TE OGH 2003/1/28 1Ob203/02p

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Veröffentlicht am 28.01.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische F*****, vertreten durch Dr. Gerhard Renner und Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** AG, ***** vertreten durch Krömer & Nusterer, Rechtsanwältepartnerschaft in St. Pölten, wegen EUR 36.333,18 infolge ordentlicher Revision der klagenden (Revisionsinteresse EUR 30.145,70 sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 6.187,48 sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Mai 2002, GZ 16 R 91/02y-61, mit dem das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Jänner 2002, GZ 2 Cg 165/95i-55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird Folge, jener der beklagten Partei wird hingegen nicht Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Zwischenurteil zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 36.333,18 samt 4 % Zinsen seit 24. 10. 1995 zu zahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Fischereiberechtigte bzw Fischereiausübungsberechtigte an mehreren Fischereirevieren an der Piesting, unter anderem an den Revieren FA II/2, FA I/6 und FA 1/7. Die beklagte Partei betreibt in diesem Bereich zwei Wasserkraftwerke.

Nach rechtskräftiger Abweisung eines Teils des Klagebegehrens (betreffend das Fischereirevier FA II/2) begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei noch Schadenersatz in Höhe von EUR 36.333,18 samt Zinsen. Sie brachte dazu vor, ihr seien bei insgesamt 13 - im Einzelnen dargelegten - Vorfällen durch das Trockenfallen bestimmter Abschnitte des Flusses bzw der Kraftwerkskanäle auf den Betrieb der Kraftwerke zurückzuführende Schäden entstanden. Dabei sei es zu Schäden am Fischbestand bzw am Bestand von Fischnährtieren in jeweils im Einzelnen dargelegter Höhe gekommen. Darüber hinaus hätte die klagende Partei zur Verhinderung weiterer Schäden umfangreiche Ausfischungen vornehmen müssen, um ein Verenden weiterer Fische zu verhindern.

Die beklagte Partei wendete vor allem ein, die Haftung nach § 26 Abs 2 WRG bestehe schon deshalb nicht, weil bei der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligungen für die Kraftwerke mit den nunmehr eingetretenen nachteiligen Folgen gerechnet worden sei.

Das Erstgericht erkannte mit Teil- und Zwischenurteil das Klagebegehren in Höhe von EUR 6.187,48 dem Grunde nach als zu Recht bestehend und wies das darüber hinausgehende Begehren über EUR 30.145,70 ab. Es traf unter anderem folgende Feststellungen:

Das im Jahr 1991 von der beklagten Partei erworbene Wasserkraftwerk S***** sei mit Bescheid vom 28. 7. 1842 wasserrechtlich bewilligt worden. Im Bewilligungsbescheid sei auf die Interessen der Fischerei und die Frage, ob durch den Betrieb mit Schäden für die Fischerei zu rechnen wäre, nicht Bedacht genommen worden; es seien weder Auflagen zu Gunsten der Fischereiberechtigten erteilt, noch Zwangsrechte eingeräumt oder Entschädigungen für Schäden vorgesehen worden. Es könne nicht festgestellt werden, ob oder in welchem Ausmaß die Wasserrechtsbehörde in den späteren, anlässlich wiederholter Umbauten durchgeführten wasserrechtlichen Verfahren mit einem Schadenseintritt für das Fischereirecht durch den Betrieb des Kraftwerks rechnete, insbesondere ob Auflagen erteilt oder Entschädigungen für Schäden vorgesehen wurden.

Am 31. 7. 1993 und am 22. 4. 1995 seien an der Kraftwerksanlage S***** Wartungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt worden, bei denen durch das Absperren der Wasserzufuhr das Wasser aus dem Werksbach abgeflossen sei. Da durch das Trockenfallen des Werksbaches Fische zu verenden gedroht hätten, habe die klagende Partei Ausfischungen vorgenommen, wobei ihr Kosten für Personal und Transport entstanden seien. Es hätten allerdings nicht alle Fische gefangen werden können; weiters sei es zu einem Ausfall an Fischnährtieren gekommen.

