TE OGH 2003/3/13 2Ob34/03v

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Veröffentlicht am 13.03.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Univ. Prof. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rupert L*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die beklagte Partei Elisabeth L*****, vertreten durch Dr. Klaus Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen Ehescheidung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 15. Jänner 2003, GZ 21 R 401/02y-33, mit dem infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Peuerbach vom 27. November 2002, GZ C 1/00y-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger regte anlässlich der Durchführung eines von ihm beabsichtigten Scheidungsverfahrens am 8. 6. 1999 die Einleitung eines ihn betreffenden Sachwalterschaftsverfahrens an. Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 1. 12. 1999 (Sw 38/99g-14) wurde das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Kläger geprüft wurde, eingestellt, weil dieser trotz seiner psychischen Störung jene Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitze, um seine Angelegenheiten für sich selbst erledigen zu können. Der Kläger brachte am 30. 12. 1999 durch einen von ihm gewählten Rechtsanwalt die Klage auf Scheidung der Ehe wegen Verschuldens der Beklagten ein. Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, in eventu für den Fall der Scheidung der Ehe den Ausspruch des alleinigen bzw überwiegenden Verschuldens des Klägers.

Am 7. 11. 2000 trat Ruhen des Verfahrens ein.

Am 9. 10. 2002 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens; die Gemeinschaft sei seit mehr als drei Jahren aufgelöst, weshalb die Scheidung der Ehe nach § 55 EheG begehrt werde.Am 9. 10. 2002 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens; die Gemeinschaft sei seit mehr als drei Jahren aufgelöst, weshalb die Scheidung der Ehe nach Paragraph 55, EheG begehrt werde.

Die Beklagte trat dem Scheidungsbegehren nicht mehr entgegen, beantragte aber die Feststellung des überwiegenden bzw alleinigen Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19. 11. 2002, in welcher die Parteien mit ihren Rechtsanwälten anwesend waren, trat der Kläger schließlich nach zweimaliger Unterbrechung der Verhandlung und eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage dem Antrag der Beklagten, im Urteil auszusprechen, dass ihn das alleinige bzw überwiegende Verschulden an der Zerrüttung treffe, nicht entgegen und stellte außer Streit, dass ihn das alleinige bzw überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Der Erstrichter verkündete das Urteil auf Scheidung der Ehe der Streitteile nach § 55 EheG mit dem Ausspruch, dass der Kläger die Zerrüttung der Ehe (zumindest) überwiegend verschuldet habe. Beide Parteien verzichteten auf ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil.Die Beklagte trat dem Scheidungsbegehren nicht mehr entgegen, beantragte aber die Feststellung des überwiegenden bzw alleinigen Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19. 11. 2002, in welcher die Parteien mit ihren Rechtsanwälten anwesend waren, trat der Kläger schließlich nach zweimaliger Unterbrechung der Verhandlung und eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage dem Antrag der Beklagten, im Urteil auszusprechen, dass ihn das alleinige bzw überwiegende Verschulden an der Zerrüttung treffe, nicht entgegen und stellte außer Streit, dass ihn das alleinige bzw überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Der Erstrichter verkündete das Urteil auf Scheidung der Ehe der Streitteile nach Paragraph 55, EheG mit dem Ausspruch, dass der Kläger die Zerrüttung der Ehe (zumindest) überwiegend verschuldet habe. Beide Parteien verzichteten auf ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil.

Das Verhandlungsprotokoll wurde mit der Ausfertigung des Urteils dem Klagevertreter am 25. 11. 2002 zugestellt.

Am 26. 11. 2002 brachte der Kläger, weiterhin vertreten durch seinen Rechtsanwalt, eine mit 25. 11. 2002 datierte Berufungsanmeldung sowie einen Antrag auf Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens wegen Prozessunfähigkeit ein und meldete die Berufung an. Aus der Sicht des Klagevertreters bestünden Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers, weshalb ein Vorgehen im Sinne § 6 ZPO und eine Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens und des Urteils wegen Prozessunfähigkeit des Klägers angeregt werde.Am 26. 11. 2002 brachte der Kläger, weiterhin vertreten durch seinen Rechtsanwalt, eine mit 25. 11. 2002 datierte Berufungsanmeldung sowie einen Antrag auf Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens wegen Prozessunfähigkeit ein und meldete die Berufung an. Aus der Sicht des Klagevertreters bestünden Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers, weshalb ein Vorgehen im Sinne Paragraph 6, ZPO und eine Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens und des Urteils wegen Prozessunfähigkeit des Klägers angeregt werde.

