Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BDG 1979 §125a Abs3 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des M R in F, vertreten durch Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 14, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 15. April 2005, Zl. 28,29/11-DOK/05, betreffend die Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war in dem tatgegenständlichen Zeitraum (1999 bis Juli 2000) als Beamter am Hauptzollamt Klagenfurt tätig und dort der Zollkasse bzw. der Verwahrstelle dieser Behörde dienstzugeteilt. Die Verwahrstelle ist (unter anderem auch) für die Vernichtung von beschlagnahmten und für verfallen erklärten Tabakwaren zuständig.
Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. August 2003, Zl. 15Hv152/03v, wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe von Anfang 1999 bis Juli 2000 in S als Beamter des Hauptzollamtes Klagenfurt mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem konkreten Recht auf Vernichtung für verfallen erklärter Tabakwaren zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er
1. für verfallen erklärte Tabakwaren wiederholt der bestimmungsgemäßen Vernichtung entzog, indem er sich selbst sowie zwei namentlich genannten und anderen namentlich nicht bekannten Personen mindestens ca. 200 Stangen Zigaretten zueignete, und
2. die ihm obliegende Überwachung der vollständigen Vernichtung der für verfallen erklärten Tabakwaren wiederholt unterließ, und dadurch die Entziehung von mindestens etwa
1.500 Stangen Zigaretten durch namentlich genannte Personen ermöglichte.
Er habe dadurch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB begangen, und werde hiefür zu einer Geldstrafe in der Gesamthöhe von 240 Tagessätzen (EUR 1.680,--) sowie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, diese allerdings unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Der dagegen vom Staatsanwalt erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 18. Februar 2004, 9 Bs 579/03, keine Folge gegeben.
Von der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung wurde die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen mit Schreiben der Finanzlandesdirektion Wien vom 25. März 2004, eingelangt am 1. April 2004, in Kenntnis gesetzt.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 21. April 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen des den Inhalt des Strafurteils bildenden Verhaltens das Disziplinarverfahren eingeleitet; dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 26. April 2004 zugestellt.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26. November 2004 wurde der Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 29. Dezember 2004 schuldig erkannt, er habe
1. über einen längeren Zeitraum während seiner Dienstverrichtung beim HZA Klagenfurt wiederholt bei der Überwachung der Vernichtung von Tabakwaren, die in Finanzstrafverfahren für verfallen erklärt worden und zur Vernichtung bestimmt gewesen seien, mindestens 200 Stangen Zigaretten an sich genommen, die er selbst verbraucht bzw. an andere Personen weitergegeben habe, und
2. durch dieses Verhalten auch andere Personen dazu angeregt, seinem Beispiel zu folgen, und ihnen dadurch, dass er entgegen seiner Aufgabe die Vernichtung der Tabakwaren nicht sichergestellt habe, ermöglicht, eine Menge von mindestens 1.500 Stangen Zigaretten der Vernichtung zu entziehen.
Er habe dadurch nicht nur den gerichtlich strafbaren Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB begangen, sondern auch gegen die Dienstpflichten des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979, nämlich seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, sowie in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe, verstoßen, und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen. Der Beschwerdeführer wurde hiefür zu einer Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Haushaltszulage bestraft.
Zur Strafbemessung führte die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, an Hand der schuldadäquaten Schwere der Dienstpflichtverletzung sei darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die Strafhöhe erforderlich sei, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Nach Darstellung ihrer Überlegungen zur Untragbarkeit eines Beamten kam die Disziplinarkommission zu dem Ergebnis, in der mündlichen Verhandlung habe sich herausgestellt, dass das Unrechtsbewusstsein des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt - vielleicht auch durch die faktisch nicht vorhandenen Kontrollen durch die Dienstbehörde - nicht so ausgeprägt gewesen sei, wie zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer habe vielmehr durch sein reumütiges Geständnis den Eindruck erweckt, dass trotz des langen Zeitraumes und der Menge an Zigaretten und trotz des massiven Vertrauensbruches eine Entlassung als schwerste Strafe nicht zwingend notwendig sei, um den Beschwerdeführer von weiteren derartigen Taten abzuhalten. Die Disziplinarkommission hielt daher aus generalpräventiven Gründen die im obersten Bereich angesetzte Geldstrafe für tat- und schuldangemessen.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhoben sowohl der Disziplinaranwalt als auch der Beschwerdeführer Berufungen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. April 2005 wurde in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben, und über den Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 105, 126 Abs. 2 und 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt (Spruchpunkt 1), hingegen die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 63 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 2), und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer aufzuerlegende Verfahrenskosten im Berufungsverfahren nicht erwachsen seien (Spruchpunkt 3).
Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses sowie der Berufungsausführungen beider Verfahrensparteien führte die belangte Behörde - soweit dies für das gegenständliche verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Bedeutung ist - aus, im Hinblick auf die Einrede der Verjährung sei festzustellen, dass der Einleitungsbeschluss dem Beschwerdeführer am 26. April 2004 zugestellt worden sei. Die Kenntnis der Dienstbehörde von dem dem Beschwerdeführer angelasteten Fehlverhalten sei der Zeitpunkt, zu welchem das Hauptzollamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde erster Instanz der Zollfahndung Klagenfurt den den Beschwerdeführer betreffenden Haftbefehl vom 9. November 2002 sowie mehrere, den verfahrensgegenständlichen Vorwurf betreffende Vernehmungsprotokolle per Fax übermittelt habe, was am 14. November 2002 der Fall gewesen sei. Die seitens der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos (LGK für Kärnten) am 12. Dezember 2002 ausgefertigte Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen den Beschwerdeführer (u. a.) trage den Eingangsstempel 16. Dezember 2002. Mit Schreiben vom 25. März 2004 habe die zuständige Abteilung der FLD Wien der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen die Ausfertigungen des Strafurteiles des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. August 2003 sowie des Urteils des OLG Graz vom 18. Februar 2004 vorgelegt, die Kenntnis der Dienstbehörde vom rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Strafverfahrens sei daher mit 25. März 2004 anzunehmen. Der Zeitraum der Hemmung des Ablaufes der Verjährungsfrist nach § 94 Abs. 2 Z. 5 lit. a BDG 1979 habe 15 Monate und 9 Tage (16. Dezember 2002 bis 25. März 2004) gedauert. Verfolgungsverjährung im Sinne des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 liege somit nicht vor. Aber auch die Verfolgungsverjährung nach § 94 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. sei nicht eingetreten, weil die gegenständliche Dienstpflichtverletzung mit 31. August 2000 beendet worden sei, die Frist des § 94 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 sich daher bis zum 31. August 2003 erstrecke. Die Zustellung des Einleitungsbeschlusses sei aber am 26. April 2004 erfolgt, sodass unter Berücksichtigung der bereits dargelegten Hemmung im Ablauf der Verjährungsfrist im Ausmaß von 15 Monaten und 9 Tagen auch keine Verjährung nach dieser Gesetzesstelle gegeben sei.
Die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers (Spruchpunkt 2) begründete die belangte Behörde im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die Erklärung des Beschwerdeführers nach Verkündung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses und Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden der Behörde erster Instanz, er nehme die Strafe an. Dies sei auch im Verhandlungsprotokoll vermerkt. Damit habe der Beschwerdeführer in einer klaren und eindeutigen, keiner Interpretation bedürftigen Weise seinen Verzicht auf die Erhebung einer Berufung gegen das Disziplinarerkenntnis erster Instanz erklärt. Es sei daher von einem rechtswirksamen Rechtsmittelverzicht auszugehen gewesen, weshalb seine dennoch erhobene Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Der Strafberufung des Disziplinaranwaltes sei hingegen Folge zu geben gewesen. Bei der Strafbemessung sei vor allem die Schwere der Dienstpflichtverletzung, insbesondere die Bedeutung der verletzten Pflicht, entscheidend. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung sei maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Standes- oder Amtspflichten verstoßen oder der Dienstbereich beeinträchtigt worden sei. Bei der Strafbemessung seien neben der genannten "objektiven Schwere" der Tat und der Bedeutung der verletzten Pflicht auch der Grad des Verschuldens und der Beweggrund der Tat, ferner die Auswirkungen der Tat für den Dienstgeber, für das Ansehen des Beschuldigten und der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit und schließlich die bisherige dienstliche Führung des Beamten zu berücksichtigen. Die Bestrafung solle sich nach der Art und Schwere des Dienstvergehens richten und müsse grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen. Anders als