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L82000 Bauordnung;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des B M in W, vertreten durch DDr. Christian C. Schwaighofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 9. Jänner 2006, Zl. uvs- 2005/16/2649-6, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung 2001 (weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 10. Mai 1995 wurde dem Beschwerdeführer der Abbruch des alten Stalles und Stadels und der Zu- und Umbau von Wohnräumen und landwirtschaftlichen Lagerräumen auf einem näher bezeichneten Grundstück bewilligt.
Bei einem Lokalaugenschein im Jahre 2000 stellte die Baubehörde fest, dass - abweichend von dem dem Baubewilligungsbescheid zu Grunde gelegenen Einreichplan - an der Ostseite des Gebäudes zum Nachbargrundstück an Stelle eines Walmdaches ein Giebeldach errichtet worden war.
In der Folge wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 die weitere Ausführung des Bauvorhabens gemäß § 33 Abs. 5 TBO 1998 untersagt und ihm aufgetragen, die entsprechenden Planunterlagen zur Genehmigung der geänderten Ausführung beizubringen. Mangels Vorlage eines Bauansuchens wurde ihm mit weiterem Bescheid vom 23. Februar 2001 gemäß § 37 Abs. 1 TBO die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, also der Abbruch des Giebeldaches, aufgetragen.
In der Folge reichte der Beschwerdeführer Tekturpläne zum Umbau seines Wohnhauses ein, die u.a. eine Süd-, West- und Nordansicht des nicht bewilligten Umbaues samt Giebeldach enthielten.
Der Bürgermeister der Gemeinde W bewilligte mit Bescheid vom 17. August 2001 den gegenüber dem Baubescheid vom 10. Mai 1995 abgeänderten Umbau und sprach gleichzeitig aus, dass durch die Änderung der Dachform des am öffentlichen Gut liegenden Bauteils die Wandhöhe des Altbestandes nicht überschritten werden dürfe. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Gemeindevorstand der Gemeinde W letztlich mit Bescheid vom 21. Juni 2004 keine Folge, bestätigte den angefochtenen Bescheid und schrieb gleichzeitig folgende Auflage vor:
"Das in Frage stehende Giebeldach ist zwischen Dachgrat und der waagrechten Trauflinie vom Punkt Kote 884,22 laut Einreichplan/Ostansicht/eingelangt im Gemeindeamt W am 24.09.2002, abzuwalmen, damit den geltenden Vorschriften der Tiroler Bauordnung entsprochen wird."
Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 als unbegründet ab.
Mit Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 28. Juli 2005 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 55 Abs. 1 lit. m iVm § 37 Abs. 1 TBO 2001 begangen zu haben. Ihm sei mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde W gemäß § 37 Abs. 1 TBO 2001 aufgetragen worden, das in Frage stehende Giebeldach zwischen Dachgrat und der waagrechten Trauflinie vom Punkt Kote 884,22 laut Einreichplan/Ostansicht, eingelangt im Gemeindeamt W am 24. September 2002 abzuwalmen, damit den geltenden Vorschriften der Tiroler Bauordnung entsprochen werde. Eine Anfrage bei der Gemeinde W habe ergeben, dass diesem Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes bis dato nicht Folge geleistet worden sei. Der Beschwerdeführer werde aufgefordert, sich diesbezüglich schriftlich oder mündlich näher zu rechtfertigen (wird näher ausgeführt).
