TE OGH 2002/11/26 1Ob177/02i

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Marlene B*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Peter B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 31. Jänner 2002, GZ 20 R 202/01y-83, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 26. November 2001, GZ 1 P 77/97x-79, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

In der Abweisung des Antrags des Vaters, ihn von seiner Unterhaltspflicht für August 2001 zu entheben, werden die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt; im Übrigen werden deren Beschlüsse aufgehoben; dem Erstgericht wird in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erhöhte mit Beschluss vom 14. 9. 2000 den vom Vater für Marlene zu leistenden monatlichen Unterhalt ab 1. 8. 2000 auf 5.900 S. Diese Entscheidung wurde lediglich mit dem "Einverständnis der Parteien" begründet.

Der Vater beantragte die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung ab 1. 8. 2000 auf S 5.000 und die gänzliche Enthebung von dieser für August 2001. Sein Herabsetzungsbegehren begründete er im Wesentlichen damit, dass nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 27. 6. 2001, B 1285/00, eine Kürzung des von ihm zu leistenden Unterhalts zu seiner steuerlichen Entlastung erfolgen müsse. Schließlich sei er im Hinblick auf das von seiner Tochter im August 2001 bezogene Eigeneinkommen von netto 13.684,22 S von seiner Unterhaltsverpflichtung für August 2001 zu entheben.

Die Mutter wendete ein, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zeitige keinen Einfluss auf die gesetzliche Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils. Marlene müsse ausbildungsbedingt Ferialpraxis leisten; das geringe Einkommen hieraus sei auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ohne Einfluss.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungs- und den Enthebungsantrag ab. Die (ordentlichen) Gerichte seien an die Rechtsprechung des VfGH nicht gebunden, sodass keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Aus einer ausbildungsbedingten Ferialbeschäftigung bezogene kurzfristige Einkünfte seien nicht als unterhaltsmindernd zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es erachte sich im Rahmen einer Unterhaltsfestsetzung nicht an die Rechtsprechung des VfGH gebunden, weil dessen Ansicht dem klaren Gesetzeswortlaut des § 12a FamLAG widerspreche. Ein verordnetes Pflichtpraktikum und ein selbst gewählter Ferialjob seien zwar insoweit gleichzustellen, als bei beiden ein (Eigen-)Einkommen erzielt werde; lediglich ein über einen längeren Zeitraum erzieltes Ferialeinkommen sei aber als Eigeneinkommen auf Unterhaltsansprüche des Unterhaltsberechtigten anzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters, der darin erkennbar beantragte, seinem Herabsetzungs- und Enthebungsbegehren stattzugeben, ist zulässig und teilweise berechtigt.

Bereits im Erkenntnis vom 27. 6. 2001 vertrat der VfGH die Ansicht, eine steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder sei durch Anrechnung eines Teils der Transferleistungen (Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, aber auch Familienbeihilfe) auf den Unterhalt verfassungsrechtlich geboten (AZ B 1285/00).

In der Folge stellte unter anderem der Oberste Gerichtshof beim VfGH - anlässlich anhängiger Revisionsrekurse - den Antrag, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hob der VfGH die im § 12a FamLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. In Anlehnung an das schon zuvor zitierte Erkenntnis vom 27. 6. 2001 führte er aus, dass nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils dienen müssten.In der Folge stellte unter anderem der Oberste Gerichtshof beim VfGH - anlässlich anhängiger Revisionsrekurse - den Antrag, § 12a FamLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hob der VfGH die im § 12a FamLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. In Anlehnung an das schon zuvor zitierte Erkenntnis vom 27. 6. 2001 führte er aus, dass nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils dienen müssten.

Angesichts der vom VfGH definierten Verfassungsrechtslage muss bei getrennten Haushalten der Eltern im Rahmen der Unterhaltsbemessung für Kinder gegebenenfalls auch die Familienbeihilfe - neben ihrer Funktion als Abgeltung von Betreuungsleistungen - auch zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen herangezogen werden. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB, namentlich dessen Abs 2 Satz 2, muss die Hälfte des vom Geldunterhaltspflichtigen geleisteten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Der jeweils maßgebliche Grenzsteuersatz (50 %, 41 % oder 31 %) ist pauschal abzusenken, weil ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte bezieht und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwendet werden können. Es erscheint daher sachgerecht, den Grenzsteuersatz von 50 auf 40 %, den von 41 auf 33 % und schließlich den Satz von 31 auf 25 % abzusenken (1 Ob 79/02b mwN).Angesichts der vom VfGH definierten Verfassungsrechtslage muss bei getrennten Haushalten der Eltern im Rahmen der Unterhaltsbemessung für Kinder gegebenenfalls auch die Familienbeihilfe - neben ihrer Funktion als Abgeltung von Betreuungsleistungen - auch zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen herangezogen werden. Bei verfassungskonformer Auslegung des Paragraph 140, ABGB, namentlich dessen Abs 2 Satz 2, muss die Hälfte des vom Geldunterhaltspflichtigen geleisteten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Der jeweils maßgebliche Grenzsteuersatz (50 %, 41 % oder 31 %) ist pauschal abzusenken, weil ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte bezieht und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwendet werden können. Es erscheint daher sachgerecht, den Grenzsteuersatz von 50 auf 40 %, den von 41 auf 33 % und schließlich den Satz von 31 auf 25 % abzusenken (1 Ob 79/02b mwN).

Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners hat hier folgende Bedeutung:

Zuerst ist der dem Unterhaltsberechtigten gebührende Unterhalt - so wie bisher - nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien zu ermitteln. Da der Vater Änderung der unterhaltsrechtlichen Kriterien nicht behauptete, ist davon auszugehen, dass der mit Beschluss des Erstgerichts vom 14. 9. 2000 festgelegte Betrag von 5.900 S der nach den unterhaltsrechtlichen Kriterien ermittelte Unterhalt ist.

Nach den im Erkenntnis B 1285/00 angestellten Erwägungen ist der gesamte Unterhaltsbetrag steuerlich in verschiedener Höhe zu entlasten. Liegt das Bruttojahreseinkommen über 50.870 EUR (oder 700.000 S), so ist der auf 40 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 50 % anzuwenden; liegt es im Bereich zwischen 21.800 EUR (oder 300.000 S) und 50.870 EUR, so ist der auf 33 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 41 % maßgeblich; schließlich ist der auf 25 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 31 % zu berücksichtigen, wenn das Brutto-Jahreseinkommen des Unterhaltspflichtigen zwischen 7.270 EUR (oder 100.000 S) und 21.800 EUR liegt. Somit ist der gesamte Unterhaltsbetrag - je nach Einkommenshöhe - mit 20, 16,5 oder 12,5 % steuerlich zu entlasten. Diese Entlastung erfolgt primär durch Anrechnung des dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zukommenden Unterhaltsabsetzbetrags (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG), und erst dann, wenn dieser zur gebührenden Entlastung nicht ausreicht - durch Einbeziehgung der Transferleistungen, die nach wie vor dem betreuenden Elternteil zukommen, nämlich den Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a bzw c EStG) und die Familienbeihilfe in die Entlastungsrechnung. Demgemäß ist der Unterhaltsbetrag zu kürzen (1 Ob 79/02b).

Im vorliegenden Fall wurde das Brutto-Jahreseinkommen des Vaters von den Vorinstanzen nicht festgestellt, ja es wurde der Beschlussfassung vom 14. 9. 2000 nicht einmal das Nettoeinkommen des Vaters zu Grunde gelegt. Demnach fehlt jede Grundlage dafür, welcher Grenzsteuersatz anzuwenden ist. Das Erstgericht wird daher das Brutto-Jahreseinkommen des Vaters - ohne Sonderzahlungen (Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) - festzustellen und sodann im Sinne der weiter oben angestellten Erwägungen zu verfahren und gegebenenfalls die dem betreuenden Elternteil zugekommenen Transferleistungen für die Zwecke der steuerlichen Entlastung des Vaters heranzuziehen haben.

Diese steuerliche Entlastungsrechnung ist zufolge Art 140 Abs 7 B-VG nicht erst durch die (teilweise) Aufhebung des § 12a FamLAG durch den VfGH möglich geworden: Dieser sprach in diesem Erkenntnis vom 13. 9. 2002 aus, dass die "Zivilgerichte" schon nach seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, berechtigt gewesen seien, die Familienbeihilfe im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß auf die Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltspflichtigen anzurechnen. Deshalb habe er davon abgesehen, eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen, sodass diese eben nicht mehr anzuwenden sei.

Dem Revisionsrekurswerber ist aber insoweit nicht zu folgen, als er die Ferialeinkünfte seiner Tochter als Eigeneinkommen und damit als Grund für die vorübergehende Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung ins Treffen führt. Die Vorinstanzen erkannten zutreffend, dass kurzfristiges Ferialeinkommen des Unterhaltsberechtigten bei der Unterhaltsbemessung nicht als Eigeneinkommen in Anschlag zu bringen ist und desahlb die vom Unterhaltspflichtigen zu erbringende Unterhaltsleistung in aller Regel nicht verringert. Das einmonatige Praktikum der Unterhaltsberechtigten ist eine solche ganz kurzfristige Einnahmsquelle. Die daraus erzielten Einkünfte sind relativ gering und kommen einem monatlichen Taschengeld von etwa S 1.000 gleich. Bei der Festsetzung von Geldunterhalt ist stets auch darauf Bedacht zu nehmen, wie ein "bonus pater familias" handeln würde. Legt man die Verhältnisse in einer intakten Familie zu Grunde, so würde dort der Unterhaltsberechtigten deren geringes Ferialeinkommen als Taschengeld belassen werden, ohne dass der ihr gereichte Unterhalt dadurch eine Änderung erführe. Das muss auch der zu Geldunterhaltszahlungen verpflichtete Vater gegen sich gelten lassen; er kann das von seiner Tochter bezogene geringe Ferialeinkommen nicht auf seine Unterhaltszahlungen anrechnen.

Textnummer

E67767

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00177.02I.1126.000

Im RIS seit

26.12.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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