Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Shantel Schönfelder, geboren am 4. März 1996, *****, London, Großbritannien, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge, Bezirke 17 bis 19, 1190 Wien, Gatterburggasse 14, über den Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. September 2002, GZ 43 R 557/02h-60, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 4. Juli 2002, GZ 1 P 90/01m-50, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Die Akten werden dem Erstgericht vorerst mit dem Auftrag zurückgestellt, die Rückscheine
1. betreffend die Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes vom 13. 9. 2002, 43 R 557/02h-60, an die Revisionsrekurswerberin (Unterhaltssachwalter) sowie
2. betreffend die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses vom 26. 6. 2002, 1 P 90/01m-50, an den Rekurswerber (Präsident des Oberlandesgerichtes Wien)
anzuschließen und sodann - für den Fall der Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses auch nach Zustellung einer Gleichschrift (Kopie) des Rechtsmittels an den Vater und Unterhaltsschuldner (allenfalls dessen noch aufrecht bestellten Abwesenheitskurator) zur allfälligen fristgebundenen Äußerung - die Akten dem Obersten Gerichtshof erneut vorzulegen.
Begründung:
Über Antrag des Unterhaltssachwalters wurden dem mj Kind, das österreichischer Staatsbürger ist, jedoch seit der Trennung der (nach wie vor aufrecht verheirateten) Eltern bei seiner aus Jamaika stammenden Mutter in (derzeit) Großbritannien lebt, Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich EUR 223 (laut rechtskräftigem Titelbeschluss ON 35) für die Zeit vom 1. 6. 2002 bis 31. 5. 2005 gewährt (ON 50). Dem hiegegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien erhobenen Rekurs wurde vom Rekursgericht Folge gegeben und der Antrag auf Unterhaltsvorschussgewährung abgewiesen; weiters wurde ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei (ON 60). Über Antrag des Unterhaltssachwalters gemäß § 14a AußStrG (ON 63) wurde dieser Ausspruch vom Rekursgericht dahin abgeändert, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei (ON 66).
Da die für die Rechtzeitigkeitsprüfung der Rechtsmittel erforderlichen Daten nach der Aktenlage noch nicht verlässlich feststehen, waren vorerst die aus dem Spruch ersichtlichen Aufträge zu erteilen. Dies aus folgenden Erwägungen:
Betreffend die erstinstanzliche Entscheidung wurde im Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes als Zustelldatum der 8. 7. 2002 genannt, sodass der am 22. 7. 2002 zur Post gegebene Rekurs rechtzeitig (gewesen) wäre. Im diesbezüglichen Vorlagebericht (ON 59) wurde dieses Datum unter Hinweis auf "Seitenzahl 137" übernommen. Unter dieser Aktenseite (ON 50) finden sich jedoch bloß Zustellnachweise an die für den Vater bestellte (ON 23) Abwesenheitskuratorin sowie die Kindesmutter im Ausland. Zur Rekursentscheidung ON 60 fehlt ein Zustellnachweis an die nunmehrige Revisionsrekurswerberin. Als Zustelldatum wird einleitend des Rechtsmittels der 4. 10. 2002 genannt, Abfertigungsdatum war jedoch bereits der 1. 10. 2002 (AS 162); das Rechtsmittel überreicht wurde am 16. 10. 2002; im Vorlagebericht ON 64 ist als Datum "99.99.99" ausgeworfen.
Es war daher vorerst wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen. Dabei war gleichzeitig auch - freilich nur für den Fall der sich erweisenden Rechtzeitigkeit der Rechtsmittel - der Auftrag zur Zustellung einer Gleichschrift (Kopie) des Revisionsrekurses an den Vater und Unterhaltsschuldner bzw dessen nach wie vor aufrecht bestellten Abwesenheitskurator zu erteilen. Auch im außerstreitigen Verfahren gilt der im Art 6 Abs 1 MRK verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs (SZ 69/20; 6 Ob 121/00p) - und zwar auch in Fällen, in denen das Gebot der Zweiseitigkeit von Rechtsmittelverfahren nicht ausdrücklich gesetzlich verankert ist. Dies resultiert aus der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 6. 2. 2001 Beer gegen Österreich (ÖJZ 2001, 516) abgeleiteten Grundsatz der Waffengleichheit in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen für jede an einem solchen Verfahren beteiligte Partei; jede solche Partei muss gegnerische Stellungnahmen "zur Kenntnis nehmen und kommentieren" können (über die Auswirkungen dieses Erkenntnisses auf den außerstreitigen innerstaatlichen Rechtsbereich ausführlich 6 Ob 281/01v = JAP 2002/2003, 111 mit zust Glosse von Frauenberger-Pfeiler). Auch Ansprüche nach dem UVG sind derartige zivilrechtliche Ansprüche im Sinne der MRK, treffen doch den Unterhaltsschuldner daraus resultierende mehrfache (Rück-)Zahlungspflichten (§§ 26 Abs 2 und 3, 29 ff UVG). Dem Rechtsmittelwerber wird daher das wie ebenfalls aus dem Spruch ersichtliche rechtliche Gehör einzuräumen sein. Dabei wird auch zu beachten sein, dass sich nach einer im Akt erliegenden aktuellen Mitteilung des Unterhaltssachwalters (ON 62) der Vater wiederum in Österreich aufhalten soll, sodass auch die Frage des Weiterbestandes der mit Beschluss vom 18. 9. 2001 erfolgten Kuratorbestellung gemäß § 116 ZPO für das gesamte Pflegschaftsverfahren (ON 23, 28 und 29) zu überdenken sein wird.