In der Niederschrift über seine Vernehmung als Beschuldigter vom 7. September 2005 gab der Beschwerdeführer an, er werde nichts abwalmen, weil er zu Recht so gebaut habe, wie es der gegenwärtige Bauzustand sei. Er habe zwar abweichend von seinem ursprünglich eingereichten Plan gebaut, aber nicht abweichend von ursprünglichem Baubescheid.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft I vom 21. September 2005 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung gemäß § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001 (Spruchpunkt 1.) bzw. § 55 Abs. 1 lit. m TBO 2001 (Spruchpunkt 2.) schuldig erkannt, weil er als Eigentümer des Grundstückes Nr. xxxx Grundbuch W zumindest vom 23. Dezember 2000 bis 21. September 2005 eine von der Baubewilligung abweichende bauliche Anlage errichtet (Spruchpunkt 1.) und zumindest vom 24. Juni 2004 bis 21. September 2005 demgemäß § 37 Abs. 1 TBO erteilten Auftrag, das Giebeldach zwischen Dachgrat und der waagrechten Trauflinie vom Punkt Kote 884,22 laut Einreichplan/Ostansicht, eingelangt im Gemeindeamt W am 24. September 2002, abzuwalmen keine Folge geleistet habe (Spruchpunkt 2.). Über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von jeweils EUR 500,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von jeweils drei Tagen, zuzüglich Kostenersatz verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Jänner 2006 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Tathandlung zu Spruchpunkt 1. Folge, behob das Straferkenntnis in diesem Umfang und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein. Hinsichtlich der Tathandlung zu Spruchpunkt 2. wurde die Berufung hingegen als unbegründet abgewiesen und der Spruch durch die Anführung des Bescheides des Gemeindevorstandes der Gemeinde W vom 21. Juni 2004 zur Präzisierung des gemäß § 37 Abs. 1 TBO erteilten Auftrages abgeändert. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Übertretung nach § 55 Abs. 1 lit. h TBO gesetzt. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, es ergebe sich eindeutig, dass der Auftrag der Gemeinde W vom 21. Juni 2004, das in Frage stehende Giebeldach (näher umschrieben) abzuwalmen, in Rechtskraft erwachsen sei und dass dieser Auftrag bis dato vom Beschwerdeführer nicht eingehalten worden sei. Hinsichtlich der Tathandlung zu Spruchpunkt 1. sei die Tatzeit falsch wiedergegeben worden. Im Gegensatz zur Meinung der Erstbehörde liege kein Dauerdelikt, sondern ein Begehungsdelikt vor, für das die allgemeine Strafbarkeitsverjährungsfrist von drei Jahren gelte. Diesbezüglich sei Verjährung eingetreten und das Verfahren sei einzustellen. Hinsichtlich des Deliktes zu Spruchpunkt 2. sei jedoch keine Verjährung eingetreten. Es liege eine Übertretung nach § 55 Abs. 1 lit. h TBO vor, weil der entsprechende Auftrag rechtskräftig ergangen und vom Beschwerdeführer nicht befolgt worden sei. Als Verschuldensgrad sei Fahrlässigkeit anzunehmen, weil seit der Entscheidung der Vorstellungsbehörde eindeutig klar gewesen sei, dass diesem Auftrag Folge zu leisten sei. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sei schwer wiegend, weil der behördliche Auftrag der Herstellung des gesetzlichen Abstandes diene. Mildernd sei die Unbescholtenheit, die Geldstrafe erscheine in Anbetracht der vom Beschwerdeführer geschilderten Einkommensverhältnisse angemessen. Hinsichtlich Spruchpunkt 2. sei zu "präzisieren" gewesen, dass eine Übertretung nach § 55 Abs. 1 lit. h TBO vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt vor, der behördliche Auftrag vom 21. Juni 2004 zur Abwalmung sei kein der Rechtskraft fähiger Spruchteil. Es sei vielmehr von der Baubewilligung vom 17. August 2001 auszugehen, mit der die Ausführung des in Rede stehenden Giebeldaches ohne weitere Einschränkung bewilligt worden sei. Es bestehe keine rechtliche Grundlage, die verlangte Abwalmung vorzunehmen. Im Übrigen habe die belangte Behörde die übertretene Norm nicht bloß "präzisiert", sondern in Wahrheit die Tathandlung - unzulässig - ausgetauscht.
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 89/2003 anzuwenden.
§ 55 Abs. 1 lautet (auszugsweise):
"(1) Wer
...
b) als Inhaber der Baubewilligung in der Baubewilligung oder in Bescheiden nach § 26 Abs. 9 vorgeschriebene Auflagen nicht erfüllt, ...
h) einem Auftrag, mit dem ihm nach § 33 Abs. 1 bis 6, gegebenenfalls iVm § 44 Abs. 6 oder § 47 Abs. 4, die weitere Bauausführung untersagt oder die Beseitigung eines Bauvorhabens oder die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen wird, nicht nachkommt,
...
m) einem Auftrag, mit dem ihm nach § 37 Abs. 1, 2 oder 3 die Beseitigung einer baulichen Anlage oder die Herstellung des der Baubewilligung oder der Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufgetragen wird, nicht nachkommt,
...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit ... mit Geldstrafe bis zu 36.300 Euro zu bestrafen."
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht wurde die Verbindlichkeit projektändernder Auflagen vom Verwaltungsgerichtshof bereits bejaht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. April 2006, Zl. 2006/06/0038). Der unstrittig rechtskräftige Bescheid vom 21. Juni 2004, enthält eine solche projektändernde Auflage. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde handelt es sich hier nicht um einen baupolizeilichen Auftrag.
Dadurch, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Übertretung des § 55 Abs. 1 lit. h TBO 2001 zur Last gelegt hat, hat sie die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 17. April 2007
Schlagworte
Auflagen BauRallg7 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Besondere Rechtsgebiete Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006060065.X00Im RIS seit
17.05.2007