TE OGH 2002/11/22 1R237/02i

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Veröffentlicht am 22.11.2002
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Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Präsidenten des Landesgerichtes Dr. Dür als Vorsitzenden sowie die Richter des Landesgerichtes Dr. Fußenegger und Dr. Höfle als weitere Senatsmitglieder in der Pflegschaftssache der mj Aleyna A***** vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft D*****, infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck (Zahl: Uv 801/00915/02) gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 31. Oktober 2002, 8 P 38/01 b - 4, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird keine Folge gegeben.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung:

Die am 5.8.1998 geborene Aleyna A***** ist ein uneheliches Kind von *****. Das Kind ist ebenso wie dessen Eltern türkische Staatsangehörige.

Der in Österreich wohnhafte und hier in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Vater wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 2.4.2001 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von ATS 2.030,-- verpflichtet.

Am 31.10.2002 beantragte das durch die Bezirkshauptmannschaft D*****vertretene Kind, das seinen Aufenthalt in D***** bei seiner Mutter hat, die Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG mit der Begründung, die zu 8 E 3224/02 des Bezirksgerichtes Bregenz geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen des unterhaltspflichtigen Vaters habe den laufenden Unterhalt und jenen für die letzten 6 Monate vor Antragstellung nicht gedeckt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 31.10.2002 bewilligte das Erstgericht antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG. Dagegen richtet sich der fristgerecht erhobene Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Antragsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.Am 31.10.2002 beantragte das durch die Bezirkshauptmannschaft D*****vertretene Kind, das seinen Aufenthalt in D***** bei seiner Mutter hat, die Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen nach Paragraphen 3,, 4 Ziffer eins, UVG mit der Begründung, die zu 8 E 3224/02 des Bezirksgerichtes Bregenz geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen des unterhaltspflichtigen Vaters habe den laufenden Unterhalt und jenen für die letzten 6 Monate vor Antragstellung nicht gedeckt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 31.10.2002 bewilligte das Erstgericht antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse nach Paragraphen 3,, 4 Ziffer eins, UVG. Dagegen richtet sich der fristgerecht erhobene Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Antragsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht begründet.

Der Rekurswerber vertritt den Standpunkt, beim Kind handle es sich um eine türkische Staatsbürgerin. Laut dem Urteil des EuGH vom 15.3.2001 und des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz vom 20.6.2001, GZ. 4.589/358-I.1/2001, würden nur in Österreich wohnende EWR-Bürger unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben. Die Türkei gehöre nicht zum EWR, sodass die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen für dieses Kind nicht zulässig sei.

Der EuGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG eine Familienleistung iSd Art 4 Abs 1 lit h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige (in der Folge: VO 1408/71) ist (EuGH 15.3.2001, C-8599, Offermanns; EuGH 8.2.2002, C-255/99, Humer). Eine Person, die zumindest einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer iSd Art 2 Abs 1 iVm Art 1 lit f Z 1 der VO 1408/71 ist, fällt daher in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung (EF 97.652, 97.653, 97.654, 97.655; RIS-Justiz RS0115509). Aus diesen Entscheidungen ist ua abzuleiten, dass alle EWR-Bürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine solche im Recht des Mitgliedstaates vorgesehene Leistung haben, soweit sie unter den persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 fallen (7 Ob 39/02 i; 9 Ob 157/02 g; Stockart-Bernkopf, Die EU und der österreichische Unterhaltsvorschuss - (un)erwartete Folgen, ÖA 2002, 5; Neumayr, Das Unterhaltsvorschussrecht nach den EuGH-Entscheidungen, ÖA 2002, 53).Der EuGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG eine Familienleistung iSd Artikel 4, Absatz eins, Litera h, der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige (in der Folge: VO 1408/71) ist (EuGH 15.3.2001, C-8599, Offermanns; EuGH 8.2.2002, C-255/99, Humer). Eine Person, die zumindest einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer iSd Artikel 2, Absatz eins, in Verbindung mit Artikel eins, Litera f, Ziffer eins, der VO 1408/71 ist, fällt daher in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung (EF 97.652, 97.653, 97.654, 97.655; RIS-Justiz RS0115509). Aus diesen Entscheidungen ist ua abzuleiten, dass alle EWR-Bürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine solche im Recht des Mitgliedstaates vorgesehene Leistung haben, soweit sie unter den persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 fallen (7 Ob 39/02 i; 9 Ob 157/02 g; Stockart-Bernkopf, Die EU und der österreichische Unterhaltsvorschuss - (un)erwartete Folgen, ÖA 2002, 5; Neumayr, Das Unterhaltsvorschussrecht nach den EuGH-Entscheidungen, ÖA 2002, 53).

