Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Birgit H*****, geboren am *****, und der Petra H*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Josef H*****, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 28. Februar 2002, GZ 20 R 204/01t-61, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 16. November 2001, GZ 1 P 1362/95d-55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Vater schuldig ist, zum Unterhalt seiner Kinder in Abänderung der mit Vergleich vom 25. November 1997 festgelegten Unterhaltsverpflichtung ab 1. 1. 2000 folgende monatliche Unterhaltsbeiträge zu zahlen:
Text
Begründung:
Mit Vergleich vom 25. 11. 1997 verpflichtete sich der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 6.000 je Kind. Die Mutter begehrte als gesetzliche Vertreterin der Kinder die Erhöhung dieses Unterhalts auf letztlich 7.300 S für die mj Birgit und auf 8.100 S für Petra, jeweils für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 1999, und auf 10.300 S für die mj Birgit und 11.400 S für Petra, je ab 1. 1. 2000.
Der Vater wies bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens darauf hin, dass nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (B 1285/00 vom 27. 6. 2001) bei nicht haushaltszugehörigen Kindern - wie hier - dem Geldunterhaltspflichtigen die dem haushaltsführenden Teil zukommenden Transferleistungen - unter anderem auch die Familienbeihilfe - in dem Ausmaß auf die Unterhaltsverpflichtung anzurechnen seien, als es erforderlich sei, um zusammen mit dem Unterhaltsabsetzbetrag die Hälfte des geschuldeten Unterhalts von der Einkommensteuer freizustellen (S 5 des Schriftsatzes vom 22. 10. 2001).
Das Erstgericht erhöhte die vom Vater zu erbringende monatliche Unterhaltsleistung für das Jahr 1999 für Birgit auf 7.150 S und für Petra auf 7.950 S. Für die Zeit ab 1. 1. 2000 hob es den Unterhalt auf S 9.900 (Birgit) bzw auf 11.000 S (Petra) an; das Erhöhungsmehrbegehren der Mutter wies es - unangefochten - ab. Die Kinder befänden sich in Pflege und Erziehung der Mutter, die auch die Familienbeihilfe beziehe. Der Vater verfüge über ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 39.752 S für 1999 und von 54.913 S für 2000. Durch weitere Sorgepflichten sei er nicht belastet. Der Umstand, dass die Mutter die Familienbeihilfe beziehe, sei bei der Ausmittlung des den Kindern gebührenden Unterhalts nicht zu berücksichtigen.
Der Vater bekämpfte die erstinstanzliche Entscheidung lediglich insoweit, als "es das Erstgericht unterlassen habe, entsprechend der zuvor zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im Sinne einer teleologischen Reduktion des § 12a FamLAG vorzugehen". Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die (ordentlichen) Gerichte seien an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden. Dessen Ansicht widerspräche dem klaren Gesetzeswortlaut des § 12a FamLAG. Die Familienbeihilfe gelte nicht als eigenes Einkommen der Kinder und mindere nicht deren Unterhaltsanspruch; sie solle nach dem Willen des Gesetzgebers zur Gänze dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut werde.Der Vater bekämpfte die erstinstanzliche Entscheidung lediglich insoweit, als "es das Erstgericht unterlassen habe, entsprechend der zuvor zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im Sinne einer teleologischen Reduktion des Paragraph 12 a, FamLAG vorzugehen". Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die (ordentlichen) Gerichte seien an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden. Dessen Ansicht widerspräche dem klaren Gesetzeswortlaut des Paragraph 12 a, FamLAG. Die Familienbeihilfe gelte nicht als eigenes Einkommen der Kinder und mindere nicht deren Unterhaltsanspruch; sie solle nach dem Willen des Gesetzgebers zur Gänze dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt. Bereits im Erkenntnis vom 27. 6. 2001 vertrat der Verfassungsgerichtshof die Ansicht, es sei eine steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder durch Anrechnung eines Teils der Transferleistungen (Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, aber auch Familienbeihilfe) auf den Unterhalt verfassungsrechtlich geboten (AZ B 1285/00).
