TE OGH 2003/4/24 6Ob55/03m

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Veröffentlicht am 24.04.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Andreas T*****, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2002, GZ 5 R 126/02i-45, womit über die Berufungen der klagenden Partei und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 28. März 2002, GZ 1 Cg 10/96s-37, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist Medieninhaberin einer wöchentlich erscheinenden Zeitschrift. In den Jahren 1994 und 1995 wurden Artikel über damals noch nicht aufgeklärte Briefbombenattentate veröffentlicht. Darin wurde auch über den Kläger als Tatverdächtigen berichtet und dessen Fotos veröffentlicht.

Der Kläger begehrt die Unterlassung der Veröffentlichung seines Fotos, wenn (durch den Begleittext) der Eindruck erweckt werde, dass er Hauptverdächtiger der Briefbombenserien sowie der Rohrbombenanschläge in Klagenfurt und Oberwart sei, bei ihm verschiedenste Chemikalien sichergestellt wurden, er darüber hinaus ihn belastendes Material zur Seite schaffte und sich bequem darauf vorbereitete, selbst den Märtyrer zu spielen, er als unumstrittener Führer der Nationalistischen Front Ostmark gelte, zum gewaltsamen Systemsturz bzw Gewalt gegen den Staat aufrufe, was wieder die Bombenanschläge zur Folge hätte. Der Kläger begehrt ferner die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung und den Widerruf von 13 Tatsachenbehauptungen (ua der Kläger rufe zum bewaffneten Kampf auf; er kündige Gewalt gegen den Staat an; bei einer Hausdurchsuchung hätten mehrere Autos den A*****hof, "knallvoll mit vermutlich belastendem Material" verlassen).

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Nach den getroffenen Feststellungen habe zwar gegen den Beklagten "eine gewisse Verdachtslage bestanden", der Kläger sei aber keineswegs - wie von der Beklagten dargestellt - der Hauptverdächtige gewesen. Die Wahrheit der bekämpften Textstellen stehe nicht fest. Behördliche Mitteilungen an Journalisten der Beklagten habe es nicht gegeben. Durch Mutmaßungen, unrichtige und auf keinerlei Rechercheergebnisse beruhenden Behauptungen seien Verdächtigungen "herbeigeschrieben" worden und eine möglicherweise bestehende Verdachtslage grundlos verstärkt worden. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass bei der Zulässigkeit der Bildveröffentlichung der Begleittext mitzuberücksichtigen sei. Ein Informationsinteresse an der Darstellung einer in Wahrheit nicht gegebenen dringenden Verdachtslage sei zu verneinen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO unzulässig:

1. Zum Widerrufsbegehren:

Das Berufungsgericht hat zutreffend die im inhaltlichen Zusammenhang stehenden Artikel der Beklagten nach dem gebotenen Zusammenhang (RIS-Justiz RS0032489; RS0031883) in einer Gesamtschau (6 Ob 249/01p) dahin beurteilt, dass die Beklagte nicht über von der Behörde geäußerte oder aus eigenem recherchierte konkrete Lebenssachverhalte berichtet, sondern mit unwahren Tatsachenbehauptungen erst einen falschen Tatverdacht erzeugt hat. Die Revisionswerberin führt - wie schon im Berufungsverfahren - nicht ins Treffen, dass die über den Kläger behaupteten Tatsachenbehauptungen wahr seien. Sie steht nur auf dem Standpunkt, dass nicht festgestellt worden sei, dass die bekämpften Behauptungen von der Beklagten stammten. Diesem Rechtsmittelvorbringen sind die Feststellungen des Erstgerichtes aus den insgesamt neun Artikeln der Beklagten entgegenzuhalten. Entgegen dem Revisionsvorbringen liegt eine Rufschädigung der hier auch ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen (§ 1330 Abs 1 ABGB), die nicht nur rufschädigend nach Abs 2 leg cit sind, ohnehin auf der Hand. Nach dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Äußerungen hat die Beklagte gegenüber dem Kläger den Vorwurf der Täterschaft an einem noch nicht aufgeklärten Kapitalverbrechen erhoben. Nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist die Haftung des Täters auch dann zu bejahen, wenn die ehrenrührige Äußerung in Verdachts- oder Vermutungsform erfolgte, weil der Ehrenschutz nicht durch geschickte Formulierungen des Täters verhindert werden soll (SZ 69/113; 6 Ob 218/98x mwN). Warum der im Gesamtzusammenhang zu beurteilende Vorwurf eines Verbrechens gegenüber einer erwachsenen Person nicht rufschädigend sein soll, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.Das Berufungsgericht hat zutreffend die im inhaltlichen Zusammenhang stehenden Artikel der Beklagten nach dem gebotenen Zusammenhang (RIS-Justiz RS0032489; RS0031883) in einer Gesamtschau (6 Ob 249/01p) dahin beurteilt, dass die Beklagte nicht über von der Behörde geäußerte oder aus eigenem recherchierte konkrete Lebenssachverhalte berichtet, sondern mit unwahren Tatsachenbehauptungen erst einen falschen Tatverdacht erzeugt hat. Die Revisionswerberin führt - wie schon im Berufungsverfahren - nicht ins Treffen, dass die über den Kläger behaupteten Tatsachenbehauptungen wahr seien. Sie steht nur auf dem Standpunkt, dass nicht festgestellt worden sei, dass die bekämpften Behauptungen von der Beklagten stammten. Diesem Rechtsmittelvorbringen sind die Feststellungen des Erstgerichtes aus den insgesamt neun Artikeln der Beklagten entgegenzuhalten. Entgegen dem Revisionsvorbringen liegt eine Rufschädigung der hier auch ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen (Paragraph 1330, Absatz eins, ABGB), die nicht nur rufschädigend nach Absatz 2, leg cit sind, ohnehin auf der Hand. Nach dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Äußerungen hat die