierungen:

47. Nachtrag, in Kraft getreten am 1. 5. 1998:

„Den Bediensteten, die sich am 1. 5. 1998 in einem Dienstverhältnis zur Austro Control GmbH befanden, wird eine Leistungsprämie in Höhe von 90 % des am 1. 5. 1998 gebührenden Gehaltes gewährt. Diese Leistungsprämien sind einmalige Zahlungen und stellen kein Präjudiz für die Zukunft dar."

46. Nachtrag, in Kraft getreten am 1. 5. 1997:

Gleichlautend mit den vorgenannten Nachträgen, mit der Maßgabe, dass der Stichtag der 1. 5. 1997 ist und die Höhe der Leistungsprämie 80 % beträgt.

43. Nachtrag, in Kraft getreten mit der Unterzeichnung am 13. 9. 1996:

Gleichlautend mit den vorgenannten Nachträgen, mit der Maßgabe, dass der Stichtag der 1. 5. 1996 ist, die Höhe der Leistungsprämie 120 % beträgt und eine Reduzierung für Flugverkehrsleiter in der „Übergangsversorgung" bestimmt wird.

Der nach dem hier maßgeblichen Zeitraum am 1. 5. 2000 in Kraft getretene 50. Nachtrag lautet hinsichtlich der Leistungsprämie, wie folgt:

„Den Bediensteten, die sich am 1. Mai 2000 in einem Dienstverhältnis zur Austro Control GmbH befanden, wird für die Zeit Mai 1999 bis April 2000 eine Leistungsprämie in Höhe von 55 % des am 1. Mai 2000 aufgrund ihrer Einstufung im Kollvektivvertragsschema gebührenden Gehaltes gewährt. Den Bediensteten, die sich am 1. Mai 2001 in einem Dienstverhältnis zur Austro-Control GmbH befinden, wird für die Zeit Mai 2000 bis April 2001 eine Leistungsprämie in Höhe von 40 % des am 1. Mai 2001 aufgrund ihrer Einstufung im Kollektivvertragsschema gebührenden Gehaltes und darüber hinaus ein Fixbetrag, gestaffelt ... , gewährt:............

Die Leistungsprämien sind einmalige Zahlungen und stellen kein Präjudiz für die Zukunft dar."

Die Zeiträume von Mai bis zum nächstfolgenden April waren mit den jeweiligen Wirtschaftsjahren der beklagten Partei ident, welche erst beginnend mit 2001 auf Kalenderjahre umstellte.

Die Klägerin ist seit 4. 11. 1990 als Flugverkehrsleiterin am Flughafen Innsbruck bei der beklagten Partei beschäftigt. Sie befand sich vom 4. 2. 1999 bis zur Geburt ihres Sohnes am 3. 4. 1999 und anschließend weitere 8 Wochen bis einschließlich 29. 9. 1999 im Mutterschutz. Am 30. 5. 1999 trat sie wieder ihren Dienst an und war ab diesem Zeitpunkt auf eigenen Wunsch gemäß § 15c (damalige Fassung) MSchG mit 50 % (d.s 20 Wochenstunden) teilzeitbeschäftigt. Ausgehend vom Mai-Gehalt 1999, welches der Klägerin ohne das Hindernis des Beschäftigungsverbotes zugekommen wäre, zahlte die beklagte Partei der Klägerin einen nach den folgenden Kriterien ermittelten Leistungsprämienanteil: Die Leistungprämie wurde auf das Kalenderjahr 1999 angerechnet. Für die Zeit der aktiven Beschäftigung vor Antritt des Mutterschutzes vom 1. 1. bis 3. 2. 1999 wurden 95 % des auf diesen Zeitraum entfallenden Anteils zuerkannt, für die Zeit ab 30. 5. 1999 bis 31. 12. 1999 95 % von 50 % des auf diesen Zeitabschnitt entfallenden Anteils.Die Klägerin ist seit 4. 11. 1990 als Flugverkehrsleiterin am Flughafen Innsbruck bei der beklagten Partei beschäftigt. Sie befand sich vom 4. 2. 1999 bis zur Geburt ihres Sohnes am 3. 4. 1999 und anschließend weitere 8 Wochen bis einschließlich 29. 9. 1999 im Mutterschutz. Am 30. 5. 1999 trat sie wieder ihren Dienst an und war ab diesem Zeitpunkt auf eigenen Wunsch gemäß Paragraph 15 c, (damalige Fassung) MSchG mit 50 % (d.s 20 Wochenstunden) teilzeitbeschäftigt. Ausgehend vom Mai-Gehalt 1999, welches der Klägerin ohne das Hindernis des Beschäftigungsverbotes zugekommen wäre, zahlte die beklagte Partei der Klägerin einen nach den folgenden Kriterien ermittelten Leistungsprämienanteil: Die Leistungprämie wurde auf das Kalenderjahr 1999 angerechnet. Für die Zeit der aktiven Beschäftigung vor Antritt des Mutterschutzes vom 1. 1. bis 3. 2. 1999 wurden 95 % des auf diesen Zeitraum entfallenden Anteils zuerkannt, für die Zeit ab 30. 5. 1999 bis 31. 12. 1999 95 % von 50 % des auf diesen Zeitabschnitt entfallenden Anteils.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Differenz auf die Gesamtleistungsprämie per 1. 5. 1999. Die Kürzung durch die beklagte Partei sei eine nicht gerechtfertigte, geschlechtsbezogene Diskriminierung der Klägerin und widerspreche insbesondere Art 141 EG (ex Art 119 EG-V).Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Differenz auf die Gesamtleistungsprämie per 1. 5. 1999. Die Kürzung durch die beklagte Partei sei eine nicht gerechtfertigte, geschlechtsbezogene Diskriminierung der Klägerin und widerspreche insbesondere Artikel 141, EG (ex Artikel 119, EG-V).