Neben der VO 1408/71 enthalten auch andere Assoziierungs- und Kooperationsabkommen Koordinierungsregeln über den freien Transfer von Leistungen und die Gewährung von Familienzulagen. Im Besonderen trifft dies auf die Türkei zu. Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten haben mit der Türkei am 12.9.1963 das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Assoziierungsabkommen) geschlossen (ABl 64/L 217/3685). Nach Art 2 Abs 3 Assoziierungsabkommen umfasst die Assoziation eine Vorbereitungsphase, eine Übergangs- und eine Endphase. Fernziel ist nach Art 28 Assoziierungsabkommen der Beitritt der Türkei zur Gemeinschaft. Unter Titel 2 (Durchführung der Übergangsphase) bestimmt das Assoziierungsabkommen in Art 9, dass dem in Art 7 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft verankerten Grundsatz entsprechend jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. In Art 12 haben die Vertragsparteien vereinbart, sich von den Art 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen. Die Bedingungen, die Einzelheiten und der Zeitplan für die Verwirklichung der Übergangsphase wurden in dem am 1.1.1973 in Kraft getretenen Zusatzprotokoll vom 23.11.1970 festgelegt, das nach seinem Art 62 Bestandteil des Assoziierungsabkommens ist. Art 36 Zusatzprotokoll verbietet, die in der Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt wegen ihrer Staatsangehörigkeit gegenüber den Arbeitnehmern, die Angehörige der anderen Mitgliedstaaten sind, zu diskriminieren. Art 39 Zusatzprotokoll bestimmt, dass der Assoziationsrat Bestimmungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit, die von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu- oder abwandern, sowie für deren in der Gemeinschaft wohnende Familien erlässt.Neben der VO 1408/71 enthalten auch andere Assoziierungs- und Kooperationsabkommen Koordinierungsregeln über den freien Transfer von Leistungen und die Gewährung von Familienzulagen. Im Besonderen trifft dies auf die Türkei zu. Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten haben mit der Türkei am 12.9.1963 das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Assoziierungsabkommen) geschlossen (ABl 64/L 217/3685). Nach Artikel 2, Absatz 3, Assoziierungsabkommen umfasst die Assoziation eine Vorbereitungsphase, eine Übergangs- und eine Endphase. Fernziel ist nach Artikel 28, Assoziierungsabkommen der Beitritt der Türkei zur Gemeinschaft. Unter Titel 2 (Durchführung der Übergangsphase) bestimmt das Assoziierungsabkommen in Artikel 9,, dass dem in Artikel 7, des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft verankerten Grundsatz entsprechend jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. In Artikel 12, haben die Vertragsparteien vereinbart, sich von den Artikel 48,, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen. Die Bedingungen, die Einzelheiten und der Zeitplan für die Verwirklichung der Übergangsphase wurden in dem am 1.1.1973 in Kraft getretenen Zusatzprotokoll vom 23.11.1970 festgelegt, das nach seinem Artikel 62, Bestandteil des Assoziierungsabkommens ist. Artikel 36, Zusatzprotokoll verbietet, die in der Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt wegen ihrer Staatsangehörigkeit gegenüber den Arbeitnehmern, die Angehörige der anderen Mitgliedstaaten sind, zu diskriminieren. Artikel 39, Zusatzprotokoll bestimmt, dass der Assoziationsrat Bestimmungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit, die von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu- oder abwandern, sowie für deren in der Gemeinschaft wohnende Familien erlässt.

