TE OGH 2002/12/17 4Ob260/02t

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Veröffentlicht am 17.12.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Meltem Y*****, Murat Y***** und Meryem Y*****, alle vertreten durch das Land Niederösterreich als Jugendwohlfahrtsträger und besonderer Vertreter in Unterhaltsangelegenheiten, dieses vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Jugendabteilung, Amstetten, Preinsbacher Straße 11, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 4. September 2002, GZ 37 R 114/02v-6, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Haag vom 5. April 2002, GZ 1 P 25/02a-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die Unterhaltsberechtigten beantragten zuletzt, ihnen Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG (sogenannte "Haftvorschüsse") für die Zeit vom 1. 3. 2002 bis 31. 5. 2002 (ON 5) zu gewähren. Der Vater Kemal Y***** habe sich von November 2001 bis zum 23. 5. 2002 in Deutschland wegen Verdachts der Schlepperei in Haft befunden. Zwar sei nach dem Gesetzeswortlaut die Gewährung von Haftvorschüssen davon abhängig, dass dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen werde und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen könne. Es komme jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH auf den gewöhnlichen Aufenthalt des unterhaltsberechtigten Kindes im Inland und auch auf die österreichische Staatsbürgerschaft als Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nicht (mehr) an; es müsse deshalb ein Haftvorschuss - dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Unionsbürger folgend - auch dann zustehen, wenn der unterhaltspflichtige Vater schon seit Jahren seinen Wohnort und Arbeitsplatz nicht in Österreich, sondern in einem anderen Mitgliedsland habe und ihm dort die Freiheit entzogen werde.Die Unterhaltsberechtigten beantragten zuletzt, ihnen Unterhaltsvorschüsse gemäß Paragraph 4, Ziffer 3, UVG (sogenannte "Haftvorschüsse") für die Zeit vom 1. 3. 2002 bis 31. 5. 2002 (ON 5) zu gewähren. Der Vater Kemal Y***** habe sich von November 2001 bis zum 23. 5. 2002 in Deutschland wegen Verdachts der Schlepperei in Haft befunden. Zwar sei nach dem Gesetzeswortlaut die Gewährung von Haftvorschüssen davon abhängig, dass dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen werde und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen könne. Es komme jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH auf den gewöhnlichen Aufenthalt des unterhaltsberechtigten Kindes im Inland und auch auf die österreichische Staatsbürgerschaft als Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nicht (mehr) an; es müsse deshalb ein Haftvorschuss - dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Unionsbürger folgend - auch dann zustehen, wenn der unterhaltspflichtige Vater schon seit Jahren seinen Wohnort und Arbeitsplatz nicht in Österreich, sondern in einem anderen Mitgliedsland habe und ihm dort die Freiheit entzogen werde.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Gesetzeswortlaut und Rechtsprechung stünden einer Gewährung von Unterhaltsvorschüssen im Fall einer Haft im Ausland entgegen.

Das Rekursgericht gab dem Antrag statt und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Das Rekursgericht knüpfte an die jüngste Rechtsprechung des EuGH an, wonach Unterhaltsvorschüsse nach dem UVG als Familienleistung iSd Art 4 Abs 1 lit h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. 6. 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anzusehen seien. Dafür sei vor allem maßgebend, dass der Unterhaltsvorschuss auch nach den Zielsetzungen des österreichischen Gesetzgebers ein staatlicher Beitrag zum Familienbudget sei, der die Kosten des Unterhalts von Kindern verringern solle. Nach der Begründung des österreichischen Gesetzgebers solle die Regelung den Unterhalt minderjähriger Kinder in den Fällen sicherstellen, in denen ein Elternteil mit seinen Kindern allein dastehe und neben der Aufgabe, sie aufzuziehen, auch noch die Schwierigkeit hätte, den Unterhalt vom anderen Elternteil zu bekommen. Zur Linderung einer solchen Lage springe der Staat für säumige