In der Folge stellte unter anderem der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) - anlässlich anhängiger Revisionsrekurse - den Antrag, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hob der Verfassungsgerichtshof die im § 12a FamLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. In Anlehnung an das schon zuvor zitierte Erkenntnis vom 27. 6. 2001 führte der VfGH aus, dass nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils dienen müssten. Angesichts der zitierten verfassungsgerichtlichen Erkenntnisse muss bei getrennten Haushalten der Eltern im Rahmen der Unterhaltsbemessung für Kinder darauf Bedacht genommen werden, dass die Familienbeihilfe - neben der Abgeltung von Betreuungsleistungen - auch zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen herangezogen werden soll. Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung des § 140 ABGB (insbesondere Abs 2 Satz 2) muss die Hälfte des vom Geldunterhaltspflichtigen bezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Der jeweils maßgebliche Grenzsteuersatz (50 %, 41 %, 31 %) ist aber pauschal abzusenken, zumal ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte bezieht und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwendet werden können. Es erscheint sachgerecht, den Grenzsteuersatz von 50 auf 40 %, den von 41 auf 33 % und schließlich den von 31 auf 25 % abzusenken (1 Ob 79/02b mwN).In der Folge stellte unter anderem der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) - anlässlich anhängiger Revisionsrekurse - den Antrag, Paragraph 12 a, FamLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hob der Verfassungsgerichtshof die im Paragraph 12 a, FamLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. In Anlehnung an das schon zuvor zitierte Erkenntnis vom 27. 6. 2001 führte der VfGH aus, dass nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils dienen müssten. Angesichts der zitierten verfassungsgerichtlichen Erkenntnisse muss bei getrennten Haushalten der Eltern im Rahmen der Unterhaltsbemessung für Kinder darauf Bedacht genommen werden, dass die Familienbeihilfe - neben der Abgeltung von Betreuungsleistungen - auch zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen herangezogen werden soll. Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung des Paragraph 140, ABGB (insbesondere Absatz 2, Satz 2) muss die Hälfte des vom Geldunterhaltspflichtigen bezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Der jeweils maßgebliche Grenzsteuersatz (50 %, 41 %, 31 %) ist aber pauschal abzusenken, zumal ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte bezieht und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwendet werden können. Es erscheint sachgerecht, den Grenzsteuersatz von 50 auf 40 %, den von 41 auf 33 % und schließlich den von 31 auf 25 % abzusenken (1 Ob 79/02b mwN).
Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners ist demnach wie folgt zu ermitteln:
Der den Unterhaltsberechtigten gebührende Unterhalt lässt sich nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien in der von den Vorinstanzen ausgemittelten Höhe errechnen (für 1999 7.150 bzw 7.950 S; ab 1. 1. 2000 9.900 bzw 11.000 S). Nach den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs B 1285/00 aufgestellten Grundsätzen ist der gesamte Unterhaltsbeitrag nach dem jeweils maßgeblichen, pauschal abgesenkten Grenzsteuersatz zu entlasten. Es ist daher das Brutto-Jahreseinkommen des Geldunterhaltspflichtigen - ohne Sonderzahlungen (Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) - festzustellen, um eruieren zu können, welcher Grenzsteuersatz anzuwenden ist. Liegt das Bruttojahreseinkommen über 50.870 EUR (oder 700.000 S), so ist der auf 40 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 50 % anzuwenden. Da der Vater im Jahre 2000 unbekämpftermaßen über ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 54.913 S, also jährlich über etwa 659.000 S netto verfügte, liegt sein Brutto-Jahreseinkommen für 2000 evidentermaßen weit über 700.000 S, sodass der gesamte Unterhalt mit 20 % steuerlich zu entlasten ist. Daher müssen ab dem 1. 1. 2000 20 % von 9.900 bzw 11.000 S (also 1.980 bzw 2.200 S) einer Entlastung zugeführt werden. Dabei sind vorweg die dem Vater zugekommenen Unterhaltsabsetzbeträge von 350 S (oder 25,50 EUR) und 525 S (oder 38,20 EUR) zu berücksichtigen, insgesamt also 875 S (oder 63,70 EUR) - und somit je Kind die Hälfte davon, also 437,50 S (oder 31,85 EUR) -, was restliche Beträge von 1.542,50 S (oder 112,04 EUR) bzw 1.762,50 S (oder 128,03 EUR) ergibt, die im Wege der steuerlichen Entlastung vom nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien ermittelten Kindesunterhalt abzuziehen ist. Diese Beträge sind durch die der Mutter zufließenden Transferleistungen, und zwar den Kinderabsetzbetrag von 700 S (= 50,9 EUR) bzw die der Mutter ausgezahlte Familienbeihilfe von zumindest 1.450 S (= 105,40 EUR) gedeckt.