Gestützt auf das Assoziierungsabkommen und das Zusatzprotokoll, insbesondere auf dessen Art 39, erließ der durch das Abkommen geschaffene Assoziationsrat am 19.9.1980 den Beschluss 3/80 (ABl 83/C 110/60). Dieser Beschluss (im Folgenden nur: ARB 3/80) soll die Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten dahingehend koordinieren, dass türkische Arbeitnehmer, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft beschäftigt sind oder waren, sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene, Leistungen in den herkömmlichen Zweigen der sozialen Sicherheit beziehen können. Zu diesem Zweck verweist der ARB 3/80 im Wesentlichen auf einige Bestimmungen der VO 1408/71. So entsprechen sich Art 3 Abs 1 (Gleichbehandlung) und Art 4 Abs 1 (sachlicher Geltungsbereich). Titel III des ARB 3/80, der die Überschrift "Besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten" trägt, enthält entsprechend der VO 1408/71 ausgestaltete Koordinierungsvorschriften, die Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft (Art 10 f), Invalidität (Art 12), Alter und Tod (Renten - Art 13 f), Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (Art 15), das Sterbegeld (Art 16 f) sowie die Familienleistungen und -beihilfen (Art 18 f) betreffen (10 ObS 416/01 a).Gestützt auf das Assoziierungsabkommen und das Zusatzprotokoll, insbesondere auf dessen Artikel 39,, erließ der durch das Abkommen geschaffene Assoziationsrat am 19.9.1980 den Beschluss 3/80 (ABl 83/C 110/60). Dieser Beschluss (im Folgenden nur: ARB 3/80) soll die Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten dahingehend koordinieren, dass türkische Arbeitnehmer, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft beschäftigt sind oder waren, sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene, Leistungen in den herkömmlichen Zweigen der sozialen Sicherheit beziehen können. Zu diesem Zweck verweist der ARB 3/80 im Wesentlichen auf einige Bestimmungen der VO 1408/71. So entsprechen sich Artikel 3, Absatz eins, (Gleichbehandlung) und Artikel 4, Absatz eins, (sachlicher Geltungsbereich). Titel römisch III des ARB 3/80, der die Überschrift "Besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten" trägt, enthält entsprechend der VO 1408/71 ausgestaltete Koordinierungsvorschriften, die Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft (Artikel 10, f), Invalidität (Artikel 12,), Alter und Tod (Renten - Artikel 13, f), Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (Artikel 15,), das Sterbegeld (Artikel 16, f) sowie die Familienleistungen und -beihilfen (Artikel 18, f) betreffen (10 ObS 416/01 a).

Trotz fehlenden Abschlusses eines Anpassungsprotokolls ist das Assoziierungs- abkommen gemäß Art 76 Abs 2 der Beitrittsakte seit 1.1.1995 auch für Österreich geltendes Gemeinschaftsrecht (JBl 2000, 785 = ecolex 2001, 99 [Jud] = ZfRV 2001, 31; VwGH 25.6.1996, 96/09/0088; 1 R 158/02 y OLG Innsbruck mwN). Daraus folgt, dass zur Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage auf das zitierte Gemeinschaftsrecht, das innerstaatliches Recht überlagert und verdrängt, zurückzugreifen ist.Trotz fehlenden Abschlusses eines Anpassungsprotokolls ist das Assoziierungs- abkommen gemäß Artikel 76, Absatz 2, der Beitrittsakte seit 1.1.1995 auch für Österreich geltendes Gemeinschaftsrecht (JBl 2000, 785 = ecolex 2001, 99 [Jud] = ZfRV 2001, 31; VwGH 25.6.1996, 96/09/0088; 1 R 158/02 y OLG Innsbruck mwN). Daraus folgt, dass zur Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage auf das zitierte Gemeinschaftsrecht, das innerstaatliches Recht überlagert und verdrängt, zurückzugreifen ist.