im Strafrecht, wo - so die belangte Behörde - moralische Wertung, Vergeltung und Sühne im Vordergrund stünden, bezwecke das Disziplinarrecht die Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes und erfülle eine dem Interesse der Allgemeinheit dienende Ordnungsfunktion. Die "Handlungsgesichtspunkte" lägen vorwiegend in der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen und korrekten Dienstbetriebes. Durch die Disziplinarstrafe solle der der Disziplinargewalt Unterworfene entweder an seine dienstlichen Pflichten gemahnt und angehalten werden, diese künftig zuverlässig zu erfüllen, oder, wenn er in seinem Dienstverhältnis schuldhaft untragbar geworden sei, im Wege der Entlassung aus diesem entfernt werden. Sei durch das konkrete Verhalten des Beamten die Verletzung der Dienstpflichten als so schwer zu werten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch ihn nicht mehr gegeben sei, so rechtfertige dies die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses durch die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung. Die Frage, ob durch die Verfehlung des Beamten das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen diesem und der Verwaltung zerstört worden sei, sei auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Auch hier habe die Disziplinarbehörde zunächst am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe geboten sei. Hiebei habe sie sich an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen habe, inwieweit die Tat auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters oder auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen sei, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte. Der Beschwerdeführer habe sich durch die vom Strafgericht rechtskräftig festgestellten, vorsätzlich und wiederholt begangenen Verstöße gegen den Straftatbestand des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs. 1 StGB schwerst wiegender Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG schuldig gemacht, und ein bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen und ein unwürdiges Verhalten gezeigt, durch das er nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das Ansehen der Beamtenschaft im allgemeinen und jenes der Zollverwaltung, sowie des Bundesministeriums für Finanzen im Besonderen, in außerordentlich hohem Maße herabgesetzt habe. Er habe damit das ihm als Beamten von seinem Dienstgeber entgegen gebrachte Vertrauen gröblichst verletzt und gegen seine ihm auferlegten Dienstpflichten in eklatanter Weise verstoßen. Ein Beamter, der - wie der Beschwerdeführer - in der dargestellten Weise gezielt und vorsätzlich um des eigenen Vorteils willens bzw. zwecks Ermöglichung der widerrechtlichen Bereicherung anderer das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs. 1 StGB verübe, sei im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis nicht mehr tragbar, weil durch derartige Straftaten, die gleichzeitig schwerst wiegende dienstliche Verfehlungen darstellten, nicht nur das für die Erfüllung der Aufgaben der staatlichen Verwaltung unerlässliche Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit "wesentlich zerstört" werde. Der Beschwerdeführer habe damit Dienstpflichtverletzungen von besonders schwerem Gewicht und außerordentlicher Tragweite für das Vertrauen der Bevölkerung in seine unverbrüchliche Gesetzestreue begangen, was die Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als unzumutbar habe erscheinen lassen. Wer beschlagnahmte, zur behördlichen Vernichtung bestimmte Güter dieser Vernichtung, zu deren Überwachung er kraft Amtes eigentlich berufen gewesen wäre, entziehe, mache sich zweifellos dadurch disziplinärrechtlich verantwortlich und zerstöre das erforderliche Vertrauensverhältnis grundlegend. Er habe sich bewusst und vorsätzlich über die absolute Grenze gerade noch tolerierbarer Fehlleistungen eines Beamten weit hinweggesetzt und in massiver Weise in fremdes Eigentum eingegriffen, sowie strafbare Verletzungen seiner Amtspflicht begangen. Im Fall einer derart starken nachhaltigen Belastung des Vertrauensverhältnisses könne dem Dienstgeber nicht mehr zugemutet werden, das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis weiter aufrecht zu erhalten. Es sei somit mit Entlassung