Die Errichtung des Wasserkraftwerks B***** sei mit Erlass des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 25. 3. 1921 genehmigt, aber über Fischereirechte keine Regelung getroffen worden. Schon damals sei vorgesehen gewesen, dass das ursprüngliche Flussbett während des größten Teils des Jahres durch die Ableitung des Wassers für das Kraftwerk trocken sein würde. Anlässlich der Genehmigung sei unter anderem die Auflage erteilt worden, dass zur Vermeidung einer Unterbrechung des Wasserablaufs das Ziehen der Spülschütze nur bei höheren Wasserständen oder gelegentlich mehrstündiger Betriebspausen der dadurch berührten Werke vorzunehmen sei. Um das Kraftwerk B***** ausreichend mit Wasser zu dotieren, werde bei normalem Wasserstand das gesamte Wasser der Piesting im Revier FA II/2 ausgeleitet und über eine Rohrleitung (Druckstollen) dem Kraftwerk zugeführt. Unterhalb des Kraftwerks fließe das Wasser über einen Werkskanal zurück in die Piesting, und zwar im untersten Bereich des Reviers FA I/6. Ab der Ausleitung und bis zur Einleitung sei das natürliche Flussbett daher bei Normalwasser-Führung völlig trocken gelegt.

Wegen einer Beschwerde des damaligen Obmanns des Fischereiausschusses, dass an einem bestimmten Tag das Staubecken des Kraftwerks B***** gänzlich entleert worden sei, wodurch Wasser in das ca 7 km lange "Umlaufgerinne", also das alte Flussbett der Piesting, geführt und Fische und Fischsetzlinge zerstört worden seien, habe am 16. 1. 1941 eine Verhandlung stattgefunden, an der auch die damalige Betreiberin des Kraftwerks vertreten gewesen sei. Dabei sei vereinbart worden, bei jeder Umleitung des Betriebswassers in das Bett der Piesting sei darauf Bedacht zu nehmen, dass die Kontinuität des Wasserablaufs nicht unterbrochen werde, zu welchem Zweck besonders bei Wasserteilung zwischen Druckrohr und Wildbachbett und bei geringem Wasserzulauf ein allmählicher Wasserzusatz aus dem Staubecken in das Wildbachgerinne vorzunehmen sei. In einem Aktenvermerk des Amtes der NÖ Landesregierung vom 8. 8. 1952 sei festgehalten worden, dass anlässlich der Erteilung der Bewilligung an den Wasserrechtsinhaber die Belange der Fischerei überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. Im Jahr 1952 habe der Fischereiausschuss die Abänderung des Bewilligungsbescheides mit der Begründung beantragt, dass "durch unsachgemäße Umleitung und durch grobe Fahrlässigkeit bei der Umleitung der Piesting in den Umlaufgraben der Wasserlauf der Piesting durch einige Stunden entzogen wird und dadurch eine Strecke von 19 km trocken gelegt wird; dies war des Öfteren der Fall und wurde dadurch die Fischerei auf das Schwerste geschädigt". Nach einer daraufhin durchgeführten Verhandlung sei entsprechend den Ausführungen des technischen Amtssachverständigen die Betriebsbewilligung mit Bescheid vom 28. 12. 1954 gemäß § 68 Abs 3 AVG dahin ergänzt worden, dass Punkt 8 der Bewilligungsbedingungen folgenden Zusatz erhalte:

