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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, in der Beschwerdesache der T GesmbH in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Universitätsstraße 11, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde wird eingestellt.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 675,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe als nicht zum Zug gekommene Bieterin in einem Vergabeverfahren der Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH am 13. Dezember 2004 einen Nachprüfungsantrag an die belangte Behörde gestellt. Diese habe den Antrag mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. März 2005, Zl. 2004/04/0235, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben worden. Seit Erlassung dieses Erkenntnisses seien - im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde (Postaufgabe am 28. August 2006) - mehr als sechs Monate vergangen, in denen die belangte Behörde über den Nachprüfungsantrag nicht entschieden habe.
Die belangte Behörde bestritt diesen Sachverhalt nicht und legte mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2006 ihren Bescheid vom 13. Dezember 2006, mit dem über den Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin entschieden worden war, vor. Sie führte aus, dass sie am 14. Februar 2006 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Das zur Entscheidung zuständige Mitglied der belangten Behörde habe danach mehrfach mit dem Leiter der Rechtsabteilung der Beschwerdeführerin telefoniert. Dieser habe immer wieder versichert, dass eine "außergerichtliche Lösung" der Angelegenheit noch "in Überlegung steht". Um einer wirtschaftlich sinnvollen "außergerichtlichen Regelung" zwischen den Parteien des Nachprüfungsverfahrens nicht im Weg zu stehen bzw. die Parteien nicht zu präjudizieren, sei seitens der belangten Behörde bewusst längere Zeit - über den Erledigungszeitraum des § 73 Abs. 1 AVG hinaus - mit der Bescheiderlassung zugewartet worden.
Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 15. Jänner 2007 dazu vor, dass seitens des Beschwerdevertreters nach der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2006 keinerlei Gespräche betreffend eine Einigung mit der Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH geführt worden seien. Solche Bestrebungen habe es bereits im Mai 2005 gegeben. Diese seien jedoch "im Sande verlaufen". Die Bescheiderlassung sei durch den Beschwerdevertreter beim zuständigen Mitglied der belangten Behörde vor Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde mehrmals urgiert worden, zuletzt am 24. Mai 2006.
Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelende Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Im Unterschied zur Bestimmung des § 73 Abs. 2 AVG ist der Übergang der Entscheidungspflicht an den Verwaltungsgerichtshof nicht von einer schuldhaften Verzögerung der Beschwerde abhängig (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Anm. 3 zu § 27 VwGG und die dort S. 197 f zitierte hg. Judikatur).
Die vorliegende Säumnisbeschwerde ist daher zulässig und war im Zeitpunkt ihrer Einbringung auch inhaltlich gerechtfertigt. Infolge Nachholung des versäumten Bescheides war das Verfahren über die Säumnisbeschwerde jedoch gemäß § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. gebildeten Senat - einzustellen.
Gemäß § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist im Fall einer Säumnisbeschwerde, in dem das Verfahren wegen Nachholung des versäumten Bescheides eingestellt wurde, der Pauschbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes - des in diesem Fall als obsiegend anzusehenden Beschwerdeführers - in der Verordnung gemäß § 49 Abs. 1 leg. cit. um die Hälfte niedriger festzusetzen als der sonst auf Grund dieser Bestimmung für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes festzusetzende Pauschbetrag. Gemäß dem Abs. 2 dieser Bestimmung ist Abs. 1 nicht anzuwenden, wenn die belangte Behörde Gründe nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht haben, und diese Gründe von ihr dem Beschwerdeführer vor der Einbringung der Säumnisbeschwerde bekannt gegeben worden sind. Nach dem Abs. 3 dieser Bestimmung ist Abs. 1 weiters dann nicht anzuwenden, wenn die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei zurückzuführen war.
Nach dem Vorbringen der belangten Behörde wurde im Hinblick auf mehrfache telefonische Äußerungen des Vorsitzenden der Rechtsabteilung der Beschwerdeführerin, wonach eine "außergerichtliche Lösung" noch "in Überlegung steht", mit der Bescheiderlassung zugewartet. Dass die Beschwerdeführerin um ein Zuwarten ersucht habe oder damit ausdrücklich einverstanden gewesen sei, wird hingegen nicht behauptet. Damit hat die belangte Behörde aber weder dargetan, dass die fristgerechte Erlassung des Bescheides im Sinn von § 55 Abs. 2 VwGG aus der Beschwerdeführerin vor Beschwerdeeinbringung bekannt gegebenen Gründen unmöglich gewesen wäre, noch dass die Verzögerung im Sinn von § 55 Abs. 3 leg. cit. ausschließlich auf ein Verschulden der Beschwerdeführerin zurückzuführen sei.
Der Rechtsträger der belangten Behörde war daher gemäß § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003 zum Aufwandersatz zu verpflichten.
Wien, am 28. März 2007
Schlagworte
Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006040152.X00Im RIS seit
25.05.2007