Unterhaltspflichtige ein und zahle Unterhaltsbeträge vorschussweise aus. Die Rechtsnatur einer Leistung nach nationalem Recht sei für die Frage, ob die Leistung in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung falle, unerheblich. Familienleistungen im Sinne der Verordnung lägen vor, wenn Personen mit Familienlasten dadurch sozial unterstützt werden sollten, dass sich die Allgemeinheit an diesen Lasten beteilige. Der Vorschuss verbessere (nach den vom österreichischen Gesetzgeber dafür angegebenen Motiven) unmittelbar die Liquidität des Familienbudgets und führe so zur Verbesserung des Lebensstandards der Familie. Ohne einen Vorschuss müsse der sorgeberechtigte (mit der Obsorge betraute) Elternteil auf seine eigenen Einkünfte zurückgreifen, um den Schaden auszugleichen, der sich daraus ergebe, dass der andere Elternteil keinen Unterhalt zahle, und um die Kosten des Verfahrens der zwangsweisen Eintreibung gegen diesen zu bestreiten. Dies könne sich auch noch nachteilig auf das Familienleben auswirken. Der aus dem Vorschuss resultierende Beitrag sei somit nicht vorläufig. Der Empfänger erhalte aus seiner Sicht endgültig Unterhalt ohne Rücksicht darauf, dass dieser bei dem säumigen Elternteil möglicherweise nicht eingetrieben werden könne. Das Rekursgericht verkenne nicht, dass nach den Gesetzesmaterialien der Unterhaltsvorschuss nach § 4 Z 3 UVG (Haftvorschuss) ein Äquivalent für die an sich mögliche Arbeitsleistung während der Haft im Inland sei und eine Verpflichtung des Staates zur Leistung von Unterhaltsvorschuss damit im Ergebnis daraus resultiere, dass der Staat durch die Anordnung im Strafverfahren die Unfähigkeit des Unterhaltsschuldners zur Leistung von Unterhalt herbeiführe und gleichsam als "Gegenwert" für die vom Unterhaltsschuldner während der Haft erbrachten (und zu erbringenden) Arbeitsleistungen Unterhaltsvorschuss gewähre. Allerdings träfen sämtliche Erwägungen, die der EuGH als entscheidend für die Qualifikation von Unterhaltsvorschüssen als Familienleistungen im Sinne der genannten Verordnung angesehen habe, auch auf Haftvorschüsse zu. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass auch Vorschüsse nach § 4 Z 3 UVG Familienleistungen im Sinne dieser Verordnung seien. Ziel dieser Verordnung sei es, Arbeitnehmern und Selbstständigen, die die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft in Anspruch nähmen, die vorgesehenen Familienleistungen auch dann zu sichern, wenn sie in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnten. Dadurch solle insbesondere verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung davon abhängig mache, dass die Familienangehörigen des Arbeitnehmers (oder Selbstständigen) in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnten, damit Arbeitnehmer oder Selbständige nicht davon abgehalten würden, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Nach diesen Zielsetzungen gehe es nicht an, einen Unterschied zu machen, ob der Unterhaltsschuldner oder die unterhaltsberechtigten Kinder von diesem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machten. Daraus ergebe sich aber zwingend, dass die Familienleistung Haftvorschuss unabhängig davon zu gewähren sei, ob Unterhaltsschuldner oder Unterhaltsberechtigter (die beide in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung fielen) dieses Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nähmen. Unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienleistung Haftvorschuss geschaffen werde (Unfähigkeit zur Leistung von Unterhalt wegen Haft infolge strafgerichtlicher Anordnung), sei die Familienleistung Unterhaltsvorschuss zu gewähren. Im übrigen mache selbst das UVG die Gewährung von anderen Vorschüssen als Haftvorschüssen nicht davon abhängig, dass der Unterhaltsschuldner seinen Aufenthalt in Österreich habe. Wenn aber Haftvorschüsse (wie alle anderen Vorschüsse auch) als Familienleistungen zu beurteilen seien, bestehe kein Grund, solche Leistungen von einer Inhaftierung im Inland abhängig zu machen. Innerstaatliche Rechtsvorschriften seien gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Das Ziel des