vorzugehen gewesen. In einem solchen Fall könnten die sich aus spezialpräventiven Erwägungen ergebene Warnungs-, Besserungs- und Sicherungsfunktion der Disziplinarstrafe nicht zum Tragen kommen. An dieser Tatsache vermöchten auch sein allfälliges bisheriges dienstliches Wohlverhalten, die sonst nicht zu beanstandende Dienstleistung und sein ordentlicher Lebenswandel, sowie die straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Zudem könnten weder das Wohlverhalten des Beschwerdeführers nach Aufdeckung der Taten, noch eine allfällig günstige Zukunftsprognose den eingetretenen schweren Vertrauensverlust aufheben. Es sei daher der Berufung des Disziplinaranwaltes insoweit Folge zu geben gewesen. Der im vorliegenden Fall durch die rechtskräftig festgestellten Dienstpflichtverletzungen - als erschwerend seien die mehrfache Tatwiederholung und das Zusammentreffen mehrerer Dienstpflichtverletzungen zu werten gewesen - eingetretene Vertrauensverlust habe die Untragbarkeit des Beschwerdeführers für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zur Folge gehabt, "was" (gemeint ist offenbar die Entlassung) im Interesse der generellen Wahrung des Vertrauens und des Ansehens der Beamtenschaft notwendig und auch zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung geboten erscheine. Das insgesamt geplante und bewusst vorschriftswidrige Vorgehen des Beschwerdeführers sei auch ein deutliches Zeichen für die doch beträchtliche kriminelle Energie desselben, auf Grund welcher dieser dem Maßstab des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Beamten in keiner Weise entspreche. Im Hinblick auf Art und Schwere der vorliegendenfalls begangenen Dienstpflichtverletzung komme daher insgesamt eine andere Disziplinarstrafe als jene der Entlassung von vornherein nicht in Betracht, weshalb alle möglicherweise sonst gegebenen Milderungsgründe (die straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, sein bisher ordentlicher Lebenswandel, sein Geständnis, das von ihm allerdings ohnehin erst nach Tataufdeckung abgelegt worden sei, seine Reue und Schuldeinsicht) dahinstünden. Rechtfertigten nämlich die aus der Schwere des Dienstvergehens entstandenen Nachteile die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses durch Entlassung und sei der Gesetzesbefehl, auf diese Nachteile Rücksicht zu nehmen, nur durch Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung befolgt, so könnten "andere Gründe (auch Existenzvernichtung und Arbeitslosigkeit) nicht mehr entscheidend" sein. Gemäß § 125a Abs. 2 und 3 Z. 1 und 4 BDG 1979 habe diese Entscheidung unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung getroffen werden können.
Gegen diesen Bescheid (erklärungsgemäß seinem gesamten Inhalt nach) richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Sache nach aber nur hinsichtlich des Spruchpunktes 1 des angefochtenen Bescheides Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde trotz seines diesbezüglichen Antrages von einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe und die Strafe zu seinem Nachteil abgeändert habe. Statt der verhängten Geldstrafe sei nunmehr die Disziplinarstrafe der Entlassung ausgesprochen worden. Hiezu seien keinerlei Beweise im Berufungsverfahren aufgenommen worden. Aus welchen Gründen von der mündlichen Verhandlung im Beschwerdefall abgesehen worden sei, werde im angefochtenen Bescheid nicht näher ausgeführt.
Der Beschwerdeführer wendet sich des Weiteren gegen den Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses, welcher die Tat nicht ausreichend spezifiziere, da ein exakter Tatzeitraum nicht angegeben sei.
Auch habe sich die belangte Behörde mit dem Einwand der Verjährung unrichtig auseinander gesetzt. Die Dienstbehörde des Beschwerdeführers habe vom Fehlverhalten desselben bereits im Herbst 2002 erfahren. Das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis sei ihm erst am 14. Jänner 2005, und somit außerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist, zugestellt worden.
Überdies habe die belangte Behörde sich mit der Frage des disziplinären Überhanges nicht beschäftigt, was insoweit erforderlich gewesen wäre, als schon der bloße Missbrauch der Amtsgewalt durch die strafgerichtliche Verurteilung "konsumiert" worden sei.
