Index
41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Einstellung des Verfahrens zur Prüfung einer Übergangsbestimmung betreffend die Non-Refoulement-Prüfung für vor einem bestimmten Zeitpunkt entschiedene Asylverfahren mangels Präjudizialität im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des in der Anlaßbeschwerdesache angefochtenen BescheidesSpruch
Das Verfahren wird eingestellt.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Beschwerdeführerin des beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Anlaßbeschwerdeverfahrens B872/01, eine irakische Staatsangehörige, stellte am 3. April 1997 einen Antrag auf Gewährung von Asyl, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. April 1997 abgewiesen wurde. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Dezember 1997 wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof wies die sodann gegen den Berufungsbescheid eingebrachte Beschwerde mit Beschluß vom 20. Mai 1999 gemäß §44 Abs3 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76, (im folgenden kurz: AsylG) zurück und leitete die Akten an den Unabhängigen Bundesasylsenat (im folgenden: Bundesasylsenat) weiter.
2. Mit dem nach der Verhandlung vom 14. Mai 2001 mündlich verkündeten Berufungsbescheid des Bundesasylsenates wurde der Asylantrag gemäß §7 AsylG abgewiesen. In der schriftlichen Ausfertigung dieses Bescheides führte die Behörde unter anderem aus, daß der Asylantrag - da der Beschwerdeführerin vonseiten des irakischen Staates keine negative politische Gesinnung unterstellt werde - wegen Fehlens eines Verfolgungsgrundes im Sinne des Art1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention abzuweisen sei; nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei über die Zulässigkeit der Abschiebung nicht abzusprechen, weil die Beschwerdeführerin den Asylantrag vor dem 1. Jänner 1998 gestellt hatte.
3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die schon bezogene Beschwerde B872/01 an den Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG, in welcher die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die Bescheidaufhebung begehrt wird.
4. Der Bundesasylsenat als im Beschwerdeverfahren belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.
II. Die im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehenden Bestimmungen im Asylgesetz 1997 lauten samt Überschriften wie folgt:
"Non-refoulement-Prüfung
§8. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden."
"Übergangsbestimmungen
§44. (1) Am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der Bundesminister für Inneres hat die bei ihm anhängigen oder nach Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof anhängig werdenden Sachen dem unabhängigen Bundesasylsenat zuzuleiten. Eine Verpflichtung der Berufungsbehörde in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, eine non-refoulement-Prüfung vorzunehmen, besteht nicht.
(2) Verfahren betreffend Bescheide nach dem Asylgesetz 1991, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, und nicht gemäß §34 Abs1 VwGG oder §19 Abs3 Z2 lita, b, d oder e VfGG zurückzuweisen sind, treten mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurück.
(3) Der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, die Parteien eines solchen höchstgerichtlichen Verfahrens haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen. Der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof kann es unter Bedachtnahme auf die Notwendigkeit eines angemessenen Verhältnisses zwischen den beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Sachen und dessen personellen Ressourcen aufschieben, die Zurückweisungsbeschlüsse zu fassen. Hiebei hat er den jeweiligen Beschluß jedoch in Fällen, die
1. seit dem Jahr 1995 anhängig sind, längstens bis 31. März 1998,
2. seit dem 1. Halbjahr 1996 anhängig sind, längstens bis 30. Juni 1998,
3. seit dem 2. Halbjahr 1996 anhängig sind, längstens bis 31. Dezember 1998,
4. seit dem 1. Halbjahr 1997 anhängig sind, längstens bis 30. Juni 1999
zu fassen. Der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof hat die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem unabhängigen Bundesasylsenat zuzuleiten; die Frist des §73 AVG beginnt in diesen Fällen mit dem Einlangen des Beschlusses bei der Asylbehörde zu laufen.
(4)...
(5)...
(6)...
(7) Am 1. Jänner 1999 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/1999 zu Ende zu führen. Berufungen, die gemäß §32 Abs1 in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 106/1998 rechtzeitig eingebracht wurden, gelten auch als nach §32 Abs1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/1999 rechtzeitig eingebracht."
(Die wiedergegebenen Vorschriften beruhen - unter Bedachtnahme auf die Aufhebung des letzten Halbsatzes im §44 Abs2 durch das hg. Erk. VfSlg. 15.173/1998 [Kundmachung BGBl. I 110/1998] - auf der Stammfassung des AsylG 1997, Abs7 des §44 auf der Novelle BGBl. I 4/1999.)