Gemeinschaftsrechts, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Selbstständigen zu fördern, mache es erforderlich, die Familienleistung Haftvorschuss auch bei Inhaftierung des Unterhaltsschuldners {unabhängig von dessen Staatsbürgerschaft) im Ausland zu gewähren, falls sich seine nach der Verordnung anspruchsberechtigten Familienangehörigen im Inland aufhielten. "Haft im Inland" sei daher im Sinne von "Haft im EWR-Raum" auszulegen.Das Rekursgericht gab dem Antrag statt und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Das Rekursgericht knüpfte an die jüngste Rechtsprechung des EuGH an, wonach Unterhaltsvorschüsse nach dem UVG als Familienleistung iSd Artikel 4, Absatz eins, Litera h, der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. 6. 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anzusehen seien. Dafür sei vor allem maßgebend, dass der Unterhaltsvorschuss auch nach den Zielsetzungen des österreichischen Gesetzgebers ein staatlicher Beitrag zum Familienbudget sei, der die Kosten des Unterhalts von Kindern verringern solle. Nach der Begründung des österreichischen Gesetzgebers solle die Regelung den Unterhalt minderjähriger Kinder in den Fällen sicherstellen, in denen ein Elternteil mit seinen Kindern allein dastehe und neben der Aufgabe, sie aufzuziehen, auch noch die Schwierigkeit hätte, den Unterhalt vom anderen Elternteil zu bekommen. Zur Linderung einer solchen Lage springe der Staat für säumige Unterhaltspflichtige ein und zahle Unterhaltsbeträge vorschussweise aus. Die Rechtsnatur einer Leistung nach nationalem Recht sei für die Frage, ob die Leistung in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung falle, unerheblich. Familienleistungen im Sinne der Verordnung lägen vor, wenn Personen mit Familienlasten dadurch sozial unterstützt werden sollten, dass sich die Allgemeinheit an diesen Lasten beteilige. Der Vorschuss verbessere (nach den vom österreichischen Gesetzgeber dafür angegebenen Motiven) unmittelbar die Liquidität des Familienbudgets und führe so zur Verbesserung des Lebensstandards der Familie. Ohne einen Vorschuss müsse der sorgeberechtigte (mit der Obsorge betraute) Elternteil auf seine eigenen Einkünfte zurückgreifen, um den Schaden auszugleichen, der sich daraus ergebe, dass der andere Elternteil keinen Unterhalt zahle, und um die Kosten des Verfahrens der zwangsweisen Eintreibung gegen diesen zu bestreiten. Dies könne sich auch noch nachteilig auf das Familienleben auswirken. Der aus dem Vorschuss resultierende Beitrag sei somit nicht vorläufig. Der Empfänger erhalte aus seiner Sicht endgültig Unterhalt ohne Rücksicht darauf, dass dieser bei dem säumigen Elternteil möglicherweise nicht eingetrieben werden könne. Das Rekursgericht verkenne nicht, dass nach den Gesetzesmaterialien der Unterhaltsvorschuss nach Paragraph 4, Ziffer 3, UVG (Haftvorschuss) ein Äquivalent für die an sich mögliche Arbeitsleistung während der Haft im Inland sei und eine Verpflichtung des Staates zur Leistung von Unterhaltsvorschuss damit im Ergebnis daraus resultiere, dass der Staat durch die Anordnung im Strafverfahren die Unfähigkeit des Unterhaltsschuldners zur Leistung von Unterhalt herbeiführe und gleichsam als "Gegenwert" für die vom Unterhaltsschuldner während der Haft erbrachten (und zu erbringenden) Arbeitsleistungen Unterhaltsvorschuss gewähre. Allerdings träfen sämtliche Erwägungen, die der EuGH als entscheidend für die Qualifikation von Unterhaltsvorschüssen als Familienleistungen im Sinne der genannten Verordnung angesehen habe, auch auf Haftvorschüsse zu. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass auch Vorschüsse nach Paragraph 4, Ziffer 3, UVG Familienleistungen im Sinne dieser Verordnung seien. Ziel dieser Verordnung sei es, Arbeitnehmern und Selbstständigen, die die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft in Anspruch nähmen, die vorgesehenen Familienleistungen auch dann zu sichern, wenn sie in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnten. Dadurch solle insbesondere verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung davon abhängig mache, dass die Familienangehörigen des Arbeitnehmers (oder Selbstständigen) in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnten, damit Arbeitnehmer oder Selbständige nicht davon abgehalten würden, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Nach diesen Zielsetzungen gehe es nicht an, einen Unterschied zu machen, ob der Unterhaltsschuldner oder die unterhaltsberechtigten Kinder von diesem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machten. Daraus ergebe sich aber zwingend, dass die Familienleistung Haftvorschuss unabhängig davon zu gewähren sei, ob Unterhaltsschuldner oder Unterhaltsberechtigter (die beide in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung fielen) dieses Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nähmen. Unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienleistung Haftvorschuss geschaffen werde (Unfähigkeit zur Leistung von Unterhalt wegen Haft infolge strafgerichtlicher Anordnung), sei die Familienleistung Unterhaltsvorschuss zu gewähren. Im übrigen mache selbst das UVG die Gewährung von anderen Vorschüssen als Haftvorschüssen nicht davon abhängig, dass der Unterhaltsschuldner seinen Aufenthalt in Österreich habe. Wenn aber Haftvorschüsse (wie alle anderen Vorschüsse auch) als Familienleistungen zu beurteilen seien, bestehe kein Grund, solche Leistungen von einer Inhaftierung im Inland abhängig zu machen. Innerstaatliche Rechtsvorschriften seien gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Das Ziel des Gemeinschaftsrechts, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Selbstständigen zu fördern, mache es erforderlich, die Familienleistung Haftvorschuss auch bei Inhaftierung des Unterhaltsschuldners {unabhängig von dessen Staatsbürgerschaft) im Ausland zu gewähren, falls sich seine nach der Verordnung anspruchsberechtigten Familienangehörigen im Inland aufhielten. "Haft im Inland" sei daher im Sinne von "Haft im EWR-Raum" auszulegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Der Rekurswerber verweist auf die Auslegung des § 4 Z 3 UVG durch den Obersten Gerichtshof, wonach die Voraussetzungen zum Bezug eines Haftrichtsatzvorschusses im Fall einer Inhaftierung im Ausland nicht erfüllt seien; eine Diskriminierung von im Inland lebenden Unionsbürgern sei damit ebenso wenig verbunden wie eine Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit. Dazu ist zu erwägen:Der Rekurswerber verweist auf die Auslegung des Paragraph 4, Ziffer 3, UVG durch den Obersten Gerichtshof, wonach die Voraussetzungen zum Bezug eines Haftrichtsatzvorschusses im Fall einer Inhaftierung im Ausland nicht erfüllt seien; eine Diskriminierung von im Inland lebenden Unionsbürgern sei damit ebenso wenig verbunden wie eine Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit. Dazu ist zu erwägen:

Gemäß § 4 Z 3 UVG idF der UVG-Novelle 1980 BGBl 1980/278 sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn dem Unterhaltsschuldner aufgrund einer Anordnung in einen strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 563/94 (= SZ 67/100 = EFSlg 75.679 = JBl 1995, 259 = ÖA 1995, 62 = RZ 1995/48 = ZfRV 1994, 248) ausgeführt hat, ist der Haftrichtsatzvorschuss des § 4 Z 3 UVG nur bei Freiheitsentzug im Inland zu gewähren. Nach den Gesetzesmaterialien zur UVG-Novelle 1980 (EBzRV 276 BlgNR 15. GP, 9 f) sei die Einbeziehung der Kinder Strafgefangener in den Leistungskatalog des UVG nicht nur rechts- und sozialpolitisch geboten, sondern auch rechtssystematisch und rechtsdogmatisch vertretbar gewesen. Die Kinder der Strafgefangenen seien ebenfalls unschuldige Opfer der begangenen Straftaten, die Fürsorge und Beachtung verdienten. Den Staat treffe daher schon nach dem Gesichtspunkt der ihm obliegenden Pflicht zur Unterhaltssicherung auch die Pflicht, entweder für eine entsprechende Entlohnung der im Strafvollzug arbeitenden Strafgefangenen oder dafür zu sorgen, dass sie auf andere Weise ihrer Unterhaltspflicht genügen können. Diese Überlegungen machten es freilich notwendig, die Regelung auf die Kinder solcher Strafgefangener zu beschränken, die sich aufgrund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren im Inland in einer Einrichtung des Strafvollzugswesens befinden. Die Haft eines