Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Markus B*****, geboren am 15. Juli 1991, infolge Revisionsrekurses des Vaters Martin B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Oktober 2001, GZ 45 R 490/01v-65, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 7. August 2001, GZ 10 P 1352/95d-60, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Der Revisionsrekurswerber ist der eheliche Vater des am 15. Juli 1991 geborenen Markus. Er ist ferner für seine Tochter Lisa, geboren am 21. Juli 1994 sorgepflichtig. Markus ist Schüler und wird im Haushalt der obsorgeberechtigten Mutter betreut. Die Geldunterhaltspflicht des Vaters für Markus wurde mit Beschluss vom 19. Dezember 1997 auf 4.500
S (= 327,03 EUR) monatlich erhöht. Damals erzielte der Vater ein
durchschnittliches Nettoeinkommen von rund 29.000 S (= 2.107,51 EUR)
monatlich. Am 12. Juni 2001 beantragte die Mutter namens des Minderjährigen die Erhöhung des Geldunterhalts für Markus auf 6.200 S (= 450,57 EUR) monatlich ab 15. Juli 2001 und behauptete, das durchschnittliche Nettoeinkommen des Vaters habe sich auf etwa 33.000 S (= 2.398,20 EUR) monatlich erhöht. Markus werde im neuen Schuljahr in eine private Hauptschule wechseln. Die Schulkosten (inkl. Halbinternat) betrügen dann etwa 4.300 S (= 312,59 EUR) monatlich. Eine Allergieerkrankung des Kindes verursache überdies durch die Krankenkasse nicht gedeckte Behandlungskosten in der Größenordnung von 1.500 S bis 2.000 S (= 109,01 EUR bis 145,4 EUR) monatlich. Der Vater brachte am 26. Juni 2001 zu Gerichtsprotokoll vor, er erziele nunmehr ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 29.797 S (= 2.165,43 EUR). Er willigte in die Erhöhung des Geldunterhalts für Markus auf 5.400 S (= 392,43 EUR) monatlich ab 15. Juli 2001 ein. Am 7. August 2001 erklärte sich die Mutter namens ihres Sohnes mit einer Erhöhung des vom Vater zu zahlenden Geldunterhalts auf 5.400 S (= 392,43 EUR) monatlich einverstanden.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater, für Markus einen Geldunterhalt von 5.400 S (= 392,43 EUR) monatlich ab 15. Juli 2001 zu zahlen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht: Der Rekurs des Vaters, in dem die Herabsetzung seiner Geldunterhaltspflicht auf 4.670 S (= 339,38 EUR) monatlich ab 15. Juli 2001 angestrebt werde, sei ungeachtet der Einwilligung des Vaters in die Erhöhung des Geldunterhalts für Markus auf 5.400 S (= 392,43 EUR) monatlich ab 15. Juli 2001 zulässig. Der Vater stütze sich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 27. Juni 2001, Zl. B 1285/00. Damit mache er - iSd E 8 Ob 596/93 (= EFSlg
71.470) - eine maßgebende Änderung der Rechtslage geltend, die in ihren Auswirkungen einer Gesetzesänderung gleichzuhalten sei. Das Modell des VfGH für den Abzug eines Teils der Familienbeihilfe vom jeweiligen Geldunterhaltsanspruch würde sich auf die Leistungspflicht des Vaters auswirken. Dessen Erwägungen sei jedoch nicht beizutreten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es zur Auswirkung der steuerlichen Belastung des Geldunterhaltsschuldners auf die Unterhaltsbemessung an einer Rsp des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und - im Rahmen des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsbegehrens - berechtigt, soweit somit eine Anrechnung der staatlichen Transferleistungen begehrt wird.
