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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BDG 1979 §125a Abs3 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des T H in Wien, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 11. Mai 2005, Zl. 120,121/8-DOK/04, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle im Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalles war die Sicherheitswacheabteilung Favoriten, Wachzimmer X-Gasse.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 29. Oktober 2004 wurde der Beschwerdeführer - soweit dies für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch von Belang ist - für schuldig erachtet, er habe in seiner Funktion als Wachkommandant am 7. Juli 2002 eine falsche Eintragung im Tagesbericht vom 7. Juli 2002 vorgenommen, wonach RI T. und RI G. zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr eine Verständigung bei einer namentlich genannten Person durchgeführt hätten. Er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung begangen, wofür er mit der Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von
1.500 EUR bestraft wurde.
Dem lag sachverhaltsmäßig zu Grunde, dass an diesem Tag (7. Juli 2002) gegen 7.30 Uhr im Wachzimmer ein Notruf des Rettungsdienstes betreffend einen Unfall in einer näher bezeichneten Wohnung eingegangen sei. Die Besatzung des verständigten Funkwagens J/1, bestehend aus RI G. und RI T., sei verspätet zum Einsatzort gefahren und dort jedoch erst eingetroffen, als der Rettungsdienst wieder abgefahren gewesen sei. Da auf Grund dieser Verspätung des Funkwagens J/1 mit dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen gewesen und wäre im Funkwagen ein vom Vortag zurückgelassener Verständigungszettel aufgefunden worden sei, sei verabredet worden, diese Verständigung als Ausrede für das verspätete Eintreffen am Unfallort zu verwenden.
In Bezug auf den Beschwerdeführer war im Verfahren vor der belangten Behörde insbesondere der Zeitpunkt strittig, zu welchem dieser von der Unrichtigkeit der für das verspätete Eintreffen am Unfallort verwendeten Ausrede Kenntnis erlangt hat.
Wegen dieses Vorfalles wurde gegen die Besatzung des Funkwagens, RI G. und RI T., sowie gegen den Funksprecher RI S. und den Beschwerdeführer als Wachkommandanten ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet. Die Strafanzeigen gegen die Funkwagenbesatzung, RI G., RI T., sowie gegen den Beschwerdeführer wurden gemäß § 90 StPO eingestellt. Hingegen wurde der Funksprecher RI. S. mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. November 2003, in der Schuldfrage bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. August 2004, wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 10. Juli 2002 in Wien vor einer Verwaltungsbehörde, nämlich der Bundespolizeidirektion Wien, Büro für besondere Ermittlungen (in der Folge: BBE), als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, die Verspätung seiner Kollegen RI G. und RI T. bei einem Funkeinsatz am 7. Juli 2002 sei durch den Auftrag zur Vornahme einer Hinterlegung betreffend die Auffindung eines Hundes zustande gekommen und nicht - wie tatsächlich - durch eine verlängerte Kaffeepause, falsch ausgesagt habe.
Die Disziplinarbehörde stellte fest, dass wegen dieses Vorfalles RI T. und RI G. vom Büro für besondere Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wien (BBE) noch am selben Tag (7.7.2002) zum Verdacht des Amtsmissbrauchs als Verdächtige befragt worden seien, sie hätten jedoch die Aussage verweigert. Sie seien in Begleitung des Wachkommandanten, nämlich des Beschwerdeführers, zur Vernehmung gekommen, der für die Beamten gesprochen hätte. Er habe angegeben, dass die Beamten eine Verständigung durchzuführen gehabt hätten. Dabei sei von RI G. eine Kopie der Verständigung betreffend den Fund eines Hundes übergeben worden. Es habe aber keine Veranlassung für die Durchführung einer derartigen Verständigung bestanden, da laut Tagebuchberichtseintrag vom Vortag in der bezughabenden Sache bereits alles Notwendige veranlasst gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe sich in der von der Behörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung dahingehend verantwortet, dass er sich zu Beginn seines Tagdienstes noch in der Y-Gasse als Wachkommandant befunden hätte, weil er dort noch die Dienstübergabe habe durchführen müssen und die Geldgebarungsangelegenheiten an den nachfolgenden Wachkommandanten weitergegeben hätte. Dies habe bis kurz nach 8 Uhr in der Früh gedauert. Er hätte seine Verspätung auch dem Kommissariats-Wachkommandanten mitgeteilt. Im Wachzimmer X-Gasse angekommen, sei er mit der Tatsache konfrontiert worden, dass die Besatzung "J/1" mit der Funkstelle Probleme gehabt habe, da sie zu einem Einsatz zu spät gekommen sei. Ihm gegenüber hätte sich die Besatzung des Funkwagens damit gerechtfertigt, dass sie noch eine Verständigung durchgeführt hätte. Er habe den Beamten geglaubt und diese daher auch fernmündlich gegenüber dem Permanenzoffizier (in der Folge: PO) verteidigt. Die Order daraufhin habe gelautet, dass die Beamten unverzüglich beim PO vorstellig werden müssten, der Beschwerdeführer habe die Beamten freiwillig dorthin begleitet. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls bestritten, den wahren Sachverhalt von Anbeginn an gekannt zu haben.