Der EuGH hat aufgrund der genannten Assoziierungsbestimmungen schon entschieden, dass türkische Staatsangehörige, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die der ARB 3/80 gilt, im Wohnsitzstaat Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit nach den Rechtsvorschriften dieses Staates unter den gleichen Voraussetzungen wie dessen eigene Staatsangehörige haben. Art 3 Abs 1 ARB 3/80 enthalte die Durchführung und Konkretisierung des in Art 9 Assoziierungsabkommen verankerten allgemeinen Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit für den besonderen Bereich der sozialen Sicherheit (EuGH 4.5.1999, C-262/96, Sürül; EuGH 14.3.2000, C-102/98 und C-211/98; wbl 1999/218; wbl 2000/141; ecolex 1999, 740; ARD 5029/19/99; Fuchs/Höller in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, Assoziationsrecht Rz 43 ff mwN). Das Regelwerk des europäisch-türkischen Assoziationsrechtes ist - soweit hier von Interesse - ersichtlich dem europäischen Gemeinschaftsrecht nachgebildet. Das Assoziierungsabkommen und das Zusatzprotokoll entsprechen dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und überschreiten nicht - auch nicht mit dem vom EuGH in den zitierten Entscheidungen angenommenen Inhalt - die für die Europäische Gemeinschaft im Gründungsvertrag begründeten Kompetenzen. Ebensowenig lässt sich die Befugnis des Assoziationsrates zum Erlass des ARB 3/80 mit dem oben wiedergegebenen Inhalt verneinen. Das Gebot des Art 3 Abs 1 ARB 3/80 zur Inländergleichbehandlung gilt nicht nur für innerhalb der Gemeinschaft gewanderte türkische Arbeitnehmer, weil sonst die Forderung nicht erfüllt wäre, dass wenigstens ein Element des Sachverhalts über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen muss (EuGH 22.9.1992, C-153/91). Nach Ziel und Zweck des europäisch-türkischen Assoziationsrechtes genügt als über einen Mitgliedstaat hinausweisendes Element die türkische Staatsangehörigkeit eines Anspruchswerbers. Denn Türken sind nicht als Angehörige eines beliebigen Drittstaates zu behandeln (vgl zu den Voraussetzungen einer Inländergleichbehandlung von Flüchtlingen nach europäischem Gemeinschaftsrecht: EuGH 11.10.2001, C-95/99 bis C-98/99 und C-180/99, RdNr 71 f), denen Gleichbehandlung nur nach Maßgabe zwischenstaatlicher, jeweils von den Mitgliedstaaten abzuschließender Abkommen über soziale Sicherheit gewährt wird. Türken gehören vielmehr einem Staat an, mit dem die Europäische Gemeinschaft durch ein intensives und dauerhaftes völkerrechtliches Vertragsverhältnis eigener Art verbunden ist, das die Mitgliedschaft der Türkei zum Fernziel hat (Art 28 Assoziierungsabkommen) und das auf dem Wege dahin schrittweise die Freizügigkeit der Arbeitnehmer herstellen will. Im Zuge dieses Annäherungsprozesses haben die aus der Türkei eingewanderten Arbeitnehmer mit dem ARB 3/80 auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit einen den EG-Wanderarbeitnehmern angenäherten Status erhalten, der das Recht auf Inländergleichbehandlung einschließt. An diesem einmal erreichten Status ändert auch der Umstand nichts, dass der Assoziationsprozess auf dem vor Jahrzehnten erreichten Stand eingefroren ist und sich noch nicht absehen lässt, wann die Türkei als Mitglied in die Europäische Union aufgenommen wird.Der EuGH hat aufgrund der genannten Assoziierungsbestimmungen schon entschieden, dass türkische Staatsangehörige, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die der ARB 3/80 gilt, im Wohnsitzstaat Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit nach den Rechtsvorschriften dieses Staates unter den gleichen Voraussetzungen wie dessen eigene Staatsangehörige haben. Artikel 3, Absatz eins, ARB 3/80 enthalte die Durchführung und Konkretisierung des in Artikel 9, Assoziierungsabkommen verankerten allgemeinen Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit für den besonderen Bereich der sozialen Sicherheit (EuGH 4.5.1999, C-262/96, Sürül; EuGH 14.3.2000, C-102/98 und C-211/98; wbl 1999/218; wbl 2000/141; ecolex 1999, 740; ARD 5029/19/99; Fuchs/Höller in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, Assoziationsrecht Rz 43 ff mwN). Das Regelwerk des europäisch-türkischen Assoziationsrechtes ist - soweit hier von Interesse - ersichtlich dem europäischen Gemeinschaftsrecht nachgebildet. Das Assoziierungsabkommen und das Zusatzprotokoll entsprechen dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und überschreiten nicht - auch nicht mit dem vom EuGH in den zitierten Entscheidungen angenommenen Inhalt - die für die Europäische Gemeinschaft im Gründungsvertrag begründeten Kompetenzen. Ebensowenig lässt sich die Befugnis des Assoziationsrates zum Erlass des ARB 3/80 mit dem oben wiedergegebenen Inhalt verneinen. Das Gebot des Artikel 3, Absatz eins, ARB 3/80 zur Inländergleichbehandlung gilt nicht nur für innerhalb der Gemeinschaft gewanderte türkische Arbeitnehmer, weil sonst die Forderung nicht erfüllt wäre, dass wenigstens ein Element des Sachverhalts über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen muss (EuGH 22.9.1992, C-153/91). Nach Ziel und Zweck des europäisch-türkischen Assoziationsrechtes genügt als über einen Mitgliedstaat hinausweisendes Element die türkische Staatsangehörigkeit eines Anspruchswerbers. Denn Türken sind nicht als Angehörige eines beliebigen Drittstaates zu behandeln vergleiche zu den Voraussetzungen einer Inländergleichbehandlung von Flüchtlingen nach europäischem Gemeinschaftsrecht: EuGH 11.10.2001, C-95/99 bis C-98/99 und C-180/99, RdNr 71 f), denen Gleichbehandlung nur nach Maßgabe zwischenstaatlicher, jeweils von den Mitgliedstaaten abzuschließender Abkommen über soziale Sicherheit gewährt wird. Türken gehören vielmehr einem Staat an, mit dem die Europäische Gemeinschaft durch ein intensives und dauerhaftes völkerrechtliches Vertragsverhältnis eigener Art verbunden ist, das die Mitgliedschaft der Türkei zum Fernziel hat (Artikel 28, Assoziierungsabkommen) und das auf dem Wege dahin schrittweise die Freizügigkeit der Arbeitnehmer herstellen will. Im Zuge dieses Annäherungsprozesses haben die aus der Türkei eingewanderten Arbeitnehmer mit dem ARB 3/80 auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit einen den EG-Wanderarbeitnehmern angenäherten Status erhalten, der das Recht auf Inländergleichbehandlung einschließt. An diesem einmal erreichten Status ändert auch der Umstand nichts, dass der Assoziationsprozess auf dem vor Jahrzehnten erreichten Stand eingefroren ist und sich noch nicht absehen lässt, wann die Türkei als Mitglied in die Europäische Union aufgenommen wird.

