TE OGH 2003/1/28 10ObS422/02k

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Veröffentlicht am 28.01.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Günther Schön (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Zivorad M*****, vertreten durch Dr. Hans Christian Nemetz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2002, GZ 10 Rs 218/02f-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. Februar 2002, GZ 34 Cgs 50/01v-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei von Amts wegen von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I 2002/1).Zunächst ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei von Amts wegen von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (Paragraph 538 a, ASVG in der Fassung 59. ASVG-Nov BGBl römisch eins 2002/1).

Rechtliche Beurteilung

Verneint das Berufungsgericht - wenn auch nur in den Entscheidungsgründen - eine Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz, so kann der Nichtigkeitsgrund in der Revision nicht geltend gemacht werden, liegt doch insoweit ein Beschluss des Berufungsgerichts vor, der gemäß § 519 ZPO unanfechtbar ist (stRsp ZP SZ 59/104; SSV-NF 1/36; Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 2 mwN). Im vorliegenden Fall verneinte bereits das Berufungsgericht, dass die - nun in der Revision als Nichtigkeitsgrund geltend gemachte - Unterlassung der Ladung des dem Kläger beigegebenen Verfahrenshelfers zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 27. 2. 2002 eine Nichtigkeit bildet. Die Revision wegen Nichtigkeit war daher zurückzuweisen.Verneint das Berufungsgericht - wenn auch nur in den Entscheidungsgründen - eine Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz, so kann der Nichtigkeitsgrund in der Revision nicht geltend gemacht werden, liegt doch insoweit ein Beschluss des Berufungsgerichts vor, der gemäß Paragraph 519, ZPO unanfechtbar ist (stRsp ZP SZ 59/104; SSV-NF 1/36; Kodek in Rechberger, ZPO² Paragraph 503, Rz 2 mwN). Im vorliegenden Fall verneinte bereits das Berufungsgericht, dass die - nun in der Revision als Nichtigkeitsgrund geltend gemachte - Unterlassung der Ladung des dem Kläger beigegebenen Verfahrenshelfers zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 27. 2. 2002 eine Nichtigkeit bildet. Die Revision wegen Nichtigkeit war daher zurückzuweisen.