Das Erstgericht hat den Antrag auf Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens wegen Prozessunfähigkeit abgewiesen und die Berufungsanmeldung wegen Verspätung zurückgewiesen. Das vom Kläger angerufene Rekursgericht wies in Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens bzw Aufhebung des Urteils zurück; im Übrigen bestätigte es die angefochtene Entscheidung. Infolge der kurzen Zeit, die zwischen der Begutachtung des Klägers im Sachwalterverfahren (September 1999) und der Einbringung der Scheidungsklage verstrichen sei, sei davon auszugehen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht an seinen Vertreter geschäftsfähig gewesen sei. Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung werde weder im Antrag auf Nichtigerklärung noch im Rekurs behauptet. Der Verlust der Geschäftsfähigkeit berühre den Bestand einer vorher erteilten Prozessvollmacht nicht. Die mangelnde Prozessfähigkeit hindere eine Partei nicht, durch einen vor dem Verlust der Handlungsfähigkeit gültig bestellten Vertreter vor Gericht zu verhandeln. Dies gelte selbst dann, wenn die Prozessunfähigkeit zwar nach Erteilung der Vollmacht, aber noch vor Einleitung des Rechtsstreites bzw Einschreiten des Bevollmächtigten eingetreten sei. Der Rechtsanwalt könne so lange wirksam einschreiten, bis ihm ein allfälliger einstweiliger Sachwalter die Vollmacht entziehe. Da der Kläger bei der Verkündung des Urteils und Abgabe des Rechtsmittelverzichtes anwaltlich vertreten gewesen sei, und zwar infolge einer Vollmachtserteilung zu einem Zeitpunkt, als er jedenfalls geschäftsfähig gewesen sei, sei das Urteil in Rechtskraft erwachsen. Selbst bei nicht wirksamer Vertretung des Klägers wären die gestellten Anträge unzulässig. In der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 6/01s sei ausgesprochen worden, dass die formelle Rechtskraft einer Entscheidung auch dann eintrete, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei nicht erkannt worden sei. Grundsätzlich könne eine Partei, die ihre Prozessunfähigkeit behaupte, mit dem ihr zu Gebote stehenden ordentlichen Rechtsmittel den Nichtigkeitsgrund geltend machen. Sei die Rechtsmittelfrist verstrichen und daher die formelle Rechtskraft eingetreten, könne sie spätestens vier Wochen nach der - keine Zulässigkeitsvoraussetzung bildenden - Zustellung an ihren gesetzlichen Vertreter durch diesen Nichtigkeitsklage aus dem Grund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO erheben. Der Partei stehe durch ihren gesetzlichen Vertreter nach eingetretener Rechtskraft die Nichtigkeitsklage offen.Das Erstgericht hat den Antrag auf Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens wegen Prozessunfähigkeit abgewiesen und die Berufungsanmeldung wegen Verspätung zurückgewiesen. Das vom Kläger angerufene Rekursgericht wies in Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens bzw Aufhebung des Urteils zurück; im Übrigen bestätigte es die angefochtene Entscheidung. Infolge der kurzen Zeit, die zwischen der Begutachtung des Klägers im Sachwalterverfahren (September 1999) und der Einbringung der Scheidungsklage verstrichen sei, sei davon auszugehen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht an seinen Vertreter geschäftsfähig gewesen sei. Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung werde weder im Antrag auf Nichtigerklärung noch im Rekurs behauptet. Der Verlust der Geschäftsfähigkeit berühre den Bestand einer vorher erteilten Prozessvollmacht nicht. Die mangelnde Prozessfähigkeit hindere eine Partei nicht, durch einen vor dem Verlust der Handlungsfähigkeit gültig bestellten Vertreter vor Gericht zu verhandeln. Dies gelte selbst dann, wenn die Prozessunfähigkeit zwar nach Erteilung der Vollmacht, aber noch vor Einleitung des Rechtsstreites bzw Einschreiten des Bevollmächtigten eingetreten sei. Der Rechtsanwalt könne so lange wirksam einschreiten, bis ihm ein allfälliger einstweiliger Sachwalter die Vollmacht entziehe. Da der Kläger bei der Verkündung des Urteils und Abgabe des Rechtsmittelverzichtes anwaltlich vertreten gewesen sei, und zwar infolge einer Vollmachtserteilung zu einem Zeitpunkt, als er jedenfalls geschäftsfähig gewesen sei, sei das Urteil in Rechtskraft erwachsen. Selbst bei nicht wirksamer Vertretung des Klägers wären die gestellten Anträge unzulässig. In der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 6/01s sei ausgesprochen worden, dass die formelle Rechtskraft einer Entscheidung auch dann eintrete, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei nicht erkannt worden sei. Grundsätzlich könne eine Partei, die ihre Prozessunfähigkeit behaupte, mit dem ihr zu Gebote stehenden ordentlichen Rechtsmittel den Nichtigkeitsgrund geltend machen. Sei die Rechtsmittelfrist verstrichen und daher die formelle Rechtskraft eingetreten, könne sie spätestens vier Wochen nach der - keine Zulässigkeitsvoraussetzung bildenden - Zustellung an ihren gesetzlichen Vertreter durch diesen Nichtigkeitsklage aus dem Grund des Paragraph 529, Absatz eins, Ziffer 2, ZPO erheben. Der Partei stehe durch ihren gesetzlichen Vertreter nach eingetretener Rechtskraft die Nichtigkeitsklage offen.