III. Aufgrund der im folgenden dargelegten Erwägungen beschloß der Verfassungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren B872/01, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des dritten Satzes im §44 Abs1 des AsylG einzuleiten.
IV. Der Gerichtshof nahm vorläufig an, daß der in der Beschwerdesache angefochtene Bescheid eine negative Zuständigkeitsentscheidung in bezug auf eine non-refoulement-Prüfung enthält. Die in der Bescheidbegründung zum Ausdruck gebrachte Weigerung, über die Zulässigkeit einer Abschiebung der Beschwerdeführerin abzusprechen, stelle nämlich der Sache nach anscheinend eine Ablehnung (auch) der diesbezüglichen meritorischen Kognitionsbefugnis in der konkreten Verwaltungsangelegenheit dar, die lediglich im Spruch des bekämpften Berufungsbescheides keinen Niederschlag gefunden habe. Da gemäß §44 Abs1 erster Satz AsylG am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren nach der neuen Rechtslage zu Ende zu führen seien und sich aus der in §8 AsylG angeordneten Verbindung einer negativen Asylentscheidung mit einer non-refoulement-Prüfung deren notwendige verfahrensmäßige Einheit ergebe, sei der angefochtene Bescheid (wenngleich sein Spruch bei bloß sprachlichem Verständnis weder eine meritorische noch eine prozessuale Aussage hinsichtlich einer non-refoulement-Prüfung trifft) im Hinblick auf die bezogene Bescheidbegründung auch unter dem eben hervorgehobenen Aspekt der notwendigen Einheit beider Entscheidungen wohl im eingangs dargelegten Sinn aufzufassen. Gehe man von diesen Voraussetzungen aus, so erweise sich der dritte (letzte) Satz im §44 Abs1 AsylG anscheinend als präjudiziell, welcher eine Ausnahme von der durch §8 AsylG festgelegten, auch die Berufungsbehörde treffenden Rechtspflicht schaffe, einen Feststellungsbescheid über die Zulässigkeit des Refoulements bei Abweisung des Asylantrages (vgl. dazu VfGH 15.6.2001, G138/00) zu erlassen.
V. 1. Der Verfassungsgerichtshof hege gegen den letzten Satz in §44 Abs1 AsylG aus eben jenen Gründen verfassungsrechtliche Bedenken, die den Verwaltungsgerichtshof in seiner mit dem Erkenntnis vom 12. Mai 1999 , Zl. 98/01/0365, eingeleiteten (und mit den Erkenntnissen vom 16. September 1999, Zl. 99/20/0412, und vom 29. März 2001, Zl. 2000/20/0458, fortgesetzten) Judikatur zu dieser Gesetzesbestimmung zur Annahme einer verfassungskonformen Auslegung veranlaßt haben, welche jedoch in einem erheblichen, näher zu untersuchenden Spannungsverhältnis sowohl zum Wortlaut als auch zum Zweck der Regelung stehe. Im Ergebnis führe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, daß der Asylbehörde die offenkundig intendierte und vom Sprachsinn her (arg. "Eine Verpflichtung ..... besteht nicht.") gebotene Ermessensentscheidung in Form einer non-refoulement-Prüfung schlechthin verwehrt, die zu prüfende Rechtsvorschrift mithin als absolutes Verbot einer solchen Prüfung durch die Asylbehörde verstanden wird. Der Verwaltungsgerichtshof begründe seine Position im einzelnen - wie durch eine wörtliche Zitierung seines Erkenntnisses Zl. 98/01/0365 belegt wurde - folgendermaßen:
"Grundsätzlich besteht hinsichtlich der Non-Refoulement-Prüfung nach dem Fremdengesetz 1997 die Zuständigkeit der Fremdenbehörde. Die in §8 AsylG aus Gründen der Verfahrensökonomie für einen bestimmten Fall strikt normierte Pflicht der (jeweiligen) Behörde, von Amts wegen eine Non-Refoulement-Prüfung vorzunehmen, begründet in diesen Fällen eine von der grundsätzlichen Zuständigkeit abweichende Entscheidungskompetenz der Asylbehörden. Durch §44 Abs1 letzter Satz AsylG wird aber in bestimmten Fällen davon abweichend gerade keine zwingende Zuständigkeit des unabhängigen Bundesasylsenates normiert. Ein Verständnis im Sinne des Beschwerdeführers würde das Gebot, strikte Zuständigkeitsgrenzen festzulegen, wie es sowohl dem Art18 Abs1 und Abs2 B-VG als auch Art83 Abs2 B-VG zu entnehmen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997, B1565/96 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), verletzen. Des Weiteren enthält §44 Abs1 letzter Satz AsylG keine Ermessenskriterien. Die Auslegung im Sinne des Beschwerdeführers unterstellte damit der Norm, sie sei wegen Fehlens jeglicher das Ermessen regelnder näherer Bestimmungen auch aus diesem Grund verfassungswidrig.