Im Übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe die mit der Berufung vorgelegten Urkunden und den Antrag auf Vernehmung eines Zeugen nicht beachtet, ist entgegenzuhalten, dass das Neuerungsverbot des § 482 ZPO auch in Sozialrechtssachen gilt (SSV-NF 8/60 mwN). Die in § 482 Abs 2 ZPO enthaltene Ausnahme vom Neuerungsverbot betrifft nur Tatumstände und Beweise, die zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden. Diese Vorschrift bringt keine Lockerung des Neuerungsverbots in Ansehung der Behauptungs- und Beweisgrundlage für die Entscheidung über den Anspruch mit sich. Zulässige Neuerungen im Sinn des § 482 Abs 2 ZPO sind daher nur solche, die sich auf die Berufungsgründe selbst beziehen, nicht aber auf die behaupteten Ansprüche und Gegenansprüche als solche, wie es jedoch bei Vorlage neuer Urkunden und Vorbringen eines neuen Beweismittels über den Gesundheitszustand des Klägers der Fall ist. Ob ein Sachverständigengutachten erschöpfend ist und die getroffenen Feststellungen rechtfertigt, betrifft die nicht revisible Beweiswürdigung (SSV-NF 3/160; 6/28 ua), zu der auch die Frage gehört, ob noch eine weitere Beweisaufnahme erforderlich ist (SSV-NF 12/32 ua). Nur wenn ein Gutachten gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstößt und dadurch die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge hat, betrifft dessen Anfechtung die rechtliche Beurteilung (SSV- 2/74; 3/14). Beschränkt sich der Sachverständige im Rahmen seiner Erkenntnisquellen und Schlussfolgerungen auf die Beurteilung naturwissenschaftlicher, medizinischer Fragen, so liegt darin kein Verstoß gegen die Denkgesetze, mögen auch andere Beweisergebnisse in eine andere Richtung weisen. Nach Ansicht des Klägers verstößt die Aussage in den im Jahr 2001 erstatteten Sachverständigengutachten, lang andauernde Krankenstände seien nicht vorhersehbar, gegen die Denkgesetze, weil sie unrichtig gewesen sei, da der Kläger auch jetzt noch im Krankenstand sei. Damit wird freilich kein Verstoß der Sachverständigen gegen die Logik aufgezeigt. Ein Widerspruch besteht nicht, weil die Krankenstände des Klägers im Zusammenhang mit seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit stehen. Für die Beurteilung, ob Krankenstände geeignet sind, einen Versicherten vom allgemeinen Arbeitsmarkt auszuschließen, kommt es aber nur auf die Dauer der leidensbedingten Krankenstände - und zwar ausgehend von den Anforderungen in den Verweisungsberufen (SSV-NF 7/75; 10 ObS 215/99mDer Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach Paragraph 503, Ziffer 2, ZPO liegt nicht vor (Paragraph 510, Absatz 3, Satz 3 ZPO). Dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe die mit der Berufung vorgelegten Urkunden und den Antrag auf Vernehmung eines Zeugen nicht beachtet, ist entgegenzuhalten, dass das Neuerungsverbot des Paragraph 482, ZPO auch in Sozialrechtssachen gilt (SSV-NF 8/60 mwN). Die in Paragraph 482, Absatz 2, ZPO enthaltene Ausnahme vom Neuerungsverbot betrifft nur Tatumstände und Beweise, die zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden. Diese Vorschrift bringt keine Lockerung des Neuerungsverbots in Ansehung der Behauptungs- und Beweisgrundlage für die Entscheidung über den Anspruch mit sich. Zulässige Neuerungen im Sinn des Paragraph 482, Absatz 2, ZPO sind daher nur solche, die sich auf die Berufungsgründe selbst beziehen, nicht aber auf die behaupteten Ansprüche und Gegenansprüche als solche, wie es jedoch bei Vorlage neuer Urkunden und Vorbringen eines neuen Beweismittels über den Gesundheitszustand des Klägers der Fall ist. Ob ein Sachverständigengutachten erschöpfend ist und die getroffenen Feststellungen rechtfertigt, betrifft die nicht revisible Beweiswürdigung (SSV-NF 3/160; 6/28 ua), zu der auch die Frage gehört, ob noch eine weitere Beweisaufnahme erforderlich ist (SSV-NF 12/32 ua). Nur wenn ein Gutachten gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstößt und dadurch die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge hat, betrifft dessen Anfechtung die rechtliche Beurteilung (SSV- 2/74; 3/14). Beschränkt sich der Sachverständige im Rahmen seiner Erkenntnisquellen und Schlussfolgerungen auf die Beurteilung naturwissenschaftlicher, medizinischer Fragen, so liegt darin kein Verstoß gegen die Denkgesetze, mögen auch andere Beweisergebnisse in eine andere Richtung weisen. Nach Ansicht des Klägers verstößt die Aussage in den im Jahr 2001 erstatteten Sachverständigengutachten, lang andauernde Krankenstände seien nicht vorhersehbar, gegen die Denkgesetze, weil sie unrichtig gewesen sei, da der Kläger auch jetzt noch im Krankenstand sei. Damit wird freilich kein Verstoß der Sachverständigen gegen die Logik aufgezeigt. Ein Widerspruch besteht nicht, weil die Krankenstände des Klägers im Zusammenhang mit seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit stehen. Für die Beurteilung, ob Krankenstände geeignet sind, einen Versicherten vom allgemeinen Arbeitsmarkt auszuschließen, kommt es aber nur auf die Dauer der leidensbedingten Krankenstände - und zwar ausgehend von den Anforderungen in den Verweisungsberufen (SSV-NF 7/75; 10 ObS 215/99m

ua) - an.

Die Rechtsrüge wird darauf gestützt, dass das Berufungsgericht zu Unrecht Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer (weiteren) Beweisaufnahme zum Thema der Prognose lang andauernder Krankenstände verneint habe und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache der Schwerversehrtheit des Klägers keinerlei Bedeutung beigemessen habe, obwohl diese Tatsache bei der Prüfung der Prognostizierbarkeit lang andauernder Krankenstände einbezogen werden müsse. Mit diesen Ausführungen zeigt die Revision keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht auf:

Die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen resultiert aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Die Frage, ob außer dem bereits vorliegenden (medizinischen) noch weitere Sachverständigengutachten zu demselben Beweisthema einzuholen oder diese Gutachten zu ergänzen gewesen wären, gehört zur Beweiswürdigung und kann im Revisionsverfahren nicht überprüft werden (SSV-NF 12/32 mwN). Das Berufungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Mängelrüge des Klägers auseinandergesetzt, sodass auch insoweit kein Mangel des Berufungsverfahrens gegeben ist (SSV-NF 12/32 mwN). Nach der ständigen neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 11/147 ua; RIS-Justiz RS0084429) sind mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig zu erwartende leidensbedingte Krankenstände von sieben Wochen jährlich und darüber - und zwar ausgehend von den Anforderungen in den Verweisungsberufen (SSV-NF 7/75; 10 ObS 215/99m ua) - geeignet, Versicherte vom allgemeinen Arbeitsmarkt auszuschließen und zu bewirken, dass der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit eintritt. Dass der Kläger solche leidensbedingte Krankenstände in dieser Dauer mit der nötigen Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte, steht jedoch nicht fest. Sekundäre Feststellungsmängel liegen in diesem Zusammenhang nicht vor.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.

Anmerkung

E68450 10ObS422.02k

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:010OBS00422.02K.0128.000

Dokumentnummer

JJT_20030128_OGH0002_010OBS00422_02K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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