Die beklagte Partei beantragte, gestützt auf die oben dargelegte Rechtsansicht, die Abweisung des Klagebegehrens. Insbesondere § 14 Abs 4 MSchG lasse eine anteilige Kürzung der einmaligen Zahlung für die Zeit des Beschäftigungsverbotes im Kalenderjahr 1999 zu. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.Die beklagte Partei beantragte, gestützt auf die oben dargelegte Rechtsansicht, die Abweisung des Klagebegehrens. Insbesondere Paragraph 14, Absatz 4, MSchG lasse eine anteilige Kürzung der einmaligen Zahlung für die Zeit des Beschäftigungsverbotes im Kalenderjahr 1999 zu. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es hat dabei die Fragen, ob die Leistungsprämien ein Entgelt für das vor dem Stichtag liegende Wirtschaftsjahr sein sollten und die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 14 Abs 4 MSchG eine Zuerkennung der gesamten Leistungsprämie an die Klägerin bedingen, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es hat dabei die Fragen, ob die Leistungsprämien ein Entgelt für das vor dem Stichtag liegende Wirtschaftsjahr sein sollten und die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des Paragraph 14, Absatz 4, MSchG eine Zuerkennung der gesamten Leistungsprämie an die Klägerin bedingen, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Den Kollektivvertragsparteien darf grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten (RIS-Justiz RS0008828). Wenn sie nun für die Auszahlung einer Leistungsprämie in mehreren aufeinander folgenden Jahren immer denselben Jahresstichtag (1. Mai) wählten, der immer mit dem Beginn des neuen Geschäftsjahres ident war und eine Betrachtung des Geschäftsganges in der Vergangenheit erlaubte, ist unter diesen Prämissen nicht anzunehmen, dass sie damit jeden zufällig am Stichtag bei der beklagten Partei Beschäftigten, unabhängig davon, wie lange er im laufenden (Geschäfts)Jahr schon beschäftigt war oder noch beschäftigt sein wird, belohnen wollten. Vernünftig ist vielmehr, dass mit der Leistungsprämie die Zugehörigkeit zum Unternehmen und damit der Beitrag der Arbeitnehmer zum Geschäftserfolg im vergangenen Geschäftsjahr, nicht aber im laufenden Geschäfts- oder gar Kalenderjahr honoriert werden sollte. Damit erweist sich auch die Beurteilung des Berufungsgerichtes als richtig, dass mit dem nachfolgenden „50. Nachtrag" nur eine ausdrückliche Klarstellung der auch bisher - bei näherer Betrachtung - ausreichend deutlichen Regelung erfolgen sollte.

