TE OGH 2003/2/24 1Ob295/02t

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Veröffentlicht am 24.02.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald T*****, vertreten durch Mag. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Stadt Wien, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen 7.994,01 EUR und Feststellung (Streitwert 1.453,46 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Juli 2002, GZ 34 R 139/02x-49, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. Dezember 2001, GZ 25 C 973/01b-41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Zahlung von 110.000 S und auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei ab. Dagegen erhob der Kläger Berufung, und die beklagte Partei erstattete eine Berufungsbeantwortung. In ihrem vom Berufungsgericht gemäß § 473a ZPO freigestellten und entsprechend dieser Freistellung erstatteten Schriftsatz stellte die beklagte Partei ausdrücklich den Antrag, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen. Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung dahin ab, dass es dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens - stattgab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die beklagte Partei beantragte gemäß § 508 Abs 1 ZPO die Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs dahin, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde, und führte die ordentliche Revision aus. Unter anderem machte sie als Nichtigkeitsgrund geltend, dass das Gericht zweiter Instanz trotz ausdrücklichen Antrags der beklagten Partei keine Berufungsverhandlung abgehalten, sondern in nichtöffentlicher Sitzung entschieden habe.Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Zahlung von 110.000 S und auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei ab. Dagegen erhob der Kläger Berufung, und die beklagte Partei erstattete eine Berufungsbeantwortung. In ihrem vom Berufungsgericht gemäß Paragraph 473 a, ZPO freigestellten und entsprechend dieser Freistellung erstatteten Schriftsatz stellte die beklagte Partei ausdrücklich den Antrag, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen. Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung dahin ab, dass es dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens - stattgab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die beklagte Partei beantragte gemäß Paragraph 508, Absatz eins, ZPO die Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs dahin, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde, und führte die ordentliche Revision aus. Unter anderem machte sie als Nichtigkeitsgrund geltend, dass das Gericht zweiter Instanz trotz ausdrücklichen Antrags der beklagten Partei keine Berufungsverhandlung abgehalten, sondern in nichtöffentlicher Sitzung entschieden habe.

Das Berufungsgericht änderte hierauf den gerügten Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es den ausdrücklich und rechtzeitig gestellten Antrag der beklagten Partei auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung übersehen habe. Der Kläger verwies in seiner Revisionsbeantwortung darauf, dass der Antrag der beklagten Partei auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung in keiner Weise begründet gewesen und daher das rechtliche Gehör nicht verletzt worden sei.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Urteil des Berufungsgerichts mit Nichtigkeit behaftet ist (7 Ob 131/00s mwN); das Gericht zweiter Instanz hat in rechtlich unvertretbarer Vorgangsweise ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung entschieden; eine solche Vorgangsweise ist im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit jedenfalls zu korrigieren (SZ 70/260). Die beklagte Partei hat eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Berufung des Klägers in ihrem nach § 473a ZPO erstatteten Schriftsatz ausdrücklich beantragt. Das Berufungsgericht hat, obwohl die Voraussetzungen des § 501 ZPO nicht vorliegen, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden und damit den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht (7 Ob 131/00s; RZ 1990/18; Kodek in Rechberger ZPO² Rz 7 zu § 477 ua). Entgegen der Ansicht des Klägers erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts selbst dann als nichtig, wenn der Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung nicht weiter begründet ist und die Feststellungen des Erstgerichts unbekämpft bleiben (vgl 7 Ob 131/00s mwN).Die Revision ist zulässig, weil das Urteil des Berufungsgerichts mit Nichtigkeit behaftet ist (7 Ob 131/00s mwN); das Gericht zweiter Instanz hat in rechtlich unvertretbarer Vorgangsweise ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung entschieden; eine solche Vorgangsweise ist im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit jedenfalls zu korrigieren (SZ 70/260). Die beklagte Partei hat eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Berufung des Klägers in ihrem nach Paragraph 473 a, ZPO erstatteten Schriftsatz ausdrücklich beantragt. Das Berufungsgericht hat, obwohl die Voraussetzungen des Paragraph 501, ZPO nicht vorliegen, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden und damit den Nichtigkeitsgrund des Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 4, ZPO verwirklicht (7 Ob 131/00s; RZ 1990/18; Kodek in Rechberger ZPO² Rz 7 zu Paragraph 477, ua). Entgegen der Ansicht des Klägers erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts selbst dann als nichtig, wenn der Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung nicht weiter begründet ist und die Feststellungen des Erstgerichts unbekämpft bleiben vergleiche 7 Ob 131/00s mwN).

In Stattgebung der Revision ist daher das Urteil des Gerichts zweiter Instanz als nichtig aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO. Da nur die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne ein vorausgegangenes Verfahren aufgehoben wurde, findet § 51 ZPO nicht Anwendung (7 Ob 131/00s; 2 Ob 78/97b; MietSlg 50.709; M. Bydlinski in Fasching II/1² Rz 2 zu § 51 ZPO mwN).Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, ZPO. Da nur die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne ein vorausgegangenes Verfahren aufgehoben wurde, findet Paragraph 51, ZPO nicht Anwendung (7 Ob 131/00s; 2 Ob 78/97b; MietSlg 50.709; M. Bydlinski in Fasching II/1² Rz 2 zu Paragraph 51, ZPO mwN).

Anmerkung

E68643 1Ob295.02t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00295.02T.0224.000

Dokumentnummer

JJT_20030224_OGH0002_0010OB00295_02T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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