1. Familienbeihilfe und Steuerentlastung
Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass eines Revisionsrekurses gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, Zl. G 7/02 ua (kundgemacht in BGBl I 152/2002 am 13.September 2002), hob der VfGH in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der VfGH bekräftigte seine schon im Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. B 1285/00, vertretene Auffassung, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag [§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG] und Kinderabsetzbetrag [§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG]), sondern auch die Familienbeihilfe - die damit nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient - die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Mit der Aufhebung der genannten Wortfolge in § 12a FLAG wurde aber nicht nur eine die Anrechenbarkeit der Familienbeihilfe hindernde Norm beseitigt, sondern der VfGH sprach auch aus, wie § 140 ABGB verfassungskonform auszulegen sei. Danach ist der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten - wie bisher - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern - bei getrennter Haushaltsführung um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe zu kürzen, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt (3 Ob 141/02k; 4 Ob 46/02x; 4 Ob 52/02d ua).Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass eines Revisionsrekurses gemäß Artikel 89, Absatz 2, B-VG (Artikel 140, B-VG) beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beantragt, Paragraph 12 a, FLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, Zl. G 7/02 ua (kundgemacht in Bundesgesetzblatt Teil eins, 152 aus 2002, am 13.September 2002), hob der VfGH in Paragraph 12 a, FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der VfGH bekräftigte seine schon im Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. B 1285/00, vertretene Auffassung, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag [§ 33 Absatz 4, Ziffer 3, Litera b, EStG] und Kinderabsetzbetrag [§ 33 Absatz 4, Ziffer 3, Litera a, EStG]), sondern auch die Familienbeihilfe - die damit nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient - die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Mit der Aufhebung der genannten Wortfolge in Paragraph 12 a, FLAG wurde aber nicht nur eine die Anrechenbarkeit der Familienbeihilfe hindernde Norm beseitigt, sondern der VfGH sprach auch aus, wie Paragraph 140, ABGB verfassungskonform auszulegen sei. Danach ist der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten - wie bisher - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern - bei getrennter Haushaltsführung um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe zu kürzen, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt (3 Ob 141/02k; 4 Ob 46/02x; 4 Ob 52/02d ua).
2. Kürzung des festgestellten Geldunterhaltsanspruchs zufolge der steuerlichen Entlastung
Nach dem Berechnungsmodell des VfGH erfasst die gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen die Hälfte des bemessenen Geldunterhalts um höchstens 40 %. Nach § 33 Abs 1 EStG beträgt die Einkommensteuer ab 1. Jänner 2002 für die ersten 3.640 EUR (in den Veranlagungsjahren 2000 und 2001 für die ersten 50.000 S) 0 %, für die nächsten 3.630 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 50.000 S) 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 % (2000 und 2001: für die nächsten 200.000 S), für die nächsten 29.070 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 400.000 S) 41 % und für alle weiteren Beträge des steuerpflichtigen Einkommens 50 %. Diese Steuersätze sind um etwa 20 % zu reduzieren, daher ist der Grenzsteuersatz von 50 % auf 40 %, der Steuersatz von 41 % auf 33 % und der von 31 % auf 25 % zu kürzen. Beim Steuersatz von 21 % kommt die Notwendigkeit einer steuerlichen Entlastung über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus, den der steuerpflichtige Geldunterhaltsschuldner erhält, praktisch nicht in Betracht. Die in concreto anzuwendenden Steuersätze bestimmen sich nach dem für deren Ermittlung maßgebenden Jahreseinkommen unter Ausklammerung der Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug, § 2 Abs 2 und § 41 Abs 4 EStG). Der Kindesunterhalt ist jeweils aus den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zu decken. Vom halben Unterhaltsbetrag ist jene prozentuelle Quote zu ermitteln, die dem jeweils anzuwendenden reduzierten Steuersatz entspricht. Wenn der Unterhaltsbeitrag zur Gänze in dem mit dem höchsten Steuersatz zu versteuernden Einkommensteil Deckung findet, ergibt sich nur eine Multiplikation (halber Unterhaltsbeitrag x reduziertem anzuwendenden Steuersatz). Wenn dies nicht der Fall, somit ein Teilbetrag (des halben Unterhaltsbeitrags) mit dem nächstniedrigeren Steuersatz zu versteuern ist, sind zwei