Die steuerliche Entlastung des Vaters durch Kürzung des Unterhaltsbetrags wegen der Auszahlung der Familienbeihilfe an die Mutter ist zufolge Art 140 Abs 7 B-VG nicht erst durch die Aufhebung des § 12a FamLAG durch den VfGH möglich geworden: Der Gerichtshof sprach in diesem Erkenntnis vom 13. 9. 2002 aus, die "Zivilgerichte" seien schon nach seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, berechtigt gewesen, die Familienbeihilfe bei der Kürzung der Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltspflichtigen im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß zu berücksichtigen. Deshalb habe er davon abgesehen, eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen, sodass diese nicht mehr anzuwenden sei.Die steuerliche Entlastung des Vaters durch Kürzung des Unterhaltsbetrags wegen der Auszahlung der Familienbeihilfe an die Mutter ist zufolge Artikel 140, Absatz 7, B-VG nicht erst durch die Aufhebung des Paragraph 12 a, FamLAG durch den VfGH möglich geworden: Der Gerichtshof sprach in diesem Erkenntnis vom 13. 9. 2002 aus, die "Zivilgerichte" seien schon nach seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, berechtigt gewesen, die Familienbeihilfe bei der Kürzung der Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltspflichtigen im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß zu berücksichtigen. Deshalb habe er davon abgesehen, eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen, sodass diese nicht mehr anzuwenden sei.
Damit sind die ab 1. 1. 2000 zu zahlenden Unterhaltsbeträge um die gesamten Entlastungsbeträge von 1.542,50 S (oder 112,04 EUR) bzw 1.762,50 S (oder 128,03 EUR) von 9.900 S (oder 719,46 EUR) auf 8.357,50 S (oder 607,42 EUR) bzw von 11.000 S (oder 799,40 EUR) auf 9.237,50 S (oder 671,37 EUR) zu kürzen.
Inwieweit die vom Vater für das Jahr 1999 zu leistenden Unterhaltsbeiträge eine Kürzung erfahren können, ist derzeit noch nicht beurteilbar. Es fehlt nämlich an einer Feststellung des Brutto-Jahreseinkommens des Vaters für diesen Zeitraum, und es ist auch nicht evident, welchem Steuersatz dieses Einkommen unterliegt. Bei einem Brutto-Jahreseinkommen zwischen 300.000 S (oder 21.800 EUR) und 700.000 S (oder 50.870 EUR) wäre nämlich der auf 33 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 41 % anzuwenden (1 Ob 79/02b). Festgestellt wurde von den Vorinstanzen lediglich ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 39.752 S, was in etwa einem Jahresnettoeinkommen von 477.000 S entspricht. Ob und inwieweit das steuerbare Einkommen auch 1999 700.000 S überschritt, lässt sich dabei nicht verlässlich beurteilen. Der Oberste Gerichtshof kann aber auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen (ON 45) zurückgreifen, weil er nicht Tatsacheninstanz und ihm daher eine exakte Feststellung über die Höhe des Jahres-Bruttoeinkommens im fraglichen Jahr verwehrt ist. Demnach wird das Erstgericht das Brutto-Jahreseinkommen des Vaters 1999 festzustellen haben, um verlässlich beurteilen zu können, welcher Grenzsteuersatz (oder welche Grenzsteuersätze) anzuwenden ist (sind). Danach richtet sich die Höhe der steuerlichen Entlastung der vom Vater zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge für dieses Jahr.
Anmerkung
E67764 1Ob114.02z-2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00114.02Z.1126.000Dokumentnummer
JJT_20021126_OGH0002_0010OB00114_02Z0000_000