"Bei Umleitung des Betriebswassers in die Piesting ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Kontinuität des Wasserablaufs nicht unterbrochen wird, zu welchem Zweck besonders im Fall einer Wasserteilung zwischen Druckrohr und Wildbachbettgerinne, bei geringem Wasserlauf (zwischen 1 und 2 m3) tunlichst ein allmählicher Wasserzusatz aus dem Staubecken in das Wildbachgerinne, das ist das Hauptgerinne der Piesting, vorzunehmen ist. Wenn aber bei einer Wasserführung unter 1 m3 pro Sekunde aus irgendwelchen Gründen eine Umleitung notwendig werden sollte (etwa zur Verhinderung von Schneeverwehungen, zwecks Eisabfuhr etc) und wenn eine Wasserteilung zwischen Druckrohr und Wildbachgerinne nicht mehr möglich ist, so hat die verantwortliche Betriebsleitung den Fischereirevierausschuss zu verständigen. Diese Verständigung hat sofort bei Wahrnehmung der Notwendigkeit der Umleitung zu erfolgen. Die Unterbrechung der Kontinuität der Wasserführung im Piestinghauptgerinne fällt in diesem Ausnahmsfall dem Wasserberechtigten bzw seinem Vertreter nicht zur Last."

Werde der Druckstollen stufenlos und rasch abgesperrt, so fülle sich das Flussbett der Piesting und schwämmen Fische aus dem oberhalb der Wehranlage befindlichen Revier in das Flussbett. Da das Flussbett der Piesting, das in diesem Fall als Umleitungsstrecke diene, erheblich länger sei als der Druckstollen und der Werkskanal, führe dies dazu, dass das Wasser im Umleitungsgerinne nach Entleerung des Druckstollens noch nicht bis zur Einleitungsstelle des Werksbaches in das Flussbett der Piesting gelangt sei, wodurch in dem Bereich darunter, dem Revier FA I/7, das Flussbett zunächst trocken falle, bis das Wasser über das Umleitungsgerinne nachkomme. Wenn das Flussbett trocken falle, gingen die darin befindlichen Fische und Fischnährtiere zugrunde. Sobald die Wehranlage wieder geschlossen werde, fließe das Wasser wieder durch den Druckstollen und den Werksbach. Das Umleitungsgerinne falle wieder trocken. Auch in diesem Fall gingen die darin befindlichen Fische und Fischnährtiere zugrunde. Zur Verhinderung des Fischsterbens führe die Klägerin in diesen Fällen Ausfischungen durch, wobei aber nicht alle Fische gefangen werden könnten.

Nehme der Druckstollen bei hoher Wasserführung der Piesting nicht das gesamte Wasser auf, so gelange ein Teil des Wassers samt Fischen über das Wehr in die Umleitungsstrecke (altes Flussbett der Piesting). Wenn sich die Umleitungsstrecke mit Wasser gefüllt habe, zögen auch Fische aus dem darunterliegenden Revier FA I/7 in das sonst trockene Flussbett. Sobald die Wasserführung zurückgehe und kein Wasser mehr über die Wehranlage gelange, falle das Umleitungsgerinne neuerlich trocken und seien Ausfischungen erforderlich, um den Schaden am Fischbestand sowie an den Fischnährtieren gering zu halten. Die gleichen Folgen träten ein, wenn das alte Flussbett der Piesting nicht wegen hoher Wasserführung, sondern deshalb mit Wasser gefüllt werde, weil die beklagte Partei das anströmende Wasser nicht durch den Druckstollen dem Kraftwerk zuleite. Zu einer derartigen Ableitung des Wassers in das alte Flussbett sei es am 17. 6. 1995 anlässlich von Wartungs- und Reparaturarbeiten an der Kraftwerksanlage gekommen. In weiteren neun Fällen sei das Flussbett im Zeitraum vom 12. 12. 1992 bis 14. 7. 1995 auf Grund von Hochwasser mit Wasser dotiert worden. Die klagende Partei habe daher insgesamt 10-mal Ausfischungen im alten Flussbett durchgeführt, um weitere Schäden durch das anschließende Trockenfallen zu verhindern.

