TE OGH 2002/11/28 8ObS202/02t

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Veröffentlicht am 28.11.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Richard T*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 25.764,25 netto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juli 2002, GZ 8 Rs 109/02m-19, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Dezember 2001, GZ 17 Cgs 134/01v-15, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.315,08 (darin EUR 219,18 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der Sohn des Firmengründers, war seit 1974 bei der A***** OHG, später GmbH beschäftigt und verblieb bis zu seinem am 31. 3. 1999 erklärten vorzeitigen Austritt wegen Vorenthaltens von Entgelt im Unternehmen der beklagten GmbH, über die am 23. 3. 1999 der Konkurs eröffnet worden war.

Der Kläger hielt seit 1984 eine Stammeinlage von 12,8 %, ab 1992 von 18,75 % und ab 1996 von 25 % des Stammkapitals seiner Dienstgeberin, wobei eine Sperrminorität für den Kläger in den Gesellschaftsverträgen nicht vereinbart worden war. Seit 9. 7. 1992 ist er selbständig zeichnungsberechtigter und vertretungsbefugter Geschäftsführer. Bis 31. 1. 1999 hat der Kläger sein Gehalt samt Sonderzahlungen immer erhalten. Er leistete zahlreiche Überstunden, die durch Zeitausgleich abgegolten werden sollten; zum 31. 12. 1998 hatte er 7.006 solcher Überstunden erworben. In den letzten zwei Jahren vor dem 31. 3. 1999 erhielt der Kläger Gutstunden (= Überstunden) nicht mehr abgegolten und zwar weder durch Inanspruchnahme von Zeitausgleich noch durch Bezahlung, um das Budget seiner Dienstgeberin zu schonen.

Der Kläger begehrt den der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 354.523,80 sA = EUR 25.764,25 netto sA Insolvenz-Ausfallgeld für sechs Monatsentgelte an Abfertigung für die Zeit von 9. 12. 1974 bis 8. 7. 1992, dem Zeitpunkt, in dem er Geschäftsführer wurde. Das Berufungsgericht sprach ihm in Abänderung bei erstinstanzlichen Entscheidung diesen Betrag zu.