Verstöße gegen Art 141 EG (ex Art 119 EG-V), welcher nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar anwendbar ist, ziehen die Unwirksamkeit der davon betroffenen innerstaatlichen Gesetze, Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträge nach sich (Mayr, Kommentar zu Art 141 EG in Smutny/Mayr Gleichbehandlungsgesetz, 702f mw Judikaturnachweisen). Der EuGH hat bereits ausgesprochen (RS C-333/97„Lewen"), dass es Art 119 EG-V (jetzt: Art 141 EG) untersagt, dass ein Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen im Erziehungsurlaub vollständig von der Gewährung einer freiwillig als Sonderzuwendung zu Weihnachten gezahlten Gratifikation ausschließt, ohne im Jahr der Gewährung der Gratifikation geleistete Arbeit oder Mutterschutzzeiten (Beschäftigungsverbote) zu berücksichtigen, wenn diese Gratifikation eine Vergütung für in diesem Jahr geleistete Arbeit sein soll. Mögen auch außerhalb des Beschäftigungsverbotes im Erziehungsurlaub verbrachte Zeiten anteilig leistungsmindernd berücksichtigt werden, so ist eine solche Minderung für Mutterschutzzeiten nach Art 119 EG-V (jetzt: Art 141 EG) verboten.Verstöße gegen Artikel 141, EG (ex Artikel 119, EG-V), welcher nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar anwendbar ist, ziehen die Unwirksamkeit der davon betroffenen innerstaatlichen Gesetze, Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträge nach sich (Mayr, Kommentar zu Artikel 141, EG in Smutny/Mayr Gleichbehandlungsgesetz, 702f mw Judikaturnachweisen). Der EuGH hat bereits ausgesprochen (RS C-333/97„Lewen"), dass es Artikel 119, EG-V (jetzt: Artikel 141, EG) untersagt, dass ein Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen im Erziehungsurlaub vollständig von der Gewährung einer freiwillig als Sonderzuwendung zu Weihnachten gezahlten Gratifikation ausschließt, ohne im Jahr der Gewährung der Gratifikation geleistete Arbeit oder Mutterschutzzeiten (Beschäftigungsverbote) zu berücksichtigen, wenn diese Gratifikation eine Vergütung für in diesem Jahr geleistete Arbeit sein soll. Mögen auch außerhalb des Beschäftigungsverbotes im Erziehungsurlaub verbrachte Zeiten anteilig leistungsmindernd berücksichtigt werden, so ist eine solche Minderung für Mutterschutzzeiten nach Artikel 119, EG-V (jetzt: Artikel 141, EG) verboten.

Das Berufungsgericht hat daher in völlig richtiger Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall die zutreffende Rechtsauffassung vertreten, dass § 14 Abs 4 MSchG gemeinschaftskonform so auszulegen ist, dass einmalige, für eine bestimmte Beschäftigungsperiode gewidmete Zahlungen, welche nicht von dritter Seite (- wie zum Beispiel hinsichtlich der Sonderzahlungen: vom Sozialversicherungsträger -) ersetzt werden und in deren Genuss andere Arbeitnehmer kommen, die nicht durch ein Beschäftigungsverbot an Arbeitsleistungen für den Arbeitgeber gehindert waren, wegen einer durch eine Schutzfrist bedingte Abwesenheit einer Arbeitnehmerin nicht gekürzt werden dürfen.Das Berufungsgericht hat daher in völlig richtiger Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall die zutreffende Rechtsauffassung vertreten, dass Paragraph 14, Absatz 4, MSchG gemeinschaftskonform so auszulegen ist, dass einmalige, für eine bestimmte Beschäftigungsperiode gewidmete Zahlungen, welche nicht von dritter Seite (- wie zum Beispiel hinsichtlich der Sonderzahlungen: vom Sozialversicherungsträger -) ersetzt werden und in deren Genuss andere Arbeitnehmer kommen, die nicht durch ein Beschäftigungsverbot an Arbeitsleistungen für den Arbeitgeber gehindert waren, wegen einer durch eine Schutzfrist bedingte Abwesenheit einer Arbeitnehmerin nicht gekürzt werden dürfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E67580 9ObA193.02a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:009OBA00193.02A.1113.000

Dokumentnummer

JJT_20021113_OGH0002_009OBA00193_02A0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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