Am 6. 6. 1995 sei der Druckstollen wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten an der Kraftwerksanlage entleert worden, wodurch auch die Ableitungsstrecke, also der Werkskanal zwischen dem Kraftwerk und dem natürlichen Flussbett, trocken gefallen sei. Auch in diesem Fall habe die klagende Partei eine Ausfischung der Ausmündung des Druckstollens vorgenommen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, bei Bewilligung des Kraftwerks S***** sei nicht mit Schäden für die Fischerei gerechnet worden; für die späteren wasserrechtlichen Verfahren habe nicht festgestellt werden können, ob die Wasserrechtsbehörde mit derartigen Schäden gerechnet habe. Die Klägerin habe daher das Tatbestandsmerkmal der unrichtigen Prognose bei Bewilligung des Wasserkraftwerks beweisen können, weshalb dieses Tatbestandsmerkmal des § 26 Abs 2 WRG erfüllt sei. Für die durch das Wasserkraftwerk S***** verursachten Schäden bestehe der Klageanspruch daher dem Grunde nach zu Recht.

Beim Wasserkraftwerk B***** habe die Behörde durch die Abänderung des Bewilligungsbescheids hingegen Fischereiinteressen berücksichtigt. Sie habe damit gerechnet, dass durch Unterbrechung der Kontinuität des Wasserablaufs im Flussbett der Piesting Schäden für die Fischerei entstehen und den Punkt 8. der Bewilligungsbedingungen entsprechend ergänzt. Eine unrichtige Prognose sei insoweit nicht gegeben, weshalb ein Anspruch der klagenden Partei für die Ausfischungen der Umleitungsstrecke nicht gegeben sei. Ein solcher bestehe hingegen im Hinblick auf die Ausfischung "des Druckstollens" (richtig: der Ausmündung des Druckstollens), weil sich der ergänzende Bescheid vom 28. 12. 1954 nur auf die Wasserführung des Umlaufgerinnes beziehe. Mit einem Schaden im Bereich des Druckstollens habe die Wasserrechtsbehörde nicht gerechnet.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Bei der Bewilligung des Kraftwerks S***** sei nicht mit Schäden für die Fischerei gerechnet worden. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid sei offenbar nicht geändert worden. Damit sei die Klägerin ihrer Beweispflicht nachgekommen.

Bei der Bewilligung des Kraftwerks B***** sei hingegen ganz generell - ohne ein bestimmtes Schadensbild im Auge zu haben - auf die Interessen der Fischerei Rücksicht genommen worden, wobei auch offenkundig erkannt worden sei, dass mit Schäden der Fischereiberechtigten zu rechnen sei. Dies beziehe sich jedoch nicht auf den Druckstollen, da die Änderung des Bewilligungsbescheids diesen nicht betreffe.

Die Revision sei zulässig, weil im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung Judikatur zum besonderen Problem, dass zwar für den Zeitpunkt der Bewilligung, nicht aber für einen späteren Zeitpunkt feststellbar sei, ob die Behörde mit Schäden gerechnet habe, nicht vorliege.

Die Revision der klagenden Partei ist schon deshalb zulässig, weil die Vorinstanzen nicht darauf Bedacht genommen haben, dass die Wasserrechtsbehörde bei der Änderung des Bewilligungsbescheides für das Kraftwerk B***** andere Schäden als die nunmehr eingetretenen im Auge hatte. Sie ist auch berechtigt. Die Zulässigkeit der Revision der beklagten Partei ergibt sich aus dem Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Beweislast bei späteren (bewilligten) Änderungen einer Wasserbenutzungsanlage; berechtigt ist sie indessen nicht.