Unrichtig sei auch, wenn die belangte Behörde von einer "objektiven Schwere" der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung ausgehe. Es sei dem Beschwerdeführer lediglich zum Vorwurf gemacht worden, 200 Stangen Zigaretten zum Eigenverbrauch an sich genommen zu haben. Durch sein Verhalten seien andere Personen zwar verleitet worden, jedoch ohne sein Wissen. Er habe auch keinerlei finanziellen Vorteil aus seinem Fehlverhalten gezogen. In Anbetracht der Gesamtmenge der beschlagnahmten und zu vernichtenden Zigaretten sei die ihm vorgeworfene Menge geradezu "verschwindend". Auch das Strafgericht sei von einem Verschulden des Beschwerdeführers an der unteren Grenze offensichtlich ausgegangen, weil die Strafe lediglich knapp über dem Mindestmaß angesetzt gewesen sei. Bei Beurteilung der Schwere der vorgeworfenen Tat seien auch die Milderungsgründe zu berücksichtigen und auch die Umstände des Einzelfalles. Als wesentlicher Milderungsgrund sei beispielsweise außer Acht gelassen worden, dass der Beschwerdeführer sich zumindest seit seiner Versetzung zum Hauptzollamt Wien wohlverhalten habe. Auch die Förderung der Tat durch Umstände an der Dienststelle (mangelnde Dienstaufsicht) sei in keiner Weise bewertet worden. Eine grundsätzlich negative Diensteinstellung des Beschwerdeführers sei nicht nachgewiesen worden. In Anbetracht aller Umstände sei ihm lediglich ein dolus eventualis vorzuwerfen gewesen. Die Entlassung sei daher nicht gerechtfertigt.
Vorweg ist festzuhalten, dass die belangte Behörde im Spruchpunkt 2 ihres Disziplinarerkenntnisses die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen hat, weil dieser nach Verkündung des Disziplinarerkenntnisses erster Instanz einen Rechtsmittelverzicht abgegeben hatte. Die Abgabe eines solchen zieht die Beschwerde, die sich mit keinem Wort gegen den, die Berufung des Beschwerdeführers zurückweisenden Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides wendet, im Übrigen auch nicht in Zweifel. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildete demzufolge ausschließlich die vom Disziplinaranwalt eingebrachte Berufung gegen die in erster Instanz ausgesprochene Geldstrafe.
Insoweit die belangte Behörde ungeachtet der Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers von Amts wegen auf den von ihm erhobenen Einwand der Verjährung eingegangen ist, trifft ihre Auffassung zu, dass eine Verjährung im Hinblick auf das gegen den Beschwerdeführer geführte gerichtliche Strafverfahren und dessen verjährungsunterbrechende Wirkung nicht eingetreten ist.
Gemäß § 125a Abs. 3 BDG 1979 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission ungeachtet eines Parteienantrags Abstand genommen werden, wenn
1.
die Berufung zurückzuweisen ist,
2.
die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
3.
ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet, oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall - soweit es den Ausspruch der Entlassung im Spruchpunkt 1 betrifft - zu Unrecht (nämlich diesbezüglich unter ausdrücklicher Berufung auf § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979) von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen. Die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung setzt voraus, dass sich die Berufung lediglich gegen die Strafbemessung richtet. Die Frage, ob mit Entlassung vorzugehen ist oder mit einer Geldstrafe das Auslangen gefunden werden kann, ist aber nicht ausschließlich eine Frage der "Bemessung" der zu verhängenden Disziplinarstrafe im Sinne der zitierten Bestimmung. Das vorliegende Beschwerdeverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene, erstmals die Entlassung des Beschwerdeführers verfügende Bescheid der belangten Behörde auf Grund einer auf die Entlassung des Beschwerdeführers abzielenden Berufung des Disziplinaranwaltes gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem lediglich eine Geldstrafe verhängt worden war, ergangen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem einen ähnlich gelagerten Fall betreffenden Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0080, ausgesprochen, dass bei dieser Verfahrenskonstellation - in der der Beschuldigte auch nicht durch das Verbot der reformatio in peius geschützt ist - nicht davon gesprochen werden kann, dass die Behörde (lediglich) Gesichtspunkte der "Strafbemessung" im Sinne des in § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 verwendeten, im vorliegenden Zusammenhang auch unter Bedachtnahme auf Art. 6 EMRK auszulegenden Begriffes in Betracht zu ziehen hatte. Beabsichtigte daher die Disziplinaroberkommission in Abänderung des lediglich auf Geldstrafe lautenden erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses einer Strafberufung des Disziplinaranwaltes dadurch Rechnung zu tragen, dass sie die Entlassung über den Beschuldigten verhängt, hätte sie nicht von dieser absehen dürfen.
Indem die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage, insbesondere des § 125 Abs. 3 Z. 4 BDG 1979, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Bereits aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. April 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005090125.X00Im RIS seit
17.05.2007