TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2005/11/0115

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des T in R, vertreten durch Dr. Ingrid Neyer, Rechtsanwältin in 6800 Feldkirch, Schmiedgasse 23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 29. April 2005, Zl. UVS-411-029/E6-2005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 29. April 2005 entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A, B und E (B) für die Zeit von 30 Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (am 9. März 2005). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, laut dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 8. Feber 2005 stehe fest, der Beschwerdeführer habe

"... I.) im Zeitraum 2001 bis April 2004 in Vorarlberg ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, nämlich insgesamt 11,5 kg Marihuana, beinhaltend minimal 800 g reines THC, durch Verkäufe sowie durch unentgeltliche Übergaben an verschiedene Drogenkonsumenten in Verkehr gesetzt;

II.) ein Suchtgift erworben und besessen, und zwar

1.) im Zeitraum August 1999 bis 18.10.2004 im Großraum Feldkirch insgesamt 3,5 kg bis 4 kg Haschisch und Marihuana konsumiert;

2.) im Zeitraum 1999 bis Sommer 2004 im Großraum Feldkirch insgesamt ca. 15 Stück Ecstasy-Tabletten konsumiert;

3.) im Zeitraum 2001 bis Oktober 2004 im Großraum Feldkirch insgesamt ca. 2 g Kokain konsumiert.

Hiedurch habe er begangen:

Zu I.) das Verbrechen nach § 28 Abs 2, vierter Fall, und Abs 4 Z 3 SMG

Zu II.) die Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG in unbestimmter Anzahl.

Der Berufungswerber wurde hiefür zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt."

Im Hinblick auf das Vorliegen einer strafbaren Handlung gemäß § 28 Abs. 2 SMG sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 FSG verwirklicht habe. Auf Grund der Wertung dieser Tatsache komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer verkehrsunzuverlässig sei. Er habe nämlich insgesamt 11,5 kg Marihuana in Verkehr gesetzt - bereits die Erstbehörde hatte darauf verwiesen, dass es sich bei dieser Menge des Suchtgifts um etwa das 40-Fache der Grenzmenge handle -, was als besonders verwerflich zu beurteilen sei. Erschwerend wirke sich dabei auch aus, dass bereits eine einschlägige Vorstrafe wegen eines Suchtgiftverbrechens vorliege und der Beschwerdeführer auch eine unbestimmte Zahl von Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG begangen habe. Es sei davon auszugehen, dass das Inverkehrsetzen von Suchtmitteln typischerweise durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen wesentlich erleichtert würde. Die seit der Verurteilung durch das Landesgericht Feldkirch verstrichene Zeit sei noch zu kurz, um aus dem seitherigen Verhalten des Beschwerdeführers Schlüsse in der Richtung zu ziehen, dass mit der Begehung weiterer schwerer Suchtgiftdelikte nicht mehr zu rechnen sei. Unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe aus dem Strafurteil und unter Bedachtnahme, dass sich das begangene Verbrechen ausschließlich auf Marihuana bezogen habe, müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer noch für einen Zeitraum von 30 Monaten ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (welche am 9. März 2005 erfolgte) als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

...

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend,

... .

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. ...

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ...

..."

Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen der belangten Behörde zum Inhalt des strafgerichtlichen Urteils nicht entgegen. Auch der Verwaltungsgerichtshof legt der folgenden Beurteilung die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde zu Grunde.

Im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG kann die Ansicht der belangten Behörde, im Falle des Beschwerdeführers sei die bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 FSG verwirklicht, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde wendet sich gegen die festgesetzte Dauer der Entziehung und macht geltend, dass die belangte Behörde die Wertung der bestimmten Tatsache zu Unrecht zu sehr zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgenommen habe. Dieses Argument ist im Ergebnis zielführend.

Die belangte Behörde hat zutreffend im Rahmen der Wertung der bestimmten Tatsache die besondere Verwerflichkeit der gegenständlichen Suchtgiftdelikte und vor allem die große Menge des Suchtmittels, das er in Verkehr gesetzt hat, sowie die lange Dauer des strafbaren Verhaltens - laut Strafurteil im Zeitraum von 2001 bis April 2004 - hervorgehoben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Verbrechen nach § 28 SMG wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen als besonders verwerflich im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG einzustufen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/11/0291, mwN). Daher kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde unter Berücksichtigung des langen Tatzeitraumes sowie des im Strafurteil festgestellten einschlägigen Vordeliktes zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und daran anschließend mindestens drei Monate (§ 25 Abs. 3 FSG), somit jedenfalls auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, als verkehrsunzuverlässig anzusehen.

Dennoch erweist sich die aus dem angefochtenen Bescheid hervorgehende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei für den Zeitraum von 30 Monaten ab Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, somit - wenn man auf das hier relevante Verbrechen gemäß § 28 Abs. 2 SMG abstellt, in Ansehung dessen sich nach dem Strafurteil der Tatzeitraum bis April 2004 erstreckt hat - für den Zeitraum von rund 41 Monaten ab Tatende als verkehrsunzuverlässig anzusehen, als rechtswidrig. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers hat sich auf Marihuana bezogen und ist nicht in einer derart gravierenden Weise als verwerflich anzusehen, wie wenn es sich um das Inverkehrsetzen von so genannten harten Drogen gehandelt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, Zl. 2005/11/0153). Gleiches gilt - im gegebenen Zusammenhang - für den Besitz des Suchtmittels zum Eigenverbrauch, weil damit die unmittelbare Gefährdung anderer Personen nicht verbunden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2005, Zl. 2005/11/0042). Ferner wäre dem Beschwerdeführer vor allem auch zugute zu halten gewesen, dass er im Strafverfahren durch sein zur Wahrheitsfindung beitragendes Geständnis und auch sonst durch Beginn einer Therapie und Verlegung seines Wohnsitzes, um sich vom Drogenmilieu zu distanzieren (die belangte Behörde tritt den diesbezüglichen Behauptungen des Beschwerdeführers nicht entgegen), gezeigt hat, dass er sich ernsthaft bemüht, von Taten wie den hier in Rede stehenden Abstand zu nehmen. Dem entgegen stehende besondere Umstände hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht angenommen. Das von der belangten Behörde ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0166, das einen gewerbsmäßigen Suchtgifthandel betraf, lässt für den Standpunkt der belangten Behörde mangels Vergleichbarkeit des zu Grunde liegenden Sachverhaltes nichts gewinnen. Die belangte Behörde hat zwar die von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochene Entziehungsdauer von 36 Monaten auf 30 Monate herabgesetzt, aber auch dieser Zeitraum erweist sich unter Beachtung des oben Gesagten als zu lang.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. März 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005110115.X00

Im RIS seit

03.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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