Aufgrund dieser Überlegungen kann diese Übergangsbestimmung - trotz des nicht eindeutigen Wortlautes 'Eine Verpflichtung ... besteht nicht' - nur so verstanden werden, dass der unabhängige Bundesasylsenat in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, eine Feststellung gemäß §8 AsylG mangels strikt normierter Zuständigkeit nicht vornehmen darf."
Im Gegensatz zur wiedergegebenen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes neige der Verfassungsgerichtshof jedoch zur Meinung, daß die angenommenen gravierenden Mängel der in Rede stehenden Bestimmung zutreffendenfalls eher zu ihrer Aufhebung als verfassungswidrig zu führen hätten, wobei im Ergebnis hinzuträte, daß eine im Weg der Gesetzesaufhebung bewirkte allgemeine Anwendbarkeit des §8 AsylG dem ausdrücklich festgelegten Grundsatz näher käme, Altfälle auf dem Boden der neuen Gesetzeslage zu entscheiden.
2. Den dargelegten Bedenken könnte - wie im Einleitungsbeschluß weiters dargelegt wurde - allerdings folgendes entgegengehalten werden:
Wie der Verfassungsgerichtshof zu §8 AsylG 1991 mit Bezug auf Art33 der Genfer Flüchtlingskonvention und Art3 EMRK in seinem Erkenntnis VfSlg. 13.314/1992 ausgeführt habe, wird dem Refoulement-Verbot auf eine dem Art13 EMRK genügende Weise Rechnung getragen, sofern diese Bestimmung auf verfassungskonforme Weise ausgelegt und dieser Interpretation entsprechend angewendet wird. Im Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, B2344/00, habe der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsprechung bekräftigt und den Standpunkt eingenommen, daß das eben erwähnte Erfordernis verfassungskonformer Auslegung des §8 AsylG 1991 auch in Ansehung der Übergangsbestimmung des §44 Abs6 sowie des §15 AsylG 1997 entsprechend zu beachten sei.
Gehe man von dieser Judikatur aus, so spreche das Gebot verfassungskonformer Interpretation, wenn man es entsprechend auf den letzten Satz im §44 Abs1 bezieht, dafür, daß die Asylbehörde eine non-refoulement-Prüfung zwar nicht ausnahmslos, aber stets dann vorzunehmen habe, wenn im Asylverfahren irgendwelche Indizien hervorgekommen sind, die auf das Erfordernis einer Prüfung im Sinne des §8 AsylG hinweisen.
3. Dessenungeachtet ging der Verfassungsgerichtshof zunächst von der zitierten Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof aus. Gemäß den Gesetzesmaterialien (s. den Bericht des Ausschusses für Innere Angelegenheiten 1494 BlgNR 20. GP 4) verfolge der dem §44 AsylG durch die Novelle BGBl. I 4/1999 angefügte Abs7 ausschließlich den Zweck, bestimmte Berufungswerber (im Hinblick auf die in der Neufassung des §32 Abs1 AsylG festgelegte 10-tägige Berufungsfrist) nicht zu benachteiligen. Dem Gesetzeswortlaut nach stehe der erste Satz des Abs7 jedoch in einem offenkundigen Widerspruch zum ersten Satz des §44 Abs1 AsylG; während nämlich jener die Fortsetzung anhängiger Verfahren nach dem AsylG in der novellierten Fassung anordne, sehe der erste Satz im Abs1 die Fortsetzung nach dem AsylG schlechthin, also in der Stammfassung dieses Gesetzes vor. Nehme man im Hinblick auf diesen Widerspruch an, daß dem ersten Satz im §44 Abs1 AsylG (zwar nicht nachweisbar intendiert, aber im Ergebnis) materiell derogiert worden sei, so liege die weitere Annahme nahe, daß diese Derogation auch den in Prüfung gezogenen letzten Satz des Abs1 mitumfaßt habe, weil dieser als Ausnahme vom im ersten Satz des Abs1 statuierten Grundsatz der Fortführung anhängiger Verfahren nach der neuen Gesetzeslage anscheinend keinen isolierten Bestand haben könne.