Ebenso wenig wie an der türkischen Staatsangehörigkeit scheitert der hier zur Diskussion stehende Anspruch daran, dass der österreichische Unterhaltsvorschuss keine "Familienleistung" nach Art 4 Abs 1 lit h VO 1408/71 und damit iSd gleichlautenden Art 4 Abs 1 lit h ARB 3/80 sei. Wie bereits eingangs dargelegt worden ist, hat der EuGH Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG als Familienleistung qualifiziert (EvBl 2002/183 mwN). Der Senat hat keine Bedenken, diese Rechtsprechung auch bei Auslegung des Art 4 Abs 1 lit h ARB 3/80 zugrunde zu legen. Zwar stimmen gleichartige Begriffe in von der Gemeinschaft mit Drittstaaten geschlossenen Abkommen nicht unbedingt inhaltlich mit entsprechenden Begriffen des Gemeinschaftsrechts überein (vgl Herrnfeld in Schwarze, EU-Kommentar Art 310 EGV RdNr 20). Hier bestimmt Art 1 lit a ARB 3/80 aber ausdrücklich, dass der dort verwendete Begriff "Familienleistungen" dieselbe Bedeutung wie in der VO 1408/71 hat.Ebenso wenig wie an der türkischen Staatsangehörigkeit scheitert der hier zur Diskussion stehende Anspruch daran, dass der österreichische Unterhaltsvorschuss keine "Familienleistung" nach Artikel 4, Absatz eins, Litera h, VO 1408/71 und damit iSd gleichlautenden Artikel 4, Absatz eins, Litera h, ARB 3/80 sei. Wie bereits eingangs dargelegt worden ist, hat der EuGH Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG als Familienleistung qualifiziert (EvBl 2002/183 mwN). Der Senat hat keine Bedenken, diese Rechtsprechung auch bei Auslegung des Artikel 4, Absatz eins, Litera h, ARB 3/80 zugrunde zu legen. Zwar stimmen gleichartige Begriffe in von der Gemeinschaft mit Drittstaaten geschlossenen Abkommen nicht unbedingt inhaltlich mit entsprechenden Begriffen des Gemeinschaftsrechts überein vergleiche Herrnfeld in Schwarze, EU-Kommentar Artikel 310, EGV RdNr 20). Hier bestimmt Artikel eins, Litera a, ARB 3/80 aber ausdrücklich, dass der dort verwendete Begriff "Familienleistungen" dieselbe Bedeutung wie in der VO 1408/71 hat.

