TE Vfgh Beschluss 2002/10/7 V18/02 ua

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Veröffentlicht am 07.10.2002
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ElWOG §32 Abs4
ElWOG §34 Abs4
Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom 03.10.01 betreffend die Festsetzung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif

Leitsatz

Zurückweisung der Anträge der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer Niederösterreich auf teilweise Aufhebung einer Verordnung über die Festsetzung eines Zuschlags zum Systemnutzungstarif mangels Legitimation; Betreiber von Verteilernetzen als Normadressaten der angefochtenen Verordnung; keine unmittelbare rechtliche Betroffenheit der antragstellenden Interessenvertretungen

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Die Antragsteller begehren mit den auf Art139 B-VG gestützten Individualanträgen, die §§1, 2 und 4 Abs2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Festsetzung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif, MA 64 - GE 152/2001, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 211/2001 vom 31.10.2001, als gesetzwidrig aufzuheben. "Sollte der Verfassungsgerichtshof der Auffassung sein, dass die gesamte Verordnung gesetz- bzw verfassungswidrig ist," wird der Antrag gestellt, die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

1.2. Die bekämpfte Verordnung hat folgenden Wortlaut:

"Verordnung des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Festsetzung

eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif

Auf Grund des §34 Abs4 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, in der Fassung BGBl. I Nr. 121/2000, wird verordnet:

§1

Diese Verordnung regelt die Festsetzung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif, durch den der WIENSTROM GmbH die durch die Festsetzung von Mindestpreisen für die Abnahme von Kraftwärmekopplungsenergie (KWK-Energie) aus Kraftwärmekopplungsanlagen entstehenden Mehraufwendungen gegenüber den Erlösen, die sie aus dem Verkauf der KWK-Energie erzielen konnten, abgegolten werden.

§2

Der KWK-Zuschlag wird mit 10,22 Groschen je kWh bestimmt. Dieser Zuschlag ist auf den Rechnungen gesondert auszuweisen.

§3

Die WIENSTROM GmbH hat dem Landeshauptmann jährlich auf geeignete Weise

1. die tatsächlichen Aufwendungen, die ihr auf Grund der Abnahmepflicht von KWK-Energie aus Kraftwärmekopplungsanlagen im letzten Jahr entstanden sind sowie

2. die tatsächlichen Erlöse, die sie im letzten Jahr aus dem Verkauf der KWK-Energie erzielt hat, bekannt zu geben.

Die Festsetzung des Zuschlages hat jährlich unter Berücksichtigung des Mehraufwandes des Vorjahres zu erfolgen, wobei allfällige Differenzbeträge im Folgejahr auszugleichen sind.

§4

(1) Diese Verordnung tritt mit l. November 2001 in Kraft.

(2) Mit Wirksamkeit vom l. Jänner 2002 tritt an Stelle des in §2 genannten Betrages folgender Betrag: '0,7427 Cent je kWh'."

1.3. Die gesetzlichen Grundlagen der angefochtenen Verordnung stellen sich wie folgt dar:

§32 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (im folgenden als ElWOG bezeichnet), BGBl. I Nr. 143/1998 idF BGBl. I Nr. 121/2000 lautet:

"Abnahmeverpflichtung von Ökoenergie und KWK-Energie

§32. (Grundsatzbestimmung)

(1) Die Ausführungsgesetze haben Betreiber von Verteilernetzen zu verpflichten, die ihnen angebotene elektrische Energie aus an ihrem Verteilernetz angeschlossenen Anlagen, die gemäß §40 Abs1 als Ökoanlagen anerkannt sind, abzunehmen. Die Menge an elektrischer Energie aus Ökoanlagen hat in steigendem Ausmaß

1.

ab 1. Oktober 2001 mindestens 1%;

2.

ab 1. Oktober 2003 mindestens 2%;

3.

ab 1. Oktober 2005 mindestens 3%;

4.

ab 1. Oktober 2007 mindestens 4%

der Stromabgabe an die an sein Netz angeschlossenen Endverbraucher im vorangegangenen Kalenderjahr zu betragen.

(2) Die Netzbetreiber sind berechtigt, diese Strommengen an Endverbraucher oder Stromhändler weiter zu veräußern.

