TE OGH 2003/4/10 Bsw43454/98

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Veröffentlicht am 10.04.2003
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Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Bakker gegen Österreich, Urteil vom 10.4.2003, Bsw. 43454/98.Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer römisch eins, Beschwerdesache Bakker gegen Österreich, Urteil vom 10.4.2003, Bsw. 43454/98.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK, § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - Keine mündliche Verhandlung vor dem VwGH.Artikel 6, Absatz eins, EMRK, Paragraph 39, Absatz 2, Ziffer 6, VwGG - Keine mündliche Verhandlung vor dem VwGH.

Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (einstimmig).Verletzung von Artikel 6, Absatz eins, EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK: Was den Zuspruch von immateriellem Schaden betrifft, stellt das Urteil selbst eine ausreichende gerechte Entschädigung dar. EUR 4.500,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).Entschädigung nach Artikel 41, EMRK: Was den Zuspruch von immateriellem Schaden betrifft, stellt das Urteil selbst eine ausreichende gerechte Entschädigung dar. EUR 4.500,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf. ist niederländischer Staatsangehöriger. Seine Ausbildung zum Physiotherapeuten, die er in Belgien absolvierte, schloss er 1986 mit einem Diplom ab. Von 1987 bis 1993 war er in Österreich für einen Verein als Physiotherapeut tätig.

Am 11.1.1995 wurde sein Diplom vom Vorarlberger Landeshauptmann als gleichwertig anerkannt. Am 4.4.1995 stellte der Bf. beim Landeshauptmann einen Antrag auf Bewilligung der freiberuflichen Ausübung des gehobenen medizinischtechnischen Dienstes als Physiotherapeut. Der Antrag wurde am 26.7.1995 abgewiesen, da der Bf. den Erfordernissen des § 7 (3) des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) nicht entspreche. Nach dieser Bestimmung dürfe eine Genehmigung zur selbständigen Berufsausübung als Physiotherapeut erst nach einer dreijährigen Berufspraxis erteilt werden.Am 11.1.1995 wurde sein Diplom vom Vorarlberger Landeshauptmann als gleichwertig anerkannt. Am 4.4.1995 stellte der Bf. beim Landeshauptmann einen Antrag auf Bewilligung der freiberuflichen Ausübung des gehobenen medizinischtechnischen Dienstes als Physiotherapeut. Der Antrag wurde am 26.7.1995 abgewiesen, da der Bf. den Erfordernissen des Paragraph 7, (3) des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) nicht entspreche. Nach dieser Bestimmung dürfe eine Genehmigung zur selbständigen Berufsausübung als Physiotherapeut erst nach einer dreijährigen Berufspraxis erteilt werden.

Auf Grund der vom Bf. erhobenen Berufung wurde vom BM für Gesundheit und Konsumentenschutz die Abweisung des Antrags gemäß § 68 (6) KrankenpflegeG ausgesprochen. Dagegen richtete sich die am 11.4.1996 vom Bf. erhobene Bsw. an den VwGH. Der Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ersuchte den VwGH, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.Auf Grund der vom Bf. erhobenen Berufung wurde vom BM für Gesundheit und Konsumentenschutz die Abweisung des Antrags gemäß Paragraph 68, (6) KrankenpflegeG ausgesprochen. Dagegen richtete sich die am 11.4.1996 vom Bf. erhobene Bsw. an den VwGH. Der Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ersuchte den VwGH, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

Die Bsw. des Bf. wurde vom VwGH am 20.1.1998 als unbegründet abgewiesen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sah er gemäß § 39 (2) Z.6 VwGG ab. Der VwGH erachtete die Entscheidung des Landeshauptmanns als rechtmäßig und sah keinen Grund für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH.Die Bsw. des Bf. wurde vom VwGH am 20.1.1998 als unbegründet abgewiesen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sah er gemäß Paragraph 39, (2) Ziffer , VwGG ab. Der VwGH erachtete die Entscheidung des Landeshauptmanns als rechtmäßig und sah keinen Grund für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (hier: Recht auf eine mündliche Verhandlung).Der Bf. behauptet eine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK (hier: Recht auf eine mündliche Verhandlung).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 (1) EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK:

Der Bf. bringt vor, im Verfahren über die Erteilung der Genehmigung zur Berufsausübung als selbständiger Physiotherapeut sei entgegen Art. 6 (1) EMRK keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Der GH stellt fest, dass der Landeshauptmann und das BM für Gesundheit und Konsumentenschutz keine Tribunale iSv. Art. 6 (1) EMRK sind. Nur der VwGH und der VfGH können als solche betrachtet werden. Der Bf. hatte im Verfahren über die Bewilligung der freiberuflichen Ausübung seines Berufs grundsätzlich einen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. In seiner Bsw. an den VwGH beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und nichts deutet darauf hin, dass der Gegenstand des Verfahrens seiner Art nach besser in einem schriftlichen Verfahren abgehandelt hätte werden können. Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den VwGH begründet daher eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (einstimmig).Der Bf. bringt vor, im Verfahren über die Erteilung der Genehmigung zur Berufsausübung als selbständiger Physiotherapeut sei entgegen Artikel 6, (1) EMRK keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Der GH stellt fest, dass der Landeshauptmann und das BM für Gesundheit und Konsumentenschutz keine Tribunale iSv. Artikel 6, (1) EMRK sind. Nur der VwGH und der VfGH können als solche betrachtet werden. Der Bf. hatte im Verfahren über die Bewilligung der freiberuflichen Ausübung seines Berufs grundsätzlich einen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. In seiner Bsw. an den VwGH beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und nichts deutet darauf hin, dass der Gegenstand des Verfahrens seiner Art nach besser in einem schriftlichen Verfahren abgehandelt hätte werden können. Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den VwGH begründet daher eine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK:Entschädigung nach Artikel 41, EMRK:

Was den Zuspruch von immateriellem Schaden betrifft, stellt das Urteil selbst eine ausreichende gerechte Entschädigung dar. EUR

4.500,-- für Kosten und Auslagen (einstimmig).

Vom GH zitierte Judikatur:

Schuler-Zraggen/CH v. 24.6.1993, A/263 (= NL 1993/4, 30 = EuGRZ 1996, 604 = ÖJZ 1994, 138).

Fredin/S (Nr. 2) v. 23.2.1994, A/283-A (= NL 1994, 81 = ÖJZ 1994,

565).

De Moor/B v. 23.6.1994, A/292-A (= NL 1994, 234).

Fischer/A v. 26.4.1995, A/312 (= NL 1995, 87).

Pauger/A v. 28.5.1997 (= NL 1997, 95 = ÖJZ 1997, 836).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 10.4.2003, Bsw. 43454/98, entstammt der Zeitschrift „ÖIM-Newsletter" (NL 2003, 88) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/03_2/Bakker.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Anmerkung

EGM00445 Bsw43454.98-U

Dokumentnummer

JJT_20030410_AUSL000_000BSW43454_9800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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