Multiplikationen vorzunehmen (des jeweils abgesenkten Steuersatzes mit dem entsprechenden, in diese Steuerklasse fallenden Teilbetrag des halben Unterhaltsbeitrags) und die Ergebnisse sodann zu addieren. Von diesem rechnerischen Zwischenergebnis (Kürzungsbetrag) ist der der steuerlichen Entlastung dienende Unterhaltsabsetzbetrag, den der Steuerpflichtige erhält (monatlich für das 1. Kind 25,50 EUR [in den Jahren 2000 und 2001:Nach dem Berechnungsmodell des VfGH erfasst die gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen die Hälfte des bemessenen Geldunterhalts um höchstens 40 %. Nach Paragraph 33, Absatz eins, EStG beträgt die Einkommensteuer ab 1. Jänner 2002 für die ersten 3.640 EUR (in den Veranlagungsjahren 2000 und 2001 für die ersten 50.000 S) 0 %, für die nächsten 3.630 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 50.000 S) 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 % (2000 und 2001: für die nächsten 200.000 S), für die nächsten 29.070 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 400.000 S) 41 % und für alle weiteren Beträge des steuerpflichtigen Einkommens 50 %. Diese Steuersätze sind um etwa 20 % zu reduzieren, daher ist der Grenzsteuersatz von 50 % auf 40 %, der Steuersatz von 41 % auf 33 % und der von 31 % auf 25 % zu kürzen. Beim Steuersatz von 21 % kommt die Notwendigkeit einer steuerlichen Entlastung über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus, den der steuerpflichtige Geldunterhaltsschuldner erhält, praktisch nicht in Betracht. Die in concreto anzuwendenden Steuersätze bestimmen sich nach dem für deren Ermittlung maßgebenden Jahreseinkommen unter Ausklammerung der Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug, Paragraph 2, Absatz 2 und Paragraph 41, Absatz 4, EStG). Der Kindesunterhalt ist jeweils aus den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zu decken. Vom halben Unterhaltsbetrag ist jene prozentuelle Quote zu ermitteln, die dem jeweils anzuwendenden reduzierten Steuersatz entspricht. Wenn der Unterhaltsbeitrag zur Gänze in dem mit dem höchsten Steuersatz zu versteuernden Einkommensteil Deckung findet, ergibt sich nur eine Multiplikation (halber Unterhaltsbeitrag x reduziertem anzuwendenden Steuersatz). Wenn dies nicht der Fall, somit ein Teilbetrag (des halben Unterhaltsbeitrags) mit dem nächstniedrigeren Steuersatz zu versteuern ist, sind zwei Multiplikationen vorzunehmen (des jeweils abgesenkten Steuersatzes mit dem entsprechenden, in diese Steuerklasse fallenden Teilbetrag des halben Unterhaltsbeitrags) und die Ergebnisse sodann zu addieren. Von diesem rechnerischen Zwischenergebnis (Kürzungsbetrag) ist der der steuerlichen Entlastung dienende Unterhaltsabsetzbetrag, den der Steuerpflichtige erhält (monatlich für das 1. Kind 25,50 EUR [in den Jahren 2000 und 2001:
350 S], für das 2. Kind 38,20 EUR [2000 und 2001: 525 S] und für jedes weitere Kind jeweils 50,90 EUR [2000 und 2001: 700 S] - umgerechnet auf ein Jahr - abzuziehen, wird doch die steuerliche Entlastung auch durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag bewirkt. Nur soweit dieser nicht ausreicht, sind die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe - heranzuziehen. Der ermittelte Kürzungsbetrag wird somit seinerseits um den Unterhaltsabsetzbetrag gekürzt, wodurch zwangsläufig die Kürzung geringer ausfällt. Nicht den vorliegenden Fall betreffend ist klarzustellen, dass es bei zwei oder mehreren unterhaltsberechtigten Kindern unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung geboten ist, von der Summe der Unterhaltsbeiträge die Summe der Unterhaltsabsatzbeträge abzuziehen. Dieser jährliche "Steuerentlastungsbetrag" kürzt den vom Geldunterhaltspflichtigen zu leistenden jährlichen Unterhaltsbetrag, der dann auf Monate umzurechnen ist. Nicht den vorliegenden Fall betreffend ist klarzustellen, dass bei zwei oder mehreren Kindern der Steuerentlastungsbetrag im Verhältnis ihrer Geldunterhaltsansprüche auf die Kinder zu verteilen ist.
In der Entscheidung 3 Ob 141/02k erläuterte der erkennende Senat diese Berechnungsweise der erforderlichen Ermittlung des Steuerentlastungsbetrags in einer modellartigen tabellarischen Demonstration in fünf (bei mehreren Kindern in sechs) Schritten. Darauf wird verwiesen.
3. Ergebnis für den Anlassfall
Im Anlassfall mangelt es an Feststellungen über das für die Berechnung des Kürzungsbetrags bedeutsame Einkommen des Vaters. Das Erstgericht wird daher das Verfahren durch Feststellung des als Berechnungsgrundlage maßgebenden Einkommens des Vaters ohne Sonderzahlungen zu ergänzen haben, um sodann dessen Steuerentlastung nach den voranstehend erläuterten Grundsätzen berechnen zu können. Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E67813 3Ob8.02a-2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0030OB00008.02A.1218.000Dokumentnummer
JJT_20021218_OGH0002_0030OB00008_02A0000_000