Dies erachtete die Behörde erster Instanz entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers für nicht glaubwürdig, folgte hingegen den Angaben des RI G. und KI S., welche einen glaubwürdigeren Eindruck vermittelt hätten. Eine Bestrafung des Beschwerdeführers sei aus general- und spezialpräventiven Gründen in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe erforderlich gewesen, weil die Verantwortung und Vorbildwirkung eines Vorgesetzten, welcher die Vorgangsweise der Besatzung des Streifenwagens goutiert und gerechtfertigt und wissentlich falsch dokumentiert habe, um die Besatzung des J/1 vor disziplinären Folgen zu bewahren, jedenfalls disziplinär zu würdigen sei. Als besonders verwerflich erachtete die Disziplinarbehörde erster Instanz, dass sich der Beschwerdeführer wider besseren Wissens mit den übrigen Betroffenen zu falschen Aussagen verabredet und in weiterer Folge die falsche Dokumentation im Tagesbericht durchgeführt hätte. Dabei wertete die Behörde erster Instanz die Vorgesetztenfunktion des Beschwerdeführers als Erschwerungsgrund.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob (unter anderem) der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Mai 2005 wurde dieser Berufung zwar keine Folge gegeben, die belangte Behörde schied jedoch - den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides korrigierend -
aus dem auf § 43 Abs. 1 und 2 und § 44 Abs. 1 BDG 1979 gestützten Schuldspruch die Zitierung des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 aus. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Umstand, dass die Eintragung in den Tagesbericht am 7. Juli 2002 objektiv falsch gewesen sei, werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Sein Vorbringen, er habe zum Tatzeitpunkt (nämlich dem der Eintragung in den Tagesbericht) nicht gewusst, aus welchem Grund RI G. und RI T. verspätet zum Einsatz ausgefahren seien, werde als bloße Schutzbehauptung gewertet. Zu den die Darstellung des Beschwerdeführers stützenden Angaben der RI S. und RI. T. sowie des AI G. sei auszuführen, dass den Aussagen des RI S., welcher bereits rechtskräftig mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen des Vergehens nach § 289 StGB verurteilt worden sei, da er das Fehlverhalten von RI G. sowie das mutmaßliche Fehlverhalten des RI T. mit falschen Angaben vor dem BBE habe decken wollen, keine hohe Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Dasselbe gelte auch für die Angaben des RI T., welcher ebenfalls bestrebt gewesen sei, das ihm angelastete Fehlverhalten zu vertuschen. RI T. habe selbst eingestanden, die unrichtigen Angaben betreffend die o.a. Verständigung der Hundebesitzerin gemeinsam mit RI S. und RI G. abgesprochen zu haben. In Ansehung der Tatsache, dass RI T. im gegenständlichen Disziplinarverfahren wiederholt falsche Angaben getätigt habe, um sein eigenes mutmaßliches Fehlverhalten bzw. ein Fehlverhalten des RI. G. zu vertuschen, komme seiner Aussage geringere Glaubwürdigkeit zu. Die Angaben des AI G. seien, was das dem Beschwerdeführer angelastete Fehlverhalten betreffe, nicht weiter von Belang gewesen, da daraus ausschließlich hervorgehe, dass RI G. und RI T. vor dem Beschwerdeführer an die Dienststelle zurückgekehrt seien. Eine spätere Unterredung des Beschwerdeführers mit RI S., RI T. und RI G., sowie mit dem Vorgesetzten, KI S., werde durch diese Aussage nicht ausgeschlossen. Zur Aussage des RI G. sei festzuhalten, dass dieser kein Motiv gehabt hätte, den Beschwerdeführer fälschlich zu belasten. Der Umstand, dass RI G. entgegen seinen Angaben weiter mit dem RI T. Dienst versehe, sei nicht geeignet, seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern, da gerade in Anbetracht dieses Umstandes davon auszugehen sei, dass seine Aussagen das Betriebsklima an seiner Dienststelle für ihn nachteilig