(3) Wird das in den Ausführungsgesetzen gemäß Abs1 festgelegte Mindestausmaß überschritten, sind die Verteilernetzbetreiber berechtigt, den dieses Mindesterfordernis übersteigenden Anteil an andere Verteilernetzbetreiber zu veräußern. Die derart erworbene Ökoenergie ist auf das Erfordernis gemäß Abs1 anzurechnen.

(4) Die Ausführungsgesetze können Betreiber von Verteilernetzen, an deren Netz KWK-Anlagen angeschlossen sind, verpflichten, die ihnen aus diesen Anlagen angebotene KWK-Energie abzunehmen. Die Verpflichtung ist mit längstens 31. Dezember 2004 zu befristen."

Die Absätze 3 und 4 des §34 ElWOG lauten:

"Behördenzuständigkeit in Preisangelegenheiten

§34.

(1) [...].

(3) Übersteigen die Aufwendungen für die Abnahme von elektrischer Energie gemäß §32 Abs1 oder für den Kauf elektrischer Energie gemäß §32 Abs3 die Erlöse, die der Netzbetreiber unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aus dem Verkauf dieser elektrischen Energie erzielen kann, so ist dem Verteilernetzbetreiber der Mehraufwand zwischen den Mindest- oder Kaufpreisen und den Erlösen zu ersetzen. Dies gilt auch für die Aufwendungen hinsichtlich der Ausgleichsabgabe gemäß §61a. Die hiefür erforderlichen Mittel sind durch einen Zuschlag zum Systemnutzungstarif aufzubringen. Der Landeshauptmann hat durch Verordnung die Höhe dieses Zuschlages zum Systemnutzungstarif in g/kWh - ab 1. Jänner 2002 in Cent/kWh - für die aus Ökoanlagen bezogene elektrische Energie zur Abdeckung dieses Mehraufwandes festzusetzen. Die Festsetzung des Zuschlages hat jährlich unter Berücksichtigung des Mehraufwandes des Vorjahres zu erfolgen, wobei allfällige Differenzbeträge im Folgejahr auszugleichen sind.

(4) Übersteigen die Aufwendungen für die Abnahme von elektrischer Energie gemäß §32 Abs4 die Erlöse, die der Verteilernetzbetreiber unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aus dem Verkauf dieser elektrischen Energie erzielen kann, so ist dem Verteilernetzbetreiber dieser Mehraufwand zu ersetzen. Abs3 findet sinngemäß Anwendung."

1.4. Zur Zulässigkeit der Anträge verweisen die Antragsteller darauf, dass sie mit ihren in Niederösterreich gelegenen Geschäftsstellen, in denen die elektrische Energie über das Netz der Wienstrom GmbH zur Verfügung gestellt werde, von der genannten Verordnung betroffen seien und den in Rede stehenden Zuschlag an die Wienstrom abführen müssten.

Es sei nicht möglich, die Frage der Rechtswidrigkeit der genannten Verordnung an den Verfassungsgerichtshof über ein Verwaltungsverfahren mit daran anschließender Beschwerde heranzutragen. Es sei den Antragstellern auch nicht zumutbar, den Zuschlag nicht zu entrichten und sich damit in die bekanntermaßen bestehende Gefahr der Stromabschaltung zu begeben (siehe Punkt XVI der Allgemeinen Lieferbedingungen der WIENSTROM und Punkt XXVI Z2 der Allgemeinen Verteilernetzbedingungen von WIENSTROM).

Es sei den Antragstellern aber auch nicht zumutbar, sich durch die Nichtzahlung des KWK-Zuschlages unabhängig von der drohenden Abschaltung des Stroms rechtswidrig zu verhalten.

Die Wirtschaftstreibenden, deren Interessen die Erstantragstellerin von Gesetzes wegen vertrete, bedürften einer raschen Entscheidung, weil die Energiekosten ein wichtiger Kalkulationsfaktor seien und die Verzögerung der Antragstellung, die notwendigerweise durch das "Dazwischenschalten" eines Gerichts entstehe, wenn infolge Nichtzahlung die WIENSTROM den Zuschlag einklagen sollte, die Situation der Betroffenen noch nachteiliger mache. Vor allem aber, sei die Übernahme des Risikos der Stromabschaltung nicht zumutbar.