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es grundsätzlich auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die beklagte Partei meint in ihrer Revision, dem Kläger gebühre für die vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer erworbenen Abfertigungsansprüche kein Insolvenz-Ausfallgeld, weil er trotz Stehenlassens von Gehaltsansprüchen in nicht unerheblichem Ausmaß (per Jahresende 1998 Überstunden in der Zahl von ca 7.000) nicht seinen vorzeitigen Austritt erklärt habe. Zwar gebühre einem Arbeitnehmer, der zum Organmitglied bestellt werde, im Falle der Vereinbarung, dass die Abfertigung nicht ausbezahlt werde, bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen Insolvenz-Ausfallgeld für den Abfertigungsanspruch, wobei sich die Höhe des Abfertigungsanspruchs ausschließlich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und des letzten Bezugs vor der Bestellung zum Organmitglied richte. Diese Tatsache - Bestellung zum Geschäftsführer - rechtfertige jedoch nicht in jedem Fall den Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigungsansprüche; vorliegendenfalls führe das Stehenlassen von ca 7.000 Überstunden durch ca zwei Jahre zum Vorliegen eines sogenannten atypischen Arbeitsverhältnisses, für das kein Insolvenz-Ausfallgeld gebühre; überdies liege in diesem Stehenlassen auch ein eigenkapitalersetzendes Darlehen des Klägers, der Mitgesellschafter der GmbH sei. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes würde zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern führen, nämlich von "gewöhnlichen" Arbeitnehmern und Arbeitnehmern, die zugleich eine Geschäftsführertätigkeit ausübten; erstere hätten keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld, ein Umstand, der insbesondere auch im Hinblick auf das höhere Gehalt des Geschäftsführers sachlich nicht gerechtfertigt sei. Alle diese Fragen wurden in der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des erkennenden Senats von 7. 11. 2002, 8 ObS 200/02y, betreffend Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigungsansprüche von Verwandten des Klägers, die ebenfalls am Familienunternehmen mit einer Minderheitsbeteiligung beteiligt waren, ausführlich behandelt, sodass auf diese Entscheidung, die zur näheren Information in anonymisierter Form angeschlossen ist, verwiesen werden kann. Der einzige Unterschied zur zitierten Entscheidung ist, dass dort der Erstkläger nie Geschäftsführer der GmbH und der Zweitkläger von 1992 bis 1997 Geschäftsführer, dann aber wieder nur "gewöhnlicher" Arbeitnehmer war. Wie dieser Entscheidung zu entnehmen ist, begehrten auch dort die beiden Kläger Insolvenz-Ausfallgeld für ihre Abfertigungsansprüche, der Zweitkläger aber nur für die Zeit, in der er nicht Geschäftsführer war, und wurde ihnen dieser Betrag zugesprochen, weil - so wie in der Entscheidung 8 ObS 112/01f - eine klare Trennung zwischen dem laufend bezahlten Entgelt und den kreditierten Mehrleistungen möglich ist. Kreditiert der Arbeitnehmer nur die Mehrleistungen, die er zur Sicherung seines Lebensunterhalts nicht benötigt, wird er dadurch nicht zum atypischen Arbeitnehmer. Zwar ist das Stehenlassen der Überstundenansprüche des Minderheitsgesellschafters als eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen zu qualifizieren, doch macht der Kläger derartige Ansprüche ebensowendig wie die Kläger in der Parallelentscheidung geltend. Hiezu kommt im vorliegenden Fall, dass der Kläger in der Zeit, in der die nicht abgegoltenen Überstunden geleistet wurden, Geschäftsführer der GmbH war, sodass er infolge des Ausschlusses des § 1 Abs 6 Z 2 IESG nicht damit rechnen konnte, dass ihm die Überstunden schlussendlich vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bezahlt würden.Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es grundsätzlich auf diese zu verweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). Die beklagte Partei meint in ihrer Revision, dem Kläger gebühre für die vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer erworbenen Abfertigungsansprüche kein Insolvenz-Ausfallgeld, weil er trotz Stehenlassens von Gehaltsansprüchen in nicht unerheblichem Ausmaß (per Jahresende 1998 Überstunden in der Zahl von ca 7.000) nicht seinen vorzeitigen Austritt erklärt habe. Zwar gebühre einem Arbeitnehmer, der zum Organmitglied bestellt werde, im Falle der Vereinbarung, dass die Abfertigung nicht ausbezahlt werde, bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen Insolvenz-Ausfallgeld für den Abfertigungsanspruch, wobei sich die Höhe des Abfertigungsanspruchs ausschließlich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und des letzten Bezugs vor der Bestellung zum Organmitglied richte. Diese Tatsache - Bestellung zum Geschäftsführer - rechtfertige jedoch nicht in jedem Fall den Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigungsansprüche; vorliegendenfalls führe das Stehenlassen von ca 7.000 Überstunden durch ca zwei Jahre zum Vorliegen eines sogenannten atypischen Arbeitsverhältnisses, für das kein Insolvenz-Ausfallgeld gebühre; überdies liege in diesem Stehenlassen auch ein eigenkapitalersetzendes Darlehen des Klägers, der Mitgesellschafter der GmbH sei. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes würde zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern führen, nämlich von "gewöhnlichen" Arbeitnehmern und Arbeitnehmern, die zugleich eine Geschäftsführertätigkeit ausübten; erstere hätten keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld, ein Umstand, der insbesondere auch im Hinblick auf das höhere Gehalt des Geschäftsführers sachlich nicht gerechtfertigt sei. Alle diese Fragen wurden in der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des erkennenden Senats von 7. 11. 2002, 8 ObS 200/02y, betreffend Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigungsansprüche von Verwandten des Klägers, die ebenfalls am Familienunternehmen mit einer Minderheitsbeteiligung beteiligt waren, ausführlich behandelt, sodass auf diese Entscheidung, die zur näheren Information in anonymisierter Form angeschlossen ist, verwiesen werden kann. Der einzige Unterschied zur zitierten Entscheidung ist, dass dort der Erstkläger nie Geschäftsführer der GmbH und der Zweitkläger von 1992 bis 1997 Geschäftsführer, dann aber wieder nur "gewöhnlicher" Arbeitnehmer war. Wie dieser Entscheidung zu entnehmen ist, begehrten auch dort die beiden Kläger Insolvenz-Ausfallgeld für ihre Abfertigungsansprüche, der Zweitkläger aber nur für die Zeit, in der er nicht Geschäftsführer war, und wurde ihnen dieser Betrag zugesprochen, weil - so wie in der Entscheidung 8 ObS 112/01f - eine klare Trennung zwischen dem laufend bezahlten Entgelt und den kreditierten Mehrleistungen möglich ist. Kreditiert der Arbeitnehmer nur die Mehrleistungen, die er zur Sicherung seines Lebensunterhalts nicht benötigt, wird er dadurch nicht zum atypischen Arbeitnehmer. Zwar ist das Stehenlassen der Überstundenansprüche des Minderheitsgesellschafters als eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen zu qualifizieren, doch macht der Kläger derartige Ansprüche ebensowendig wie die Kläger in der Parallelentscheidung geltend. Hiezu kommt im vorliegenden Fall, dass der Kläger in der Zeit, in der die nicht abgegoltenen Überstunden geleistet wurden, Geschäftsführer der GmbH war, sodass er infolge des Ausschlusses des Paragraph eins, Absatz 6, Ziffer 2, IESG nicht damit rechnen konnte, dass ihm die Überstunden schlussendlich vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bezahlt würden.

Es zeigt sich also, dass der Kläger im vorliegenden Fall als Geschäftsführer der GmbH keineswegs gegenüber anderen "gewöhnlichen" Arbeitnehmer bevorzugt wird; die Abfertigungsansprüche der Arbeitnehmer sind in allen drei Fällen gesichert, soweit es sich nicht um Zeiten handelt, in denen sie Geschäftsführer waren. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.Es zeigt sich also, dass der Kläger im vorliegenden Fall als Geschäftsführer der GmbH keineswegs gegenüber anderen "gewöhnlichen" Arbeitnehmer bevorzugt wird; die Abfertigungsansprüche der Arbeitnehmer sind in allen drei Fällen gesichert, soweit es sich nicht um Zeiten handelt, in denen sie Geschäftsführer waren. Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Anmerkung

E67671 8ObS202.02t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:008OBS00202.02T.1128.000

Dokumentnummer

JJT_20021128_OGH0002_008OBS00202_02T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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