Zu bedenken sei ferner, daß §8 AsylG seinem Wortlaut nach eine von Amts wegen vorzunehmende non-refoulement-Prüfung vorsieht. Die Anordnung des §44 Abs1 letzter Satz, eine Verpflichtung zur non-refoulement-Prüfung bestehe in bestimmten Fällen nicht, ließe sich auch als eine (bloße) Durchbrechung eines in §8 AsylG festgelegten, strikt verstandenen Amtswegigkeitsgrundsatzes deuten, sodaß die Asylbehörde in den Fällen des §44 Abs1 letzter Satz AsylG eine non-refoulement-Prüfung wohl nicht von Amts wegen, durchaus aber dann vorzunehmen habe, wenn eine solche beantragt wurde.
VI. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Prozeßvoraussetzungen des Prüfungsverfahrens bejaht, den verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofes jedoch entgegentritt und primär beantragt, die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Im einzelnen legt die Bundesregierung ua. dar:
"1.Zur behaupteten Verletzung des Gebotes der strikten Zuständigkeitsabgrenzung
...
... ist darauf hinzuweisen, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung als Übergangsbestimmung zu verstehen ist. Gegenstand der Berufungsverfahren, auf welche diese Bestimmung Anwendung finden soll, sind jeweils erstinstanzliche Bescheide, welche aufgrund der Rechtslage vor Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 erlassen wurden. Eine dem §8 Asylgesetz 1997 vergleichbare, eine Non-Refoulement-Prüfung für die Fälle der Abweisung eines Asylantrages verpflichtend vorsehende Bestimmung gehörte bis zur Erlassung des Asylgesetzes 1997 nicht dem Rechtsbestand an.
...
Zur Bestimmung des §8 Asylgesetz 1991 führte der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0800, aus:
'Aus dem Wortlaut des §8 Abs1 AsylG 1991, insbesondere aus den Worten 'von Amts wegen' folgt, daß eine Antragstellung auf diese Begünstigung im Gesetz nicht vorgesehen ist. Im übrigen besteht auf die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung kein Rechtsanspruch, sondern es kann eine solche Berechtigung ausschließlich auf Grund eines amtswegigen Verfahrens zugesprochen werden (vgl. ErlRV 270 BlgNR, XVII. GP; hier hat die Berufungsbehörde daher zu Recht den in der Berufung des Fremden enthaltenen Antrag auf Erteilung dieser Aufenthaltsberechtigung lediglich als Anregung gewertet, ohne darüber förmlich abzusprechen; Hinweis E 26.11.1993, 93/01/0108, und E 21.4.1994, 94/19/0279).'
Notwendigerweise konnte daher eine erstinstanzliche Entscheidung keinen Abspruch im Sinne des §8 Asylgesetz 1997 enthalten. Statuierte man nun eine Verpflichtung der Berufungsbehörde, in allen Fällen, in denen vor dem 1. Jänner 1998 erlassene erstinstanzliche Bescheide mittels Berufung bekämpft wurden, einen Abspruch im Sinne des §8 AsylG 1997 zu treffen, könnte eine entsprechende Entscheidung der Berufungsbehörde Gefahr laufen, in einen Widerspruch zu §66 Abs4 AVG zu geraten.
Gemäß §66 Abs4 AVG, der auch vom Unabhängigen Bundesasylsenat anzuwenden ist, hat die Berufungsbehörde - sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sache kann immer nur der angefochtene Bescheid im Umfang des Berufungsantrages sein (vgl. hiezu etwa die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, wiedergegebene Judikatur zu §66 Abs4 AVG, etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1994, Zl. 92/07/0098 welches auszugsweise wiedergegeben wird: 'Die umfassende reformatorische Befugnis der Berufungsbehörde findet ihre gesetzliche Begrenzung durch die Entscheidung 'in der Sache' insofern als es der Berufungsbehörde verwehrt ist, aus Anlaß der Berufung eine Frage zu entscheiden, die gar nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens war und nicht den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hatte (Hinweis auf die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 69 ff zu §66 AVG, wiedergegebene Judikatur). Da die Berufungsbehörde nicht über mehr als das entscheiden darf, was Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war, ist es ihr auch verwehrt, eine Entscheidung gegenüber Parteien zu treffen, die im Verfahren der unteren Instanz nicht beteiligt waren [vgl. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 538].'
