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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde
1. der PR in S und 2. der Mag. ER in G, beide vertreten durch Eisenberger & Herzog, Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 21. September 2005, GZ. 076932/2004/0013, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: I GmbH in G, vertreten durch Dr. Andreas Konrad & Mag. Johannes Schröttner OEG, Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Radetzkystraße 6/II), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 381,90 je zu gleichen Teilen und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 je zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Ansuchen vom 13. November 2004 (eingelangt beim Magistrat Graz am 19. November 2004) die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit 10 Wohneinheiten, Tiefgarage mit 10 Abstellplätzen, Stützmauer und Einfriedung auf dem näher angeführten Grundstück in der Landeshauptstadt G.
Die Erstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin des westlich des Baugrundstückes unmittelbar angrenzenden Grundstückes, die Zweitbeschwerdeführerin ist Eigentümerin des östlich unmittelbar angrenzenden Grundstückes. Auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin befindet sich ein zweigeschossiges Gebäude mit Dachgeschoß in offener Bauweise, auf dem Grundstück der Zweitbeschwerdeführerin sind im vorderen Bereich (zur Straße hin) ein Gebäude in geschlossener Bauweise und im hinteren Grundstücksbereich ein weiteres Gebäude errichtet. Die parallel zur Grundstücksgrenze des Baugrundstückes verlaufende Gebäudefront des Letzteren ist im Abstand von 1,5 m von der Grundgrenze gelegen.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben in der mündlichen Verhandlung am 28. Februar 2005 insbesondere abstandsrechtliche Einwendungen.
Der Stadtsenat der Stadt G erteilte der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 1. April 2005 die baurechtliche Bewilligung für das beantragte Vorhaben und wies die Einwendungen u.a. der Beschwerdeführerinnen als unbegründet ab bzw. verwies das Vorbringen, soweit es sich um ein privatrechtliches handelte, auf den Zivilrechtsweg.
Die belangte Behörde gab der Berufung der Erstbeschwerdeführerin in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides teilweise Folge und änderte den Bescheid erster Instanz insoferne ab, als der westliche Grenzabstand im 2. Obergeschoß von 4,30 m auf 5,0 m vergrößert werde. (Die mitbeteiligte Partei hatte schon im Berufungsverfahren entsprechend geänderte Pläne vorgelegt.) Im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin keine Folge und bestätigte den Bescheid der Behörde erster Instanz mit der Abänderung, dass der westliche Grenzabstand im
2. Obergeschoß von 4,30 m auf 5,0 m vergrößert werde.
Die belangte Behörde führte - soweit es beschwerderelevant ist - im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem Gebäude auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin nach der Baubewilligung vom 4. Juli 1963 um ein zweigeschoßiges Gebäude und nicht - wie die Erstbeschwerdeführerin meine - um ein viergeschoßiges Gebäude handle. Betrachte man das Kellergeschoß anhand der genehmigten Pläne, so sei genau ersichtlich, dass sich dessen Außenwandfläche nicht zu mehr als 50 % über dem natürlichen Gelände befinde und somit nicht als Geschoß gezählt werden könne. Mit Bescheid vom 16. Juni 1966 sei auf diesem Grundstück die Baubewilligung für den teilweisen Ausbau des Dachgeschoßes erteilt worden. Nach den im Akt einliegenden Plänen habe der Kniestock des Dachgeschoßes eine Höhe von 45 cm und das Dach eine Neigung von ca. 30 Grad, sodass auch das Dachgeschoß im Sinne des § 13 Abs. 5 Stmk. BauG nicht als Geschoß in der verfahrensgegenständlichen Gebäudefront anzurechnen sei. Es handle sich daher bei dem Gebäude auf dem westlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstück um ein zweigeschoßiges Gebäude, wie im Lageplan eingezeichnet, sodass auch der gesetzlich erforderliche Gebäudeabstand von 9 m (tatsächlich gemäß Plan 9,07 m) gegeben sei. Die diesbezüglichen Einwendungen seien als unbegründet abzuweisen.
Zum Einwand der Zweitbeschwerdeführerin betreffend die an der Grundgrenze zu ihrem Grundstück gelegene Stützmauer sei festzuhalten, dass diese kein Gebäude darstelle, sodass weder § 4 Z. 28 Stmk. BauG noch § 13 Stmk. BauG zur Anwendung komme. Die Stützmauer verlaufe entlang der Grundgrenze zum Grundstück der Zweitbeschwerdeführerin, der rückspringende Teil des geplanten Wohngebäudes befinde sich 7,35 m (nächstliegender Punkt zur Grundgrenze) davon entfernt, sodass die Stützmauer keinesfalls in die Berechnung der Gebäudefront mit einzuberechnen oder als Geschoß anzusehen sei. Es handle sich weiters bei der projektgegenständlichen Garage - entgegen dem Vorbringen beider Beschwerdeführerinnen - nicht um eine oberirdische Garage, sondern um eine Tiefgarage, da sich aus den Schnitten und Ansichten (Ost- und Westansicht) der einliegenden Pläne deutlich ergebe, dass sich die Außenwandfläche der Garage nicht zu mehr als 50 % über dem natürlichen Gelände befinde und somit nicht als Geschoß anzurechnen sei. Gemäß § 13 Abs. 4 Stmk. BauG seien als Geschoße nur jene anzurechnen, die voll ausgebaut oder zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig seien und deren Außenwandfläche zu mehr als 50 % und die Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände lägen. Da dies im vorliegenden Fall nicht gegeben sei, seien die diesbezüglichen Einwendungen als unbegründet abzuweisen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall kommt das Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 78/2003, zur Anwendung.
