TE OGH 2002/11/26 1Ob219/02s

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard W*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen EUR 4.488,29 sA (Revisionsinteresse EUR 4.243,62 sA) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 8. April 2002, GZ 14 R 28/02v-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 26. November 2001, GZ 1 Cg 8/01f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.Die Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte auf Grund von Amtshaftung den Ersatz von Verfahrenskosten in der Höhe von S 61.760,22 (EUR 4.488,29), die ihm im Anlassverfahren (AZ 20 Cg 306/95g des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien) durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des damit befassten Einzelrichters erwachsen seien. Insbesondere sei diesem die herrschende Kausalitätstheorie "gänzlich unbekannt" gewesen oder er habe sie "bewusst missachtet". Die beklagte Partei anerkannte einen Teilbetrag von S 3.366,80 (EUR 244,67). Im Übrigen wiesen die Vorinstanzen das Klagebegehren ab, unter anderem mit der Begründung, dass die Entscheidungen des Erstrichters im Anlassfall nicht unvertretbar, sondern schlicht unrichtig gewesen seien. Die beanstandete Formulierung zur Kausalität könne im Gesamtkontext nur so gedeutet werden, dass im Vergleich zu den sonstigen Sorgfaltsverstößen des Klägers das Verschulden am Vorunfall wertungsmäßig in den Hintergrund getreten sei. Das Berufungsgericht sprach über Antrag der klagenden Partei nach § 508 Abs 1 ZPO nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. In der Zulassungsvorstellung und ordentlichen Revision werde vorgebracht, die Amtshaftungsgerichte seien an die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren gebunden und hätten diese Bindung missachtet. In der Missachtung einer solchen Bindung – falls es sie gäbe - läge eine erhebliche Rechtsfrage. Eine weitere erhebliche Rechtsfrage könne in der Frage erblickt werden, ob die Vernehmung des Erstrichters im Anlassverfahren in Frage komme, wenn es sich – anders als im jüngst judizierten Fall einer Senatsentscheidung (EvBl 2002/42) – um die Entscheidung eines Einzelrichters handle.Der Kläger begehrte auf Grund von Amtshaftung den Ersatz von Verfahrenskosten in der Höhe von S 61.760,22 (EUR 4.488,29), die ihm im Anlassverfahren (AZ 20 Cg 306/95g des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien) durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des damit befassten Einzelrichters erwachsen seien. Insbesondere sei diesem die herrschende Kausalitätstheorie "gänzlich unbekannt" gewesen oder er habe sie "bewusst missachtet". Die beklagte Partei anerkannte einen Teilbetrag von S 3.366,80 (EUR 244,67). Im Übrigen wiesen die Vorinstanzen das Klagebegehren ab, unter anderem mit der Begründung, dass die Entscheidungen des Erstrichters im Anlassfall nicht unvertretbar, sondern schlicht unrichtig gewesen seien. Die beanstandete Formulierung zur Kausalität könne im Gesamtkontext nur so gedeutet werden, dass im Vergleich zu den sonstigen Sorgfaltsverstößen des Klägers das Verschulden am Vorunfall wertungsmäßig in den Hintergrund getreten sei. Das Berufungsgericht sprach über Antrag der klagenden Partei nach Paragraph 508, Absatz eins, ZPO nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. In der Zulassungsvorstellung und ordentlichen Revision werde vorgebracht, die Amtshaftungsgerichte seien an die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren gebunden und hätten diese Bindung missachtet. In der Missachtung einer solchen Bindung – falls es sie gäbe - läge eine erhebliche Rechtsfrage. Eine weitere erhebliche Rechtsfrage könne in der Frage erblickt werden, ob die Vernehmung des Erstrichters im Anlassverfahren in Frage komme, wenn es sich – anders als im jüngst judizierten Fall einer Senatsentscheidung (EvBl 2002/42) – um die Entscheidung eines Einzelrichters handle.

Die Revision ist nicht zulässig, da eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten ist.Die Revision ist nicht zulässig, da eine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zu beantworten ist.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Berufung rügte der Kläger als Verfahrensmangel erster Instanz, dass der von ihm beantragten zeugenschaftlichen Einvernahme des Erstrichters des Anlassverfahrens - zum Beweis darüber, dass dieser die Urteile "zum Zweck der Vermeidung eines höheren Verfahrensaufwands durch ein Eingehenmüssen auf die konkreten Schäden zum Nachteil des Klägers" gefällt habe - nicht entsprochen worden sei. Das Berufungsgericht verwarf diese Verfahrensrüge mit dem Hinweis, dass es auf eine Motivforschung nicht ankomme, und Erwägungen, aus welchen Gründen der im Anlassfall erkennende Richter Entscheidungen getroffen habe, dahinzustehen hätten. Der Kläger meint, durch die Entscheidung des Berufungsgerichts werde ein "unzulässiges Beweisverbot in das Zivilprozessrecht eingeführt", weshalb die Anrufung des Obersten Gerichtshofs gerechtfertigt sei. Er macht damit aber nur Umstände geltend, die schon den Gegenstand seiner Berufung bildeten und nach Ansicht des Berufungsgerichts einen Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht begründeten, weil die Vernehmung des im Anlassfall erkennenden Richters zu Recht nicht vorgenommen worden sei. Es entspricht nun der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als gegeben ansah, nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden können (Kodek in Rechberger², Rz 3 zu § 503 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Weiters vertritt der Revisionswerber die Auffassung, die Gerichte im Amtshaftungsverfahren hätten die Entscheidung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren über die rechtlichen Verkennung der herrschenden Kausalitätstheorie in unzulässiger Weise „uminterpretiert". Vielmehr seien die Amtshaftungsgerichte an die tatsächliche und rechtliche Begründung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren gebunden und nicht befugt, von dieser abzuweichen.In seiner Berufung rügte der Kläger als Verfahrensmangel erster Instanz, dass der von ihm beantragten zeugenschaftlichen Einvernahme des Erstrichters des Anlassverfahrens - zum Beweis darüber, dass dieser die Urteile "zum Zweck der Vermeidung eines höheren Verfahrensaufwands durch ein Eingehenmüssen auf die konkreten Schäden zum Nachteil des Klägers" gefällt habe - nicht entsprochen worden sei. Das Berufungsgericht verwarf diese Verfahrensrüge mit dem Hinweis, dass es auf eine Motivforschung nicht ankomme, und Erwägungen, aus welchen Gründen der im Anlassfall erkennende Richter Entscheidungen getroffen habe, dahinzustehen hätten. Der Kläger meint, durch die Entscheidung des Berufungsgerichts werde ein "unzulässiges Beweisverbot in das Zivilprozessrecht eingeführt", weshalb die Anrufung des Obersten Gerichtshofs gerechtfertigt sei. Er macht damit aber nur Umstände geltend, die schon den Gegenstand seiner Berufung bildeten und nach Ansicht des Berufungsgerichts einen Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht begründeten, weil die Vernehmung des im Anlassfall erkennenden Richters zu Recht nicht vorgenommen worden sei. Es entspricht nun der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als gegeben ansah, nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden können (Kodek in Rechberger², Rz 3 zu Paragraph 503, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Weiters vertritt der Revisionswerber die Auffassung, die Gerichte im Amtshaftungsverfahren hätten die Entscheidung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren über die rechtlichen Verkennung der herrschenden Kausalitätstheorie in unzulässiger Weise „uminterpretiert". Vielmehr seien die Amtshaftungsgerichte an die tatsächliche und rechtliche Begründung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren gebunden und nicht befugt, von dieser abzuweichen.