Geht man von dieser Analyse der Rechtslage aus, so steht für Fälle, wie dem vorliegenden fest, dass der dem Unabhängigen Bundesasylsenat vorliegende Bescheid eine Abweisung eines Asylantrages enthält, ohne dass - für diesen Fall verpflichtend - eine Non-Refoulement-Prüfung vorgenommen worden wäre. Die Asylbehörde
1. Instanz hatte zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides mangels Geltung des Asylgesetzes 1997 dieser Verpflichtung noch nicht zu entsprechen. Dementsprechend besteht die Verpflichtung des Unabhängigen Bundesasylsenates auf dem Boden der vorher dargestellten Rechtslage ausschließlich darin, über die Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages zu entscheiden. Da ein Abspruch über die Non-Refoulement-Prüfung nicht vorlag, konnte dieser weder angefochten werden, noch kann der Unabhängige Bundesasylsenat darüber entscheiden. Der Unabhängige Bundesasylsenat hat auch nicht den Asylantrag abzuweisen, sondern hat darüber abzusprechen, ob der Berufung stattzugeben ist oder ob diese abzuweisen ist. Da in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig der Bescheid 1. Instanz eine Abweisung des Asylantrages enthält, wird der Spruch des Unabhängigen Bundesasylsenates entweder dahin gehen, dass er diese Entscheidung aufhebt und Asyl gewährt oder die Berufung abweist. Dementsprechend kommt schon nach dem klaren Wortlaut des §8 des Asylgesetzes 1997 eine Non-Refoulement-Prüfung in diesen Fällen nicht in Betracht. Der Bestimmung des 3. Satzes des §44 Abs1 Asylgesetz kommt somit insoweit nur deklaratorische Bedeutung zu.
Es ist evident, dass eine Berufungsbehörde über einen nicht bestehenden Abspruch, der dementsprechend auch nicht mit Berufung angefochten werden kann, nicht abzusprechen hat. Genauso evident ist, dass sie sich in solchen Fällen strikt an den Gesetzesauftrag zu halten hat und eine Non-Refoulement-Prüfung nur dann vorzunehmen hat, wenn sie den Asylantrag abweist. Wie oben gezeigt, liegt ein solcher Fall in der gegebenen Konstellation jedoch nicht vor. Folgt man dieser Argumentation nicht, hätte dies zur Folge, dass der Berufungsbehörde funktionell eine erstinstanzliche Zuständigkeit übertragen würde.
Im Lichte des Vorgesagten wird jedoch die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes geteilt, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung so zu verstehen ist, dass zwar keine Verpflichtung der Berufungsbehörde besteht, einen förmlichen Abspruch gemäß §8 Asylgesetz 1997 zu treffen, jedoch jedenfalls dann eine Non-Refoulement-Prüfung vorzunehmen ist, wenn im Asylverfahren Indizien hervorgekommen sind, die auf das Erfordernis einer Prüfung im Sinne des §8 Asylgesetz 1997 hinweisen. Diese Auffassung stünde nach Ansicht der Bundesregierung auch nicht im Widerspruch zu der in den genannten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes geäußerten Ansicht, dass diesfalls eine Verletzung des Gebotes der Vornahme einer strikten Zuständigkeitsverteilung vorliegen könnte.