Rechtliche Beurteilung

A. Zu beiden Revisionen:

Bereits in dem in diesem Verfahren gefassten Aufhebungsbeschluss vom 27. 2. 2001 (1 Ob 278/00i) hat der erkennende Senat zu § 26 Abs 2 WRG und den damit zusammenhängenden Beweislastfragen Stellung genommen, sodass insoweit auf diese Entscheidung verwiesen werden kann. Hervorzuheben ist daraus, dass die im § 26 Abs 2 WRG für maßgeblich erklärte Frage, ob bei Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung mit dem Eintritt bestimmter nachteiligen Wirkungen gerechnet worden sei, eine Tatfrage ist, die in erster Linie aus dem Spruch des Bewilligungsbescheids in Verbindung mit den bewilligten Projektunterlagen, subsidiär aus dessen Begründung und letztlich aus den Verhandlungsprotokollen zu beantworten ist. Kann daraus keine eindeutige (positive oder negative) Feststellung getroffen werden, so ist davon auszugehen, dass die Behörde mit dem Eintritt eines solchen Schadens nicht gerechnet hat, sofern im Zusammenhang mit der wasserrechtlichen Bewilligung ein Bescheid über die Einräumung von Zwangsrechten und die Entschädigung für diese nicht erlassen wurde (so auch SZ 55/66, 66/177). Die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Wasserrechtsbehörde mit nachteiligen Wirkungen gerechnet hat, ist niemals abstrakt, sondern stets konkret im Hinblick auf die betroffenen Geschädigten - bzw einen in Betracht kommenden bestimmten Schadensverlauf - zu beantworten. Dass Fischereiberechtigte im wasserrechtsbehördlichen Verfahren keine Einwendungen erhoben bzw keine Maßnahmen zum Schutz der Fischerei begehrten, nimmt ihnen nicht das Recht, bei dennoch aufgetretenen Schäden unter Berufung auf § 26 Abs 2 WRG deren Ersatz zu begehren (so auch 1 Ob 16/87, SZ 66/177 ua). Durch den "rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage" verursachte Schäden, mit denen die Behörde anlässlich der wasserrechtlichen Bewilligung nicht gerechnet hat, sind dem Fischereiberechtigten bzw dem Fischereiausübungsberechtigten zu ersetzen.

Soweit sich die beklagte Partei im Revisionsverfahren ganz allgemein auf ihren Verjährungseinwand beruft, ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die erhobenen Klageforderungen verjährt sein sollten, hat die beklagte Partei doch im Verfahren erster Instanz lediglich erklärt, die Verjährung einzuwenden, soweit ein neuer Rechtsgrund geltend gemacht werde (Band I AS 179).

Ähnliches gilt für den Einwand des Vorteilsausgleichs, auf den sich die beklagte Partei im Revisionsverfahren beruft. Darauf sind die Vorinstanzen schon deshalb zu Recht nicht eingegangen, weil die beklagte Partei den der klagenden Partei angeblich erwachsenen Vorteil in keiner Weise beziffert hat; es ist auch nicht ersichtlich, auf welches der beiden Kraftwerke sich die Behauptung eines entstandenen Vorteils beziehen soll (vgl Band I AS 59).Ähnliches gilt für den Einwand des Vorteilsausgleichs, auf den sich die beklagte Partei im Revisionsverfahren beruft. Darauf sind die Vorinstanzen schon deshalb zu Recht nicht eingegangen, weil die beklagte Partei den der klagenden Partei angeblich erwachsenen Vorteil in keiner Weise beziffert hat; es ist auch nicht ersichtlich, auf welches der beiden Kraftwerke sich die Behauptung eines entstandenen Vorteils beziehen soll vergleiche Band I AS 59).

B. Zur Revision der klagenden Partei:

Zutreffend verweist die klagende Partei darauf, dass die Wasserrechtsbehörde im Zusammenhang mit der Ergänzung des Bewilligungsbescheids für das Kraftwerk B***** im Jahr 1954 ein ganz besonderes Schadensbild im Auge hatte. Bereits aus den der Bescheidergänzung vorangegangenen Anträgen und Verhandlungsinhalten ergibt sich nämlich, dass lediglich an Schäden gedacht war, die - bei einer Absperrung des Druckstollens und einer (ausnahmsweisen) Ableitung des Wassers durch das alte Flussbett - unterhalb des Werkskanals im (sonst ständig wasserführenden) Flussbett der Piesting eintreten können: Das Trockenfallen dieses Flussabschnitts, das vom Fischereiausschuss Wiener Neustadt im Jahr 1952 auf einer "Strecke von 19 km" beklagt wurde, war darauf zurückzuführen, dass die Trockenlegung des Druckstollens (einschließlich des daran anschließenden Werkskanals) auch den Abfluss des Wassers im Flussbett unterhalb der Einmündung des Werkskanals zur Folge hat, und dass es längere Zeit dauert, bis über das (erheblich längere und widerstandsreichere) sonst trockene alte Flussbett wieder ausreichend Wasser nachfließt. Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch nicht um derartige (im nunmehrigen Fischereirevier FA I/7 eintretende) Schäden, sondern um solche im darüberliegenden Revier FA I/6, also im sonst trockenen alten Flussbett.