Die Arbeiter und Angestellten, die in Niederösterreich von dem in Rede stehenden Zuschlag betroffen seien und deren Interessen die Zweitantragstellerin von Gesetzes wegen vertrete, zahlten in der Summe zwar Millionen Euro mehr an Stromkosten im Hinblick auf den in Rede stehenden Zuschlag. Kein Angehöriger dieses Personenkreises könne aber das Risiko einer Stromabschaltung durch Nichtbezahlung oder das Risiko eines Zivilprozesses - bei dem es für den Einzelnen um einen kleinen Betrag gehe und der daher mit einem überproportionalen Kostenrisiko behaftet sei - tragen. Auch dieser Personenkreis sei natürlich an einer Aufhebung der bekämpften Verordnung interessiert und setze seine Hoffnung auf rechtliche Maßnahmen durch die gleichfalls direkt betroffene Zweitantragstellerin.

Die Rechtssphäre der Antragsteller sei durch die Verordnung, mit der ihnen in Verbindung mit §34 Abs3 ElWOG ("[...] so ist dem Verteilernetzbetreiber der Mehraufwand [...]") die Zahlung des Zuschlages aufgetragen werde, direkt betroffen.

2. Der Landeshauptmann von Wien erstattete eine Äußerung.

II. Die (in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen) Anträge sind unzulässig.

1.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

1.2. Normadressaten der in Rede stehenden Verordnung sind jene Betreiber von Verteilernetzen, die gemäß §32 Abs4 ElWOG verpflichtet wurden, die ihnen aus an ihr Netz angeschlossenen KWK-Anlagen angebotene KWK-Energie abzunehmen. Diesen Verteilernetzbetreibern ist dann, wenn die Aufwendungen für die Abnahme von Strom aus KWK-Anlagen die Erlöse, die der Verteilernetzbetreiber aus dem Verkauf dieser elektrischen Energie erzielen kann, übersteigen, der Mehraufwand zu ersetzen. Die hiefür erforderlichen Mittel sind durch einen Zuschlag zum Systemnutzungstarif aufzubringen. Diese Bestimmungen bewirken eine Regelung des für die Netznutzung zu entrichtenden Entgeltes und stellen damit eine Preisregelungsbestimmung für den Verteilernetzbetreiber dar. Die Antragsteller machen einen Eingriff in ihre Rechtsstellung als Endverbraucher geltend. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, berühren Preisregelungsbestimmungen den Kunden - im vorliegenden Fall den Endverbraucher - nicht in seiner Rechtssphäre, sondern bloß in seinen wirtschaftlichen Interessen (vgl. VfSlg. 10.313/1984, 10.502/1985).

1.3. Wenn sich die Antragsteller schließlich auf ihre gesetzliche Aufgabe berufen, die Interessen der der Kammer angehörigen Mitglieder zu vertreten (§1 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 und §1 Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl. Nr. 626/1991) so ist ihnen zu entgegnen, dass eine derartige Interessenvertretungsfunktion nicht eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit der antragstellenden Interessenvertretungen schafft, und zwar selbst dann nicht, wenn eine Verordnung angegriffen würde, welche tatsächlich die Rechtssphäre der einzelnen Kammermitglieder unmittelbar gestaltet oder wenn die antragstellenden Interessenvertretungen selbst von wirtschaftlichen Reflexwirkungen dieser Vorschriften betroffen wären (vgl. VfSlg. 15.530/1999). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass Preisregelungen den Kunden nicht in seiner Rechtssphäre, sondern bloß in wirtschaftlichen Interessen berühren würden (vgl. VfSlg. 10.313/1984, 10.502/1985).

2. Die Anträge sind daher insgesamt ohne Prüfung der weiteren Voraussetzungen schon aus den genannten Gründen mangels Legitimation der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Arbeiterkammern, berufliche Vertretungen, Energierecht, Elektrizitätswesen, VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, Wirtschaftskammern

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V18.2002

Dokumentnummer

JFT_09978993_02V00018_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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