Im Amtshaftungsprozess ist nicht etwa wie im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig ist, sondern, ob sie auf vertretbarer Gesetzesauslegung bzw. Rechtsanwendung beruht. Eine an sich unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsauffassung löst selbst dann keinen Amtshaftungsanspruch aus, wenn sie mit der bisherigen Judikatur nicht in Einklang steht oder von der höheren Instanz nicht gebilligt wurde (vgl Schragel, AHG², Rz 147). Das Berufungsgericht im Anlassprozess hatte bei Prüfung der angefochtenen Entscheidung bloß auf die maßgeblichen Rechtsfragen einzugehen und nicht auch bereits einer Interpretation im Lichte eines Amtshaftungsanspruchs vorzugreifen. Der Hinweis des Berufungsgerichts im Anlassverfahren, die Kausalität zwischen dem Fehlverhalten des dortigen Beklagten und dem Schaden des Klägers sei entgegen der Formulierung im Ersturteil - ebenso wie die Adäquanz - gegeben, steht damit der im Amtshaftungsverfahren getroffenen Feststellung, der Erstrichter habe in der Sache erkennbar nicht die (natürliche) Kausalität, sondern vielmehr ein ins Gewicht fallendes Verschulden des Beklagten verneint, nicht entgegen.Im Amtshaftungsprozess ist nicht etwa wie im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig ist, sondern, ob sie auf vertretbarer Gesetzesauslegung bzw. Rechtsanwendung beruht. Eine an sich unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsauffassung löst selbst dann keinen Amtshaftungsanspruch aus, wenn sie mit der bisherigen Judikatur nicht in Einklang steht oder von der höheren Instanz nicht gebilligt wurde vergleiche Schragel, AHG², Rz 147). Das Berufungsgericht im Anlassprozess hatte bei Prüfung der angefochtenen Entscheidung bloß auf die maßgeblichen Rechtsfragen einzugehen und nicht auch bereits einer Interpretation im Lichte eines Amtshaftungsanspruchs vorzugreifen. Der Hinweis des Berufungsgerichts im Anlassverfahren, die Kausalität zwischen dem Fehlverhalten des dortigen Beklagten und dem Schaden des Klägers sei entgegen der Formulierung im Ersturteil - ebenso wie die Adäquanz - gegeben, steht damit der im Amtshaftungsverfahren getroffenen Feststellung, der Erstrichter habe in der Sache erkennbar nicht die (natürliche) Kausalität, sondern vielmehr ein ins Gewicht fallendes Verschulden des Beklagten verneint, nicht entgegen.

Darüberhinaus kann eine Bindung an zivilgerichtliche Entscheidungen nur innerhalb der subjektiven und objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft bestehen (vgl Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht5 Rz 699 ff). Die vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 14/94) betrifft eine gänzlich andere Fallkonstellation, und zwar die Bindung des Amtshaftungsgerichts an einen rechtskräftigen Verwaltungsakt soweit sich der Rechtsträger auf dessen Rechtswidrigkeit beruft. Die Begründung einer aufhebenden Entscheidung eines Berufungsgerichts ist aber der notariellen Rechtskraft nicht zugänglich.Darüberhinaus kann eine Bindung an zivilgerichtliche Entscheidungen nur innerhalb der subjektiven und objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft bestehen vergleiche Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht5 Rz 699 ff). Die vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 14/94) betrifft eine gänzlich andere Fallkonstellation, und zwar die Bindung des Amtshaftungsgerichts an einen rechtskräftigen Verwaltungsakt soweit sich der Rechtsträger auf dessen Rechtswidrigkeit beruft. Die Begründung einer aufhebenden Entscheidung eines Berufungsgerichts ist aber der notariellen Rechtskraft nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.Die Kostenentscheidung fußt auf Paragraphen 41,, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Anmerkung

E67616 1Ob219.02s

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00219.02S.1126.000

Dokumentnummer

JJT_20021126_OGH0002_0010OB00219_02S0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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