Wie oben dargestellt, konnte aufgrund des Asylgesetzes 1991 für den Fall, dass ein Asylantrag abgewiesen wurde, durch die Behörde in berücksichtigungswürdigen Fällen dem abgewiesenen Asylwerber eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt werden. Der Verfassungsgerichtshof selbst hat zu dieser Bestimmung auch festgehalten, dass auf einen entsprechenden, von Amts wegen vorzunehmenden Abspruch kein Rechtsanspruch des Asylwerbers bestand (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2001, B2344/00). Ist nun über einen abweisenden Bescheid betreffend einen Antrag auf Asylgewährung abzusprechen, ohne dass dem Asylwerber diese vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß §8 Asylgesetz zuerkannt wurde, und stellt sich der Gesamtzusammenhang dieser beiden Entscheidungen als Verletzung des Art33 Genfer Flüchtlingskonvention, des Art3 EMRK und des Art3 der UN-Konvention gegen Folter dar (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. Nr. 13.314/1992), so wird die Berufungsbehörde im Rahmen der Entscheidung über die 'Sache' des Berufungsverfahrens einen auf §8 Asylgesetz 1997 gestützten Abspruch aufzunehmen haben. Wurde hingegen in verfassungskonformer Weise von der Behörde erster Instanz infolge Nichtvorliegens der Voraussetzungen des §8 Asylgesetz 1991 kein entsprechender Abspruch getroffen, so trifft auch die Berufungsbehörde keine Verpflichtung, eine Non-Refoulement-Prüfung im Sinne des §8 Asylgesetz 1997 zu treffen, da wie oben dargestellt, andernfalls die 'Sache' des Berufungsverfahrens durch die Entscheidung der Berufungsbehörde überschritten wurde."
VII. Auch der Bundesasylsenat erstattete eine Äußerung, in welcher er sich der Sache nach der im Prüfungsbeschluß bezogenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anschließt. Er führt im Schriftsatz ua. folgendes aus:
"Das durch die Aufhebung bewirkte Ergebnis der allgemeinen Anwendbarkeit des §8 AsylG bedeutet, dass die Frage der Abschiebungszulässigkeit in bezug auf Asylwerber, die vor dem 1.1.1998 einen Asylantrag stellten, lediglich von einer einzigen Instanz, nämlich dem Unabhängigen Bundesasylsenat zu prüfen ist. Für Asylwerber, die jedoch den Asylantrag nach dem 1.1.1998 stellten, verbleibt eine Non-refoulement-Prüfung durch zwei Instanzen, das Bundesasylamt und als Berufungsinstanz der Unabhängige Bundesasylsenat.
Diese Ungleichbehandlung ist sachlich nicht gerechtfertigt:
Die Non-refoulement-Prüfung stellt im Regelfall für einen Fremden eine Frage zwischen Leben und Tod dar. Die Ermittlung der Herkunftsländersituation gestaltet sich in den meisten Fällen äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich - als ein Beispiel unter vielen sei der Irak angeführt, wo eine Überprüfung der Menschenrechtssituation vor Ort kaum möglich ist und sich die Ermittlungsarbeit zum großen Teil nur auf Länder-dokumentationsmaterial stützen kann. Bei einer Prüfung lediglich durch eine Instanz besteht aufgrund des angesprochenen Schwierigkeitsgrades die Gefahr der nicht mehr korrigierbaren Fehleinschätzung. Es ist also gerade sachlich geboten, eine endgültige Entscheidung von zwei Instanzen tragen zu lassen.
Bei zwei Instanzen ist daher die rechtsrichtige Entscheidung eher gewährleistet als bei Prüfung durch eine Instanz.
Die Non-refoulement-Prüfung kann im Regelfall nur aufgrund einer längeren Beobachtung des zu prüfenden Herkunftsstaates zu einer rechtsrichtigen Entscheidung führen. Vor dem Hintergrund der in §73 AVG normierten Entscheidungsfrist hat der Staat im Falle eines Instanzenzuges längstens ein Jahr Zeit für die Prüfung - bei einer Entscheidung durch eine Behörde halbiert sich dieser Zeitraum. Je länger aber der vom Gesetzgeber eingeräumte Zeitraum, desto eher wiederum die Wahrscheinlichkeit einer rechtsrichtigen Entscheidung.
Gerade aber bei einer großen Anzahl Asylwerbern, deren Asylverfahren vor dem 1.1.1998 anhängig wurden, würde sich die durch die Aufhebung des dritten Satzes des §44 Abs1 AsylG bewirkte Benachteiligung im Sinne obiger Ausführungen weiter verschärfen, da die Überprüfung der Frage der Abschiebungszulässigkeit vor dem Hintergrund bereits lange zurückliegender Fluchtgeschichten zu erfolgen hat, deren Nachprüfbarkeit sich aufgrund des verstrichenen Zeitraumes noch schwieriger gestaltet. Die Gefahr der nicht mehr korrigierbaren Fehlentscheidung wäre noch größer.