Gemäß § 4 Z. 29 Stmk. BauG ist unter der Gebäudefront die Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z. B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen zu verstehen.
Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. sind Gebäude entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinander gebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehr um 4, ergibt (Gebäudeabstand).
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).
Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung sind als Geschoße in der jeweiligen Gebäudefront jene anzurechnen,
"-
die voll ausgebaut oder zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig sind und
-
deren Außenwandfläche zu mehr als 50 Prozent und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt."
Die Erstbeschwerdeführerin trägt erstmals in der Beschwerde vor, dass die Hauswand des auf ihrem Grundstück befindlichen Gebäudes aus 3 Teilen bestehe, nämlich einem vorderen, ca. 3 m langen Teil, einem um ca. 1,5 m vorspringenden, ca. 4 m langen Teil und einem hinteren, ebenfalls ca. 4 m langen Teil. Der vorspringende Teil sei im (über Stiegen erreichbaren) Erdgeschoß als Eingangsbereich und im (allerdings weniger als 1,5 m über der Erde liegenden) Kellerbereich als Lagerfläche ausgebildet. Der gesamte Bereich sei überwiegend umschlossen im Sinne des § 4 Z. 28 Stmk. BauG. Im Hinblick auf diesen vorspringenden Gebäudeteil sei ihrer Ansicht nach der Gebäudeabstand nicht eingehalten. Er betrage lediglich 7,20 m, was selbst dann, wenn man davon ausginge, dass im Eingangsbereich nur ein Geschoß vorliege (der Eingangsbereich sei insgesamt höher als 3 m, man werde daher von zwei Geschoßen ausgehen müssen), nicht ausreichend sei.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Die belangte Behörde ist - wie die erstinstanzliche Behörde - bei der Ermittlung des Gebäudeabstandes zu dem Gebäude auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin von der Außenwand des Gebäudes der Erstbeschwerdeführerin ohne den erwähnten vorspringenden Eingangsbereich für das Erdgeschoß ausgegangen. Die Erstbeschwerdeführerin bringt nun erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor, dass der Gebäudeabstand von dem vorspringenden Eingangsbereich ihres Gebäudes zu berechnen gewesen sei. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist ein neues Vorbringen nicht mehr beachtlich, worunter auch Rechtsausführungen fallen, deren Behandlung - wie im vorliegenden Fall - zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen erfordert, die nur deshalb unterblieben sind, weil der Beschwerdeführer im Verfahren untätig geblieben ist (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 553 vorletzter und letzter Absatz angeführte hg. Judikatur).
Die Zweitbeschwerdeführerin rügt, dass das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben im hinteren Grundstücksbereich, in dem das zweite auf ihrem Grundstück befindliche Gebäude nicht an der Grundgrenze, sondern in einem Abstand von 1,50 m gelegen ist, den Abstand zu diesem Gebäude nicht entsprechend einhalte, da die als Stützmauer bezeichnete Außenwand der Tiefgarage die Abstandsbestimmungen zum hinteren Gebäude, aber auch (bei verfassungskonformer Interpretation und bei analoger Heranziehung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1999, Zl. 98/06/0138) zum vorderen Gebäude auf ihrem Grundstück, das in geschlossener Bauweise am Baugrundstück gebaut ist, verletze. Es könne zu Lasten eines Eigentümers eines an die Grundgrenze gebauten Hauses nicht angenommen werden, dass über die gesamte Grundstückslänge (unabhängig von der Größe des bestehenden angebauten Hauses) an die Grenze angebaut werden könne. Im Extremfall führe dies dazu, dass der Eigentümer eines rechtmäßig an die Grundgrenze angebauten Hauses sich plötzlich über eine gesamte Grundstücksseite seines Grundstückes einer Gebäudefront gegenübersehe. Ausgehend davon, dass es sich bei der als "Stützmauer" bezeichneten Mauer um einen Gebäudeteil der Tiefgarage handle, der zu mehr als 50 % und im Mittel mindestens 1,5 m über dem natürlichen Gelände liege, verletze diese Stützmauer die Abstandsbestimmungen sowohl zu ihrem hinteren eingeschoßigen Gebäude als auch zum vorderen Gebäude auf ihrem Grundstück.
Auch diesem Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin kommt keine Berechtigung zu. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, dass die Stützmauer, auch wenn sie über der Außenmauer der Tiefgarage errichtet ist, einen eigenständigen Bauteil darstellt, der nicht als Teil der Außenwandfläche der Tiefgarage qualifiziert werden kann. Die Außenwandfläche der Tiefgarage ist - wie dies dem Schnitt D-D zu entnehmen ist - nicht im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände. Die Zweitbeschwerdeführerin begründet das Vorliegen dieser Voraussetzung auch nur unter Einbeziehung der Stützmauer. Die Tiefgarage stellt daher kein anrechenbares Geschoß im Sinne des § 13 Abs. 4 Stmk. BauG dar.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war im Hinblick auf die in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalbeträge abzuweisen.
Wien, am 27. März 2007
Schlagworte
Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005060313.X00Im RIS seit
04.05.2007