Daraus folgt, dass türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen - zumindest dann, wenn sie in einem Mitgliedstaat leben und der persönliche Anwendungsbereich der VO gegeben ist - in gleicher Weise Anspruch auf Unterhaltsvorschuss wie EWR-Bürger haben (zustimmend Neumayr aaO 54). In einem ähnlich gelagerten Fall, wo es um Zuerkennung von Landeserziehungsgeld nach dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz ging, hat das Deutsche Bundessozialgericht mit Urteil vom 29.1.2002, B 10 EG 2/01 R, dies ebenso bejaht (http://lexetius.com/2002/4/1176).

Aus diesen Überlegungen scheitert der vom Erstgericht bewilligte Unterhaltsvorschuss nicht an der türkischen Staatsbürgerschaft des antragstellenden Kindes. Nach dem Vorbringen im Antrag, auf das gemäß § 11 Abs 2 UVG abzustellen ist, und das auch dem bisherigen Akteninhalt entspricht, ist (zumindest) der unterhaltspflichtige Vater als Arbeitnehmer iSd Freizügigkeitsvorschriften einzustufen, weil Exekution auf Arbeitseinkommen erfolglos geführt wurde und der Vater zuletzt bei der Firma ***** AG beschäftigt war. Deshalb ist dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck keine Folge zu geben.Aus diesen Überlegungen scheitert der vom Erstgericht bewilligte Unterhaltsvorschuss nicht an der türkischen Staatsbürgerschaft des antragstellenden Kindes. Nach dem Vorbringen im Antrag, auf das gemäß Paragraph 11, Absatz 2, UVG abzustellen ist, und das auch dem bisherigen Akteninhalt entspricht, ist (zumindest) der unterhaltspflichtige Vater als Arbeitnehmer iSd Freizügigkeitsvorschriften einzustufen, weil Exekution auf Arbeitseinkommen erfolglos geführt wurde und der Vater zuletzt bei der Firma ***** AG beschäftigt war. Deshalb ist dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck keine Folge zu geben.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zuzulassen, da keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliegt, ob und unter welchen Voraussetzungen einem in Österreich lebenden Kind mit türkischer Staatsangehörigkeit, dessen unterhaltspflichtiger Vater im Inland beschäftigt ist, Unterhaltsvorschüsse zustehen.

Anmerkung

EFE0055 01r02372

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00929:2002:00100R00237.02I.1122.000

Dokumentnummer

JJT_20021122_LG00929_00100R00237_02I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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