Unterhaltsschuldners aufgrund einer Anordnung in einem Verwaltungsstrafverfahren oder im Ausland und die in diesem Zusammenhang erbrachten Arbeitsleistungen vermögen keine Leistungen aus Bundesmitteln zu begründen. Es sei daher dem Gesetzestext und auch dem unverkennbaren Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der Haftrichtsatzvorschuss nach § 4 Z 3 UVG nur bei Freiheitsentzug im Inland zu gewähren sei.Gemäß Paragraph 4, Ziffer 3, UVG in der Fassung der UVG-Novelle 1980 BGBl 1980/278 sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn dem Unterhaltsschuldner aufgrund einer Anordnung in einen strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 563/94 (= SZ 67/100 = EFSlg 75.679 = JBl 1995, 259 = ÖA 1995, 62 = RZ 1995/48 = ZfRV 1994, 248) ausgeführt hat, ist der Haftrichtsatzvorschuss des Paragraph 4, Ziffer 3, UVG nur bei Freiheitsentzug im Inland zu gewähren. Nach den Gesetzesmaterialien zur UVG-Novelle 1980 (EBzRV 276 BlgNR 15. GP, 9 f) sei die Einbeziehung der Kinder Strafgefangener in den Leistungskatalog des UVG nicht nur rechts- und sozialpolitisch geboten, sondern auch rechtssystematisch und rechtsdogmatisch vertretbar gewesen. Die Kinder der Strafgefangenen seien ebenfalls unschuldige Opfer der begangenen Straftaten, die Fürsorge und Beachtung verdienten. Den Staat treffe daher schon nach dem Gesichtspunkt der ihm obliegenden Pflicht zur Unterhaltssicherung auch die Pflicht, entweder für eine entsprechende Entlohnung der im Strafvollzug arbeitenden Strafgefangenen oder dafür zu sorgen, dass sie auf andere Weise ihrer Unterhaltspflicht genügen können. Diese Überlegungen machten es freilich notwendig, die Regelung auf die Kinder solcher Strafgefangener zu beschränken, die sich aufgrund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren im Inland in einer Einrichtung des Strafvollzugswesens befinden. Die Haft eines Unterhaltsschuldners aufgrund einer Anordnung in einem Verwaltungsstrafverfahren oder im Ausland und die in diesem Zusammenhang erbrachten Arbeitsleistungen vermögen keine Leistungen aus Bundesmitteln zu begründen. Es sei daher dem Gesetzestext und auch dem unverkennbaren Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der Haftrichtsatzvorschuss nach Paragraph 4, Ziffer 3, UVG nur bei Freiheitsentzug im Inland zu gewähren sei.

Dieser Ansicht haben sich mittlerweile auch weitere Senate des Obersten Gerichtshofes angeschlossen. So wurde in der Entscheidung 2 Ob 112/97 (= ÖA 1998, 65 = EFSlg 84.810) ausgesprochen, dass auch der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu keiner anderen Auslegung der zwingenden Bestimmung des § 4 Z 3 UVG führe, weil dadurch die Eigenstaatlichkeit Österreichs nicht aufgehoben worden sei; die Gewährung eines Haftrichtsatzvorschusses nur bei Freiheitsentzug im Inland verstoße auch nicht gegen das Gleichheitsgebot, weil dieser Bestimmung die Fiktion eines Verhältnisses von Leistung (Arbeit in der Haft) und Gegenleistung (Unterhaltsvorschuss) zugrundeliege (Haselberger, UVG Rz 12 zu § 4). Die Arbeit, die bei einer Haft im Ausland geleistet werde, komme aber nicht dem österreichischen Staat zugute. Dieser Auslegung schloss sich auch die Entscheidung 7 Ob 186/98y (= EFSlg 87.673) an.Dieser Ansicht haben sich mittlerweile auch weitere Senate des Obersten Gerichtshofes angeschlossen. So wurde in der Entscheidung 2 Ob 112/97 (= ÖA 1998, 65 = EFSlg 84.810) ausgesprochen, dass auch der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu keiner anderen Auslegung der zwingenden Bestimmung des Paragraph 4, Ziffer 3, UVG führe, weil dadurch die Eigenstaatlichkeit Österreichs nicht aufgehoben worden sei; die Gewährung eines Haftrichtsatzvorschusses nur bei Freiheitsentzug im Inland verstoße auch nicht gegen das Gleichheitsgebot, weil dieser Bestimmung die Fiktion eines Verhältnisses von Leistung (Arbeit in der Haft) und Gegenleistung (Unterhaltsvorschuss) zugrundeliege (Haselberger, UVG Rz 12 zu Paragraph 4,). Die Arbeit, die bei einer Haft im Ausland geleistet werde, komme aber nicht dem österreichischen Staat zugute. Dieser Auslegung schloss sich auch die Entscheidung 7 Ob 186/98y (= EFSlg 87.673) an.

