Index
E3R E19103000;Norm
32003R0343 Dublin-II Art3 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/19/0438 2006/19/0439 2006/19/0440Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerden des Bundesministers für Inneres gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenats vom 15. November 2005, Zlen. 264.150/0-XIV/08/05 (1.), 264.154/0-XIV/08/05 (2.), 264.152/0-XIV/08/05 (3.) und 264.151/0-XIV/08/05 (4.), betreffend § 32a Abs. 1 Asylgesetz 1997 (mitbeteiligte Parteien: 1. A M, 2. B M, 3. I M, und 4. M M, alle in Schäffern, alle vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Mag. Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20 (insgesamt somit EUR 3.964,80) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligten, Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellten gemeinsam mit ihrer Ehefrau bzw. Mutter sowie ihrer minderjährigen Tochter bzw. Schwester am 23. Mai 2005 in Polen Asylanträge. Am 13. August 2005 reiste die gesamte Familie in das Bundesgebiet ein und brachte noch am selben Tag (weitere) Asylanträge ein. Mit Bescheiden vom 5. September 2005 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Mitbeteiligten - nach Konsultationen mit den zuständigen polnischen Behörden - gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück. Es stellte fest, für die Prüfung der Anträge sei gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c der "Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates" (im Folgenden: Dublin-Verordnung) Polen zuständig, und wies die Mitbeteiligten gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen aus.
Mit den nun angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen der Mitbeteiligten gemäß § 32a Abs. 1 AsylG statt, ließ die Asylanträge zu, behob die bekämpften Bescheide und verwies die Anträge zur Durchführung materieller Asylverfahren an das Bundesasylamt zurück. Begründend führte sie nach Zitierung der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, das Verfahren der Ehefrau bzw. Mutter der Mitbeteiligten sei mit Bescheid vom selben Tag zugelassen worden, da die Annahme gerechtfertigt sei, dass sie durch die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein könnte (§ 24b Abs. 1 AsylG). Im Hinblick auf § 10 AsylG (Familienverfahren) seien die Verfahren der Mitbeteiligten ebenfalls zuzulassen.
Dagegen richten sich die vorliegenden - zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde und Erstattung von Gegenschriften durch die Mitbeteiligten erwogen hat:
1. Die Amtsbeschwerden wenden sich gegen die Annahme der belangten Behörde, die Voraussetzungen für die Zulassung der Verfahren gemäß § 24b Abs. 1 AsylG (und damit für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung durch Österreich) seien im vorliegenden Fall gegeben. Begründet wird dies mit der Ansicht, die belangte Behörde hätte im Verfahren der Ehefrau bzw. Mutter der Mitbeteiligten nicht ohne ärztlichen Beleg vom Vorliegen "medizinisch belegbarer Tatsachen" im Sinne des § 24b Abs. 1 AsylG ausgehen und daher schon deren Verfahren nicht zulassen dürfen. Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/19/0442, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, auseinandergesetzt, und die Amtsbeschwerde betreffend die Ehefrau bzw. Mutter der Mitbeteiligten als unbegründet abgewiesen.
2. Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG sind die Verfahren von Familienangehörigen unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR 22. GP 10) heißt es dazu:
"Liegt die Familieneigenschaft in Bezug auf einen anderen Asylwerber vor, werden die Verfahren 'verbunden'. Zweck diese Vorschlages ist es, über die Anträge aller Familienangehörigen die gleiche Entscheidung zum gleichen Zeitpunkt zu erlassen."
Dies hat die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigt.
3. In Anbetracht der Abweisung der Amtsbeschwerde gegen den die Ehefrau bzw. Mutter der Mitbeteiligten betreffenden Bescheid und weil in den Beschwerden sonst keine Umstände aufgezeigt werden, die gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sprechen, waren sie ebenfalls gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 333.
Wien, am 17. April 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190437.X00Im RIS seit
24.05.2007