Der Unabhängige Bundesasylsenat wurde im Sinne des Art129c) durch einfaches Gesetz als oberste Berufungsbehörde eingerichtet. Die Aufhebung des dritten Satzes des §44 Abs1 hätte zur Folge, dass der Unabhängige Bundesasylsenat im Bereich der Non-refoulement-Prüfung nicht mehr als Berufungsinstanz entscheidet.
Anders als die Frage der befristeten Aufenthaltsberechtigung (VfGH v. 15.5.2001, Zahl: G138/00) ist die Frage der Non-refoulement-Prüfung nicht 'als ein einer Nebenbestimmung vergleichbarer Bestandteil der berufungsbehördlichen Entscheidung über den selben Verfahrensgegenstand anzusehen, der bereits der Asylbehörde erster Instanz als Verfahrensthema vorlag', - dies könnte allenfalls im Verhältnis zwischen §57 Abs2 FrG und Art1 Abschnitt A Z2 der Genfer Flüchtlingskonvention angenommen werden, sondern erfährt diese Prüfung durch §57 Abs1 FrG jene Eigenständigkeit, welches sie als aliud zur Frage der Asylgründe darstellt. Sachverhalte, §57 Abs1 FrG betreffend, würden durch die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle erstmals in zweiter Instanz zu ermitteln und rechtlich zu beurteilen sein."
VIII. 1. Der Verfassungsgerichtshof kann an der im Prüfungsbeschluß geäußerten Ansicht nicht festhalten, daß dem ersten Satz des §44 Abs1 AsylG durch den (mit der Novelle BGBl. I 4/1999) diesem Paragraphen angefügten Abs7 materiell derogiert wurde. Dieser Auffassung steht nämlich entgegen, daß sich der erste Satz im Abs1 auf am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren, der erste Satz im Abs7 hingegen auf am 1. Jänner 1999 anhängige derartige Verfahren bezieht. Die erwähnte Novellierung des §44 hat jedoch eine Einschränkung des Geltungsbereiches des Abs1 unter zeitlichem Aspekt bewirkt, und zwar dahin, daß sich der erste Satz nur (mehr) auf Verfahren erstreckt, die während des Jahres 1998 (also vor dem im ersten Satz des Abs7 genannten Datum 1. Jänner 1999) anhängig waren. Diese Einschränkung erfaßt auch den mit dem Einleitungsbeschluß in Prüfung gezogenen letzten Satz des Abs1, weil jener - wie aus dem inhaltlichen Zusammenhang mit dem vorhergehenden zweiten Satz sowie weiters dessen Kontext mit dem ersten folgt - eine vom ersten Satz nicht abtrennbare Regelungseinheit bildet.
Der Annahme einer solchen Einschränkung, nämlich daß in den dem Abs1 unterliegenden Fällen das AsylG in dessen Stammfassung anzuwenden ist (- also im Gegensatz zu den Fällen des Abs7, in welchen das AsylG in der Fassung der Novelle BGBl. I 4/1999 in Betracht kommt -), steht nicht entgegen, daß durch die Heranziehung der eine Verpflichtung zur Refoulement-Prüfung begründenden novellierten Fassung der Bundesasylsenat als das Verfahren fortsetzende Berufungsbehörde ohne Vorliegen einer diesbezüglichen erstinstanzlichen Entscheidung befaßt wird. Denn dem Bundesasylsenat käme es unter dem verfassungsrechtlichen Aspekt seiner Einrichtung als Berufungsbehörde durchaus zu, mit einer Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Rückverweisung der Sache an die Vorinstanz wegen eines als fehlend anzusehenden non-refoulement-Abspruches vorzugehen.
2. Aus den dargetanen Erwägungen ergibt sich im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des in der Anlaßbeschwerdesache angefochtenen Bescheides (welcher in einer Verhandlung vor dem Bundesasylsenat vom 14. Mai 2001 mündlich verkündet wurde), daß die in Prüfung genommene Gesetzesstelle nicht präjudiziell im Sinne des Art140 Abs1 B-VG ist.
Das Gesetzesprüfungsverfahren war sohin einzustellen.
IX. Dieser Beschluß wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefaßt.
Schlagworte
Asylrecht, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Übergangsbestimmung, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G142.2002Dokumentnummer
JFT_09978992_02G00142_00