Der EuGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG eine Familienleistung iSd Art 4 Abs 1 lit h der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige (in der Folge: VO 1408/71) ist (Urteil vom 15. 3. 2001, Rs C-85/99 - Offermanns; Urteil vom 8. 2. 2002, Rs C-255/99 - Anna Humer, ELP 2002, 121 <Mayr>). Eine Person, die zumindest einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer iSd Art 2 Abs 1 iVm Art 1 lit f Z 1 der VO 1408/71 ist, fällt daher in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung (Urteil vom 8. 2. 2002, Rs C-255/99 - Anna Humer, ELP 2002, 121 <Mayr>). Der Oberste Gerichtshof folgerte aus dieser Rechtsprechung, dass auch deutsche Staatsangehörige - entgegen § 2 Abs 1 UVG - Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen wie Inländer hätten (ÖA 2001, 314) und dass eine Antragstellerin trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich entgegen § 2 Abs 1 UVG Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen habe, sofern auch nur ein Elternteil in Österreich berufstätig sei oder aber arbeitslos sei und Arbeitslosengeld beziehe; Voraussetzung sei nicht eine berufliche Tätigkeit oder Beschäftigungslosigkeit des in einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft verzogenen obsorgeberechtigten Elternteils, sondern es genüge, dass der im Inland verbleibende andere Elternteil berufstätig oder beschäftigungslos sei (1 Ob 289/01h).Der EuGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG eine Familienleistung iSd Artikel 4, Absatz eins, Litera h, der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige (in der Folge: VO 1408/71) ist (Urteil vom 15. 3. 2001, Rs C-85/99 - Offermanns; Urteil vom 8. 2. 2002, Rs C-255/99 - Anna Humer, ELP 2002, 121 <Mayr>). Eine Person, die zumindest einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer iSd Artikel 2, Absatz eins, in Verbindung mit Artikel eins, Litera f, Ziffer eins, der VO 1408/71 ist, fällt daher in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung (Urteil vom 8. 2. 2002, Rs C-255/99 - Anna Humer, ELP 2002, 121 <Mayr>). Der Oberste Gerichtshof folgerte aus dieser Rechtsprechung, dass auch deutsche Staatsangehörige - entgegen Paragraph 2, Absatz eins, UVG - Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen wie Inländer hätten (ÖA 2001, 314) und dass eine Antragstellerin trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich entgegen Paragraph 2, Absatz eins, UVG Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen habe, sofern auch nur ein Elternteil in Österreich berufstätig sei oder aber arbeitslos sei und Arbeitslosengeld beziehe; Voraussetzung sei nicht eine berufliche Tätigkeit oder Beschäftigungslosigkeit des in einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft verzogenen obsorgeberechtigten Elternteils, sondern es genüge, dass der im Inland verbleibende andere Elternteil berufstätig oder beschäftigungslos sei (1 Ob 289/01h).

