TE OGH 2002/11/19 4Ob224/02y

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Veröffentlicht am 19.11.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Matthias W*****, geboren am *****, in Obsorge der Mutter Dr. Christiane H*****, diese vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, über den Revisionsrekurs des Vaters Ludwig W*****, vertreten durch Dr. Peter Bönsch, Rechtsanwalt in Mondsee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 3. Juli 2002, GZ 21 R 145/02a-101, mit dem der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Mondsee vom 22. April 2002, GZ 1 P 65/97f-98, teilweise zurückgewiesen wurde und mit dem dem Rekurs teilweise nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in Ansehung der Zurückweisung eines gegen den Zuspruch eines 420EUR nicht übersteigenden monatlichen Unterhalts gerichteten Rekurses als nicht in Beschwerde gezogen in Rechtskraft erwachsen ist, wird, soweit der Unterhalt ab 1. Jänner 2002 mit mehr als 462EUR monatlich festgesetzt wird, aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der mj Matthias W***** entstammt der mittlerweile geschiedenen Ehe Ludwig W*****s mit Dr. Christiane H*****. Er lebt im Haushalt seiner Mutter.

Der Vater verdiente im Zeitraum vom 1. 9. 2001 bis 28. 2. 2002 unter Berücksichtigung einer Sonderzahlung und nach Abzug der Reisegebühren netto 16.382,72 EUR; das sind monatlich 2.730,45 EUR. Seine Reisegebühren richten sich nach der Zahl der Tage, an denen er im Außendienst tätig ist. Der Vater hat keine weiteren Sorgepflichten.

Mit Beschluss vom 22. 11. 1999 verpflichtete das Erstgericht den Vater, für seinen Sohn ab 1. 10. 1999 monatlich 4.000 S Unterhalt zu zahlen.

Der Unterhaltssachwalter beantragt, den Unterhalt ab 1. 1. 2002 auf 600 EUR monatlich zu erhöhen. Der Vater und dessen Dienstgeber hätten Ersuchen um Übermittlung von Lohnauskünften nicht entsprochen. Es sei aber anzunehmen, dass der Vater aufgrund seines Einkommens in der Lage sei, den begehrten Unterhalt zu leisten.

Der Vater beantragt, das 420 EUR übersteigende Mehrbegehren abzuweisen. Sein durchschnittliches Nettoeinkommen betrage ohne Reiseauslagen und Diäten 28.897 S (= 2.100,03 EUR) monatlich. 20 % dieses Betrags entsprächen 420 EUR.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, beginnend mit 1. 1. 2002 546 EUR monatlich zu zahlen; das Mehrbegehren wies es ab. Der Regelbedarf für Kinder zwischen 10 und 15 Jahren betrage derzeit 288 EUR. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage belaufe sich auf 2.730,45 EUR monatlich. Die Reisespesen seien als reine Aufwandsentschädigung nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei einem Unterhalt von 20 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage ergebe sich ein Betrag von 546 EUR.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Vaters zurück, soweit der Zuspruch eines 420 EUR nicht übersteigenden monatlichen Unterhalts bekämpft wurde; im Übrigen bestätigte es den erstgerichtlichen Beschluss und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Soweit der Vater der Unterhaltserhöhung zugestimmt habe, fehle seinem Rechtsmittel die Beschwer. Die Ausführungen des Vaters zu Aufwendungen von 169 EUR monatlich für seinen Sohn seien eine unbeachtliche Neuerung. Die Familienbeihilfe sei auf den Unterhaltsanspruch nicht anzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und im Sinne seines Aufhebungsantrags berechtigt.

Der Vater macht zu Recht geltend, dass die der Mutter zukommenden Transferleistungen (teilweise) auf seine Unterhaltsverpflichtung anzurechnen sind:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002 in § 12a FLAG die Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom 27. 6. 2001 vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe.Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002 in Paragraph 12 a, FLAG die Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom 27. 6. 2001 vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe.

Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage ist damit bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Dabei ist der jeweilige Grenzsteuersatz maßgebend, der jedoch jeweils um etwa 20 % abzusenken ist, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %; bei einem Grenzsteuersatz von 41 % - wenn die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Absenkung proportional fortgeschrieben wird - zu einem Steuersatz von 33 % und bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem Steuersatz von 25 % (s Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003 [in Druck]).

Für ein proportionales Fortschreiben der vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Absenkung spricht, dass die Berechnung damit nachvollziehbar wird und für die Anwendung anderer Sätze überzeugende Argumente fehlen. So kann Zorn (Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, S 799 [803 f]) seinen Vorschlag, die jeweiligen Grenzsteuersätze auf 40 %, 34 % bzw 28 % abzusenken, nur damit begründen, dass ihm die zur Absenkung führenden Erwägungen (niedrigerer Steuersatz für bestimmte Einkunftsarten und Steigerung der Leistungsfähigkeit durch die steuerliche Entlastung) durch die von ihm vorgeschlagenen Sätze hinreichend berücksichtigt erschienen.

Der nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs abgesenkte Steuersatz ist mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren; um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 lit 3b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 lit 3a EStG) und Familienbeihilfe - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird.Der nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs abgesenkte Steuersatz ist mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren; um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag (Paragraph 33, Absatz 4, lit 3b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (Paragraph 33, Absatz 4, lit 3a EStG) und Familienbeihilfe - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird.

Im vorliegenden Fall beträgt das Nettoeinkommen des Vaters 2.730,45 EUR monatlich; das Bruttoeinkommen ist nicht festgestellt und auch dem Akt nicht eindeutig zu entnehmen. Vom Jahresbruttoeinkommen - ohne 13. und 14. Gehalt (s Zorn aaO S 804) - hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist. Die Einkommensteuer beträgt nach § 33 Abs 1 EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist (s Zorn aaO S 804), muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung - wie schon ausgeführt - darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist.Im vorliegenden Fall beträgt das Nettoeinkommen des Vaters 2.730,45 EUR monatlich; das Bruttoeinkommen ist nicht festgestellt und auch dem Akt nicht eindeutig zu entnehmen. Vom Jahresbruttoeinkommen - ohne 13. und 14. Gehalt (s Zorn aaO S 804) - hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist. Die Einkommensteuer beträgt nach Paragraph 33, Absatz eins, EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist (s Zorn aaO S 804), muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung - wie schon ausgeführt - darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist.

Das Erstgericht wird das Verfahren durch Feststellung des Jahresbruttoeinkommens des Vaters ohne 13. und 14. Gehalt zu ergänzen haben, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Textnummer

E67643

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00224.02Y.1119.000

Im RIS seit

19.12.2002

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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