Wenn der Oberste Gerichtshof der Zustellung der Entscheidung auch an die prozessunfähige Partei die Wirkung zuerkenne, dass damit der Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt und nach deren Ablauf die Entscheidung formell rechtskräftig werde, so müsse dies auch für einen Rechtsmittelverzicht der prozessunfähigen Partei gelten und dieser als wirksam angesehen werden. Da ein Rechtsmittelverzicht, der nach Verkündung des Urteils, aber noch vor dessen Zustellung, abgegeben werde, grundsätzlich wirksam sei, sei im konkreten Fall bereits mit Abgabe des Rechtsmittelverzichtes unmittelbar nach Verkündung des Urteils dessen formelle Rechtskraft eingetreten. Dem Beklagten, sollte tatsächlich dessen Prozessunfähigkeit gegeben sein, stehe nur die Nichtigkeitsklage offen.

Die Berufungsanmeldung sei daher vom Erstgericht wegen Rechtskraft des Urteiles zu Recht zurückgewiesen worden; ein Antrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens nach formeller Rechtskraft des prozessbeendenden Urteiles sei der ZPO fremd, weshalb er nicht ab-, sondern zurückzuweisen war.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Entscheidung 1 Ob 6/01s nicht ausdrücklich auch den Rechtsmittelverzicht der prozessunfähigen Partei für wirksam erkläre bzw nicht ausspreche, dass auch durch einen solchen formelle Rechtskraft eintrete. Aktuelle Entscheidungen zur Frage, ob die nachträgliche Prozessunfähigkeit der Partei die zum Zeitpunkt der Prozessfähigkeit erteilte Vollmacht berühre oder nicht, seien nicht aufgefunden worden. Der Kläger macht in seinem ordentlichen Revisionsrekurs geltend, dass er nach Eintritt des Ruhens des Verfahrens im Oktober 2002 seinem Rechtsanwalt einen neuerlichen Auftrag zur Fortsetzung des Scheidungsverfahrens erteilt habe und er in diesem Zeitpunkt bereits prozessunfähig gewesen sei. Die Entscheidung 1 Ob 6/01s lasse sich nicht auf den Fall eines Rechtsmittelverzichtes der prozessunfähigen Partei anwenden.

Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung erlischt durch die nachträgliche Handlungsfähigkeit des Machtgebers nicht die erteilte Vollmacht (SZ 58/33; RIS-Justiz RS0019873; zuletzt 6 Ob 180/97g). Im vorliegenden Fall kann daher dahingestellt bleiben, ob der Kläger im Laufe des Verfahrens seine Prozess- und Handlungsfähigkeit verloren hat und den Auftrag zur Fortsetzung des Verfahrens an seinen Rechtsanwalt im Zustand mangelnder Prozessfähigkeit erteilt hat; jedenfalls wird mangelnde Prozessfähigkeit bei Einbringung der Scheidungsklage nicht behauptet.

Da daher der Kläger wirksam vertreten war, kann Nichtigkeit des

Verfahrens hier nicht vorliegen. Es erübrigt sich darauf einzugehen,

ob nach der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 6/01s (= JBl

2002, 320 = ecolex 2002, 247 = ÖJZ-LSK 2002/103) formelle Rechtskraft

auch bei Abgabe eines (wirksamen) Rechtsmittelverzichts eintritt.

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Zurückweisung der Berufungsanmeldung richtet, ist er nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0044238; EFSlg 91.068).Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Zurückweisung der Berufungsanmeldung richtet, ist er nach Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer 2, ZPO jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0044238; EFSlg 91.068).

Anmerkung

E68762 2Ob34.03v

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00034.03V.0313.000

Dokumentnummer

JJT_20030313_OGH0002_0020OB00034_03V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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