Normzweck des Art 42 EG und der auf Grund dieser Bestimmung ergangenen VO 1408/71 ist (nur) die Koordinierung, nicht die Harmonisierung der verschiedenen sozialrechtlichen Systeme der Mitgliedstaaten für Personen mit grenzüberschreitendem Berufsverlauf. Es soll nicht ein einheitliches, gemeinschaftsweit gültiges Sozialversicherungssystem geschaffen, sondern durch Koordinierung nationaler Regeln die Freizügigkeit sichergestellt werden (Langer in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht² Art 42 EGV Rz 1, 13). Es kann daher weder aus der VO 1408/71 noch aus den vom Rekursgericht bei seiner Argumentation herangezogenen Entscheidungen des EuGH der Schluss gezogen werden, ein Mitgliedstaat wäre dazu verpflichtet, nationale Normen zu schaffen, wonach Familienleistungen nach Art des Unterhaltsvorschusses nach dem österreichischen UVG im Rahmen eines lückenlosen Systems für jeden nur denkbaren Fall des Entfalls einer Unterhaltsleistung und damit auch für den Fall gewährt werden, dass der Unterhaltspflichtige wegen einer im Ausland verhängten und vollzogenen Haft seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Es bleibt vielmehr mangels einer solchen Verpflichtung dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, an welche Tatbestände er die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen knüpft. Ziel der VO 1408/71 ist es allein, dem Recht auf Freizügigkeit zum Durchbruch zu verhelfen und sicherzustellen, dass die (im nationalen Recht) nach den anwendbaren Rechtsvorschriften vorgesehenen Familienleistungen (EuGH C-255/99 RN 39f) unterschiedslos davon zur Auszahlung gelangen, in welchem Land der für die Leistung bezugsberechtigte Familienangehörige wohnt.Normzweck des Artikel 42, EG und der auf Grund dieser Bestimmung ergangenen VO 1408/71 ist (nur) die Koordinierung, nicht die Harmonisierung der verschiedenen sozialrechtlichen Systeme der Mitgliedstaaten für Personen mit grenzüberschreitendem Berufsverlauf. Es soll nicht ein einheitliches, gemeinschaftsweit gültiges Sozialversicherungssystem geschaffen, sondern durch Koordinierung nationaler Regeln die Freizügigkeit sichergestellt werden (Langer in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht² Artikel 42, EGV Rz 1, 13). Es kann daher weder aus der VO 1408/71 noch aus den vom Rekursgericht bei seiner Argumentation herangezogenen Entscheidungen des EuGH der Schluss gezogen werden, ein Mitgliedstaat wäre dazu verpflichtet, nationale Normen zu schaffen, wonach Familienleistungen nach Art des Unterhaltsvorschusses nach dem österreichischen UVG im Rahmen eines lückenlosen Systems für jeden nur denkbaren Fall des Entfalls einer Unterhaltsleistung und damit auch für den Fall gewährt werden, dass der Unterhaltspflichtige wegen einer im Ausland verhängten und vollzogenen Haft seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Es bleibt vielmehr mangels einer solchen Verpflichtung dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, an welche Tatbestände er die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen knüpft. Ziel der VO 1408/71 ist es allein, dem Recht auf Freizügigkeit zum Durchbruch zu verhelfen und sicherzustellen, dass die (im nationalen Recht) nach den anwendbaren Rechtsvorschriften vorgesehenen Familienleistungen (EuGH C-255/99 RN 39f) unterschiedslos davon zur Auszahlung gelangen, in welchem Land der für die Leistung bezugsberechtigte Familienangehörige wohnt.

Mangelt es nun aber - wie von der zuvor dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung mit zutreffenden Argumenten aufgezeigt - an einer inländischen Norm, die die Gewährung eines Haftvorschusses auch dann aufträgt, wenn die Haft über den Unterhaltspflichtigen nicht im Inland verhängt und vollstreckt worden ist, scheitert ein entsprechender Antrag nicht etwa allein daran, dass der Unterhaltsschuldner oder seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen vom Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten, sondern daran, dass keine entsprechende nationale Anspruchsgrundlage besteht. Nach den Gesetzesmaterialien ist diesbezüglich auch keine planwidrige - durch Analogieschluss zu schließende - Lücke zu erkennen. Ein Zuspruch von Unterhaltsvorschussleistungen kommt damit hier nicht in Betracht.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Textnummer

E68128

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00260.02T.1217.000

Im RIS seit

16.01.2003

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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