Auch wenn gewiss schon zum Zeitpunkt der Bewilligung damit hätte gerechnet werden können, dass sich das sonst in diesem Bereich trockene Flussbett bei Hochwasser bzw (ausnahmsweisem) Absperren der Wasserzuleitung zum Kraftwerk mit Wasser füllen und dieses von Fischen (und Fischnährtieren) besiedelt werden könnte, kommt es darauf entgegen der Auffassung der beklagten Partei nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Wasserrechtsbehörde mit derartigen Vorkommnissen - einschließlich der Schädigung des Fischbestands bei anschließendem Trockenfallen - in der Tat gerechnet hat. Da Solches nicht positiv festgestellt werden konnte, und auch aus den maßgeblichen behördlichen Verfügungen kein Anhaltspunkt für eine derartige Erwartung zu entnehmen ist, ist im Sinne der zitierten Judikatur (SZ 66/177, 1 Ob 278/00i) davon auszugehen, dass mit derartigen Schäden eben nicht gerechnet wurde. Es erscheint auch keineswegs ganz unwahrscheinlich, dass die Behörde mit einem mengenmäßig ins Gewicht fallenden Aufsteigen von Fischen in das nur für kurze Zeit mit Wasser gefüllte Flussbett nicht gerechnet hat.

Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs 2 WRG erfüllt. Die Aktivlegitimation der klagenden Partei wird von der beklagten Partei - zu Recht - nicht in Zweifel gezogen.

Soweit sich die beklagte Partei darauf beruft, dass den Fischereiausübungberechtigten bzw den Fischereiberechtigten im Zusammenhang mit der Errichtung der Wasserkraftanlage B***** eine Naturalentschädigung in Form der Erweiterung des Fischereirechts an jenen Fließstrecken, die durch die Errichtung der Wasserkraftanlage neu geschaffen wurden, eingeräumt worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich dabei nur um einen Ausgleich für den Entfall der Möglichkeit, in dem während des Großteils des Jahres trockenen Flussbett zu fischen, handeln kann, wogegen es hier um Schäden geht, die darin bestehen, dass Fische (und Fischnährtiere) aus dem darunterliegenden - zum Teil auch aus dem darüberliegenden - Wasserlauf in das sonst trockene Flussbett gelangen und dort verenden bzw ohne entsprechende Gegenmaßnahmen verenden würden.

In Stattgebung der Revision der klagenden Partei ist daher durch Zwischenurteil auszusprechen, dass die Klageforderung (auch) in Ansehung der im Revier FA I/6 eingetretenen Schäden durch den Verlust von Fischen und Fischnährtieren sowie die Aufwendungen für das Abfischen zur Verhinderung größerer Verluste dem Grunde nach zu Recht besteht.

C. Zur Revision der beklagten Partei:

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Obersten Gerichtshof geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Soweit die beklagte Partei die Rechtsauffassung der Vorinstanzen bekämpft, sie habe die der klagenden Partei im Bereich der Einmündung des Druckstollens des Kraftwerks B***** in den daran anschließenden Werkskanal entstandenen Schäden zu ersetzen, ist sie auf die Ausführungen zur Revision der klagenden Partei zu verweisen. Die Ergänzung des Bewilligungsbescheids bezweckte die Verhinderung von Schäden infolge Trockenfallens des Flussbetts der Piesting unterhalb der Einmündung des Werkskanals. Dafür, dass mit Nachteilen im Werkskanal selbst - etwa infolge der Gefährdung in diesen Bereich gewanderter Fische - gerechnet wurde, finden sich keine Anhaltspunkte. Der Wortlaut der (ergänzten) Bewilligungsbedingung stellt ausdrücklich nur auf die Kontinuität der Wasserführung "im Piestinghauptgerinne" ab. Sollte sich die Auflage hingegen auch auf die Dotierung des unterhalb des Druckstollens liegenden Werkskanals beziehen, so wäre der beklagten Partei sogar schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten anzulasten.

