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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §44 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des T, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. August 2006, Zl. 243.525/0-XI/34/03, betreffend §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, gelangte am 24. September 2003 in das Bundesgebiet und stellte am 26. September 2003 einen Asylantrag.
Zu seinen Fluchtgründen gab er bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22. Oktober 2003 im Wesentlichen an, er habe seine Heimat wegen Stammesstreitigkeiten zwischen den Ijaw und den Itsekiri verlassen. Sein Vater sei getötet und sein Elternhaus niedergebrannt worden.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 22. Oktober 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides führte das Bundesasylamt aus, die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zum Stamm der Ijaw seien nicht glaubhaft. Die Behauptung, zu diesem Stamm zu gehören und Ijaw als Muttersprache zu sprechen, habe der Beschwerdeführer nicht unter Beweis stellen können, weil ihm grundlegende Vokabel seiner angeblichen Muttersprache unbekannt gewesen seien und die "spärlich von Ihnen dazu gemachten Angaben (...) bei Vergleich mit vorliegenden Vokabeln der Sprache Ijaw nicht dieser Sprache zugeordnet" hätten werden können. Auf Grund der vagen und stereotypen Ausführungen des Beschwerdeführers sei davon auszugehen gewesen, dass es sich bei seinem Vorbringen "um eine eingelernte Geschichte ohne wahren Hintergrund" handle. Die vom Beschwerdeführer aufgestellte Verfolgungsbehauptung habe daher nicht festgestellt werden können. Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur allgemeinen Lage in Nigeria und folgerte daraus unter anderem, dem Beschwerdeführer stehe selbst für den Fall, dass seine Angaben "in weiten Bereichen den Tatsachen entsprechen (würden), (...) zum Beispiel in der Großstadt Lagos eine zumutbare und taugliche innerstaatliche Fluchtalternative offen". Zudem bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme von Umständen, die das Refoulement des Beschwerdeführers nach Nigeria unzulässig machen würden.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der er im Wesentlichen nur ausführte, dass er auf seine Angaben vor dem Bundesasylamt verweise.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung "gemäß § 7 AsylG abgewiesen" (Spruchpunkt I.). Weiters stellte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG) idF BGBl. I Nr. 126/2002" fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer "gemäß § 8 Abs. 2 AsylG" aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes sowie Teilen des erstinstanzlichen Bescheides aus, sie schließe sich den vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen und dessen rechtlicher Beurteilung vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Soweit die Beschwerde sich gegen die von der belangten Behörde übernommene Beweiswürdigung des Bundesasylamtes wendet, vermag sie keine Unschlüssigkeit der beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesasylamtes aufzuzeigen. Auf Grund des Inhaltes der Berufung, in der der Beschwerdeführer lediglich auf seine Angaben vor dem Bundesasylamt verwiesen hat, bestand für die belangte Behörde auch keine Notwendigkeit zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und persönlichen Einvernahme des Beschwerdeführers. Ausgehend von der mangelnden Glaubhaftmachung der Verfolgungsbehauptungen und den vom Bundesasylamt getroffenen - in der Beschwerde nicht substantiiert bekämpften - Feststellungen zur Lage in Nigeria sind weder die Abweisung des Asylantrages noch die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid jedoch zu Unrecht die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria (Spruchpunkt III.) verfügt.
Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides des Bundesasylamtes vom 22. Oktober 2003 - der dem Asylwerber am selben Tag zugestellt und somit vor Inkrafttreten der am 21. November 2003 kundgemachten AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, erlassen wurde - enthielt keine Ausweisung, sondern nur die Abweisung des Asylantrages sowie die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria.
Der angefochtene Bescheid wurde nach dem Inkrafttreten der AsylG-Novelle 2003 (1. Mai 2004) erlassen. Erst mit dieser Novelle wurde § 8 Abs. 2 AsylG eingeführt, wonach die Behörde im Falle der Abweisung eines Asylantrages, sofern die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, ihre Entscheidung mit einer Ausweisung zu verbinden hat. Die Übergangsbestimmungen zu dieser Novelle sehen vor, dass Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen sind, jedoch sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a idF BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 (Altfälle) anzuwenden (§ 44 Abs. 1 und 3 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003).
Nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 3 AsylG wäre zwar die in Rede stehende Bestimmung des § 8 Abs. 2 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 vom unabhängigen Bundesasylsenat (als Berufungsbehörde) auch dann anzuwenden, wenn diese Bestimmung zum Zeitpunkt der Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde noch nicht gegolten hat und daher vom Bundesasylamt - der damaligen Rechtslage entsprechend - nicht über die Ausweisung des Asylwerbers abgesprochen wurde. Da der unabhängige Bundesasylsenat aber gemäß Art. 129c B-VG als Berufungsbehörde in Asylsachen eingerichtet ist und daher von Verfassungs wegen nicht zu einer - im Ergebnis - erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden zuständig gemacht werden darf, muss § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass der unabhängige Bundesasylsenat nur dann über eine Ausweisung entscheiden darf, wenn bereits das Bundesasylamt darüber abgesprochen hat (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 (3. Ergänzung - Juni 2004) 392).
Indem die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria verfügt hat, obwohl das Bundesasylamt über dessen Ausweisung nicht gemäß § 8 Abs. 2 AsylG abgesprochen hat, hat sie eine ihr nach dem Gesagten nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 29. März 2007
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006200500.X00Im RIS seit
11.06.2007Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008