beeinflussen könnten. Ein Motiv, seine Kollegen, die bestrebt gewesen seien, ihn zu unterstützen und sein Fehlverhalten zu vertuschen, fälschlich zu belasten, sei auch im Hinblick auf diesen Umstand auszuschließen. Der bloße Umstand, dass sich RI G. in psychiatrischer Behandlung befunden habe und dass ihm geraten worden sei, wahrheitsgemäß auszusagen, tue der Glaubwürdigkeit seiner Angaben keinen Abbruch. Auch KI S. habe kein Motiv gehabt, den Beschwerdeführer fälschlich zu belasten. Der Umstand, dass dieser Zeuge von der Verabredung der an dem Vorfall beteiligten Beamten zu falschen Angaben von Anfang an gewusst habe, sei umso glaubwürdiger dargetan, als er damit die eigene mangelnde Kompetenz und Führungsqualität offen lege. Auch werde auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien betreffend RI S. hingewiesen, in welchem ausdrücklich ausgeführt werde, der Beschwerdeführer, RI T., RI G. und RI S. hätten unmittelbar nach dem in Rede stehenden Vorfall vereinbart, hinsichtlich der Verständigung der Hundebesitzerin falsche Angaben zu tätigen. Hinsichtlich RI S., der im erstinstanzlichen Disziplinarverfahren Mitbeschuldigter gewesen sei, entfalte das o. a. Strafurteil jedenfalls Bindungswirkung nach § 95 BDG. Da der gegen den Beschwerdeführer erhobene Tatvorwurf den gleichen Sachverhalt betreffe, erweise sich das o.a. Strafurteil zwar ihm gegenüber nicht als bindend im Sinne des § 95 BDG, sei aber als nicht widerlegbare öffentliche Urkunde im Sinne des § 47 AVG in Verbindung mit § 105 BDG zu werten, die der Beschwerdeführer nicht aus der Welt schaffen könne. Die Beweiswürdigung der erstinstanzlichen Disziplinarkommission erweise sich daher als zutreffend. In rechtlicher Würdigung des Verhaltens des Beschwerdeführers sei dieses jedenfalls als Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG anzusehen, weil er durch seine Falscheintragung in den Tagesbericht die Unterstützungspflicht gegenüber seinem Vorgesetzten, Oberstleutnant W., jedenfalls vorsätzlich und damit schuldhaft im Sinne des § 91 BDG verletzt habe. Damit sei aber das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht auch noch nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG zu werten gewesen.
Bei der Strafbemessung sei als erschwerend die Vorgesetztenfunktion des Beschwerdeführers zu werten gewesen, als mildernd hingegen die disziplinäre Unbescholtenheit und sein Wohlverhalten nach Begehung der Tat durch einen längeren Zeitraum, eine positive Zukunftsprognose, die lange Dauer des gegen ihn anhängigen Disziplinarverfahrens sowie das Mitverschulden seines unmittelbaren Vorgesetzten.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei gemäß § 125a Abs. 3 Z. 5 und sinngemäß nach § 125a Abs. 2 BDG Abstand genommen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 ist, wenn der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurde und sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft, von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
Nach Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung ist, wenn von der Verfolgung nicht abgesehen wird und sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Gemäß § 105 Z. 1 BDG 1979 sind, soweit im Abschnitt "Disziplinarrecht" nicht anderes bestimmt ist, auf das Disziplinarverfahren (mit hier nicht relevanten Ausnahmen) die Bestimmungen des AVG anzuwenden.
Gemäß § 113 BDG 1979 ist, wenn an einer Dienstpflichtverletzung mehrere Beamte beteiligt sind, das Disziplinarverfahren vor der Kommission für alle Beteiligten gemeinsam durchzuführen, soweit diese demselben Ressort angehören.
Nach § 125a Abs. 2 BDG 1979 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
1.
die Berufung zurückzuweisen ist,
2.
die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
3.
ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.
Der Beschwerdeführer macht sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch unter jenem einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, zu Unrecht habe die belangte Behörde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, obwohl der Sachverhalt, der dem Schuldspruch des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses zu Grunde gelegt worden sei, infolge ins Einzelne gehender Bekämpfung der Beweiswürdigung der erstinstanzlichen Behörde, keineswegs als geklärt hätte erachtet werden können. Vielmehr hätte die belangte Behörde ein eigenständiges Ermittlungsverfahren durchzuführen und zu diesem Zwecke zwingend eine mündliche Verhandlung anzuberaumen gehabt. Die Voraussetzungen für eine "sinngemäße" Anwendung des § 125a Abs. 2 BDG lägen auf gar keinen Fall vor.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung die Schuldfrage ausdrücklich bekämpft. Die belangte Behörde setzt sich - ohne selbst eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen - mit den in der Berufung gegen den von der Behörde angenommenen Sachverhalt vorgetragenen Argumenten und mit der von der Behörde erster Instanz vorgenommenen Beweiswürdigung eingehend auseinander, wobei sie auch eigene beweiswürdigende Überlegungen anstellte. Dies hätte sie jedoch nur aufgrund der Ergebnisse einer von ihr selbst durchgeführten mündlichen Verhandlung tun dürfen. Ein "nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärter Sachverhalt" im Sinne des § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 lag infolge der substantiierten Bestreitung des dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis zugrundeliegenden Sachverhaltes jedenfalls nicht vor. Damit hat sie zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 125a BDG Abs. 3 1979 abgesehen, was den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Der angefochtene Bescheid ist darüberhinaus auch inhaltlich rechtswidrig. Die belangte Behörde hat das Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz hinsichtlich der Schuldfrage mit der Maßgabe bestätigt, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tathandlung (nämlich die wissentlich falsche Eintragung in den Tagesbericht am 7. Juli 2002) eine Dienstpflichtverletzung nach § 44 BDG 1979 darstelle, weil er dadurch "seiner Unterstützungspflicht gegenüber seinem Vorgesetzten Obstlt W. jedenfalls vorsätzlich und damit schuldhaft iSd § 91 BDG nicht nachgekommen" sei. Zwar trifft es zu, dass die - von der Disziplinarbehörde erster Instanz herangezogenen - Bestimmungen des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 "durch die lex specialis des § 44 Abs. 1 BDG verdrängt werden", wie die belangte Behörde in der Begründung meint, doch enthält der angefochtene Bescheid weder im Spruch noch in der Begründung Ausführungen dazu, worin konkret die Unterstützungspflicht des Beschwerdeführers seinem Vorgesetzten gegenüber besteht und aus welchen Gründen die dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachte konkrete Falscheintragung eine Verletzung dieser Pflicht darstellt. Auch wenn in einem allgemeinsten Sinne jede Dienstpflichtverletzung auch die Wahrnehmung der Führungsfunktion durch den Vorgesetzten erschwert, so zeigt doch der in § 44 Abs. 1 BDG hergestellte normative Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Weisungsbefolgung, dass die dort normierte Unterstützungspflicht (zum Erfordernis der Unterscheidung dieser Pflicht von jener zur Weisungsbefolgung im Disziplinarverfahren vgl. das Erkenntnis vom 28. Juli 2000, 93/09/0182) nicht in diesem allgemeinen Sinne (nach welchem sie ja bei jeder Dienstpflichtenverletzung berührt wäre - vgl. Kucsko-Stadlmayer,
Das Disziplinarrecht der Beamten, 3. Aufl, 158) gemeint sein kann. Ein Sachverhalt, der die Annahme einer Verletzung der Unterstützungspflicht im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG durch den Beschwerdeführer rechtfertigen könnte, ist aber vorliegendenfalls nicht ersichtlich. Dem Beschwerdeführer wurde im gesamten Verfahren der Sache nach vorgeworfen, eine Dienstpflichtverletzung von Mitarbeitern durch eine falsche Eintragung im Tagesbericht vertuscht bzw. gedeckt zu haben. Eine derartige falsche Eintragung in einem Dokument, welches der Information nicht nur von anderen Beamten derselben Dienststelle, sondern auch von Vorgesetzten und - letztlich bei Bedarf - auch des Dienstgebers zu dienen bestimmt ist, würde aber einen Verstoß gegen die Treuepflicht und damit eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG darstellen (vgl. zu einem vergleichbaren Sachverhalt wahrheitswidriger Meldungen über den Grund einer Dienstverhinderung das Erkenntnis vom 15. September 1994, 94/09/0111). Die belangte Behörde hätte daher - bezogen auf § 44 Abs. 1 BDG - präzise Feststellungen zu treffen gehabt, welchem zur Unterstützung des Vorgesetzten erkennbaren Handlungsbedarf der Beschwerdeführer nicht nachgekommen ist.
Da die Unterlassung der erforderlichen Feststellungen auf einer unzutreffenden Anschauung der belangten Behörde über die normative Bedeutung des § 44 Abs. 1 BDG 1979 beruht, leidet der angefochtene Bescheid auch an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, wobei diese gegenüber der oben aufgezeigten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften prävaliert. Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. April 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005090118.X00Im RIS seit
30.05.2007