Im Zusammenhang mit den beiden Schadensfällen infolge zeitweiliger Trockenlegung des Werksbachs beim Kraftwerk S***** wirft die beklagte Partei die Frage nach der Beweislastverteilung in Fällen auf, in denen nach der ursprünglichen Wasserrechtsbewilligung mehrere Änderungsbewilligungen bei Umbaumaßnahmen erfolgt sind. Auch der erkennende Senat ist der Ansicht, dass es nicht allein auf die Prognose der Wasserrechtsbehörde anlässlich der ursprünglichen Bewilligung ankommen kann, wenn in der Folge Änderungen bewilligt werden, die neue bzw zusätzliche Gefahren - etwa für den Fischbestand - mit sich bringen. Derartiges hat die beklagte Partei jedoch im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Auch das Verfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass erst spätere Umbaumaßnahmen - die von der beklagten Partei gar nicht konkretisiert wurden - eine geänderte Prognose im Hinblick auf die nunmehr eingetretenen Schäden zur Folge gehabt haben könnten. Daran, dass Fische (und Fischnährtiere) in den Werksbach gelangen konnten und diese bei einem Trockenfallen gefährdet sind, hat sich im Laufe der Zeit offenbar nichts geändert. Wurde bei Erteilung der ursprünglichen wasserrechtlichen Bewilligung an solche Schäden nicht gedacht, so besteht kein Grund zur Annahme, dass dasselbe Risiko der Behörde später bewusst geworden wäre. Ist nun aber - auch für die behaupteten späteren Bewilligungen von Umbaumaßnahmen - nicht zu klären, ob mit bestimmten Schäden (für die Fischerei) gerechnet wurde, so kann der Kraftwerksbetreiber daraus keine für ihn günstigen Rechtsfolgen ableiten. Er hätte vielmehr behaupten (und beweisen) müssen, dass in den späteren Bewilligungen zur Verhinderung absehbarer Schäden Auflagen erteilt oder Entschädigungen vorgesehen wurden. Wurde hingegen - wie hier - bei der ursprünglichen wasserrechtlichen Bewilligung der Kraftwerksanlage mit einem (derartigen) Schadenseintritt nicht gerechnet, und ist nicht feststellbar, ob anlässlich späterer Abänderungen Auflagen erteilt oder Entschädigungen vorgesehen wurden, so ist auch für die späteren Zeitpunkte zu unterstellen, dass die für einen Schadenersatzanspruch nach § 26 Abs 2 WRG geforderte negative Prognose nicht angestellt wurde.

Der beklagten Partei ist schließlich auch in deren Auffassung nicht zu folgen, die Feststellung der Vorinstanzen, dass im seinerzeitigen Bewilligungsbescheid auf die Interessen der Fischerei, "insbesondere ob durch den Betrieb des Wasserkraftwerks mit Schäden für die Fischerei zu rechnen ist", nicht Bedacht genommen worden sei, könne nicht mit der Prognose bzw unrichtigen Prognose im Sinn des § 26 Abs 2 WRG über künftige nachteilige Auswirkungen gleichgesetzt werden. Wie bereits eingangs dargestellt wurde, ist mangels gegenteiliger Feststellungen den rechtlichen Erwägungen die Annahme zu Grunde zu legen, dass die Behörde mit dem Eintritt derartiger Schäden nicht gerechnet hat, sofern ein Wasserbenutzungsrecht bewilligt, aber ein Bescheid über die Einräumung von Zwangsrechten und die Entschädigung nicht erlassen worden ist. Im Hinblick auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid liegt gerade ein solcher Fall vor.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 2 ZPO.

Textnummer

E68350

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00203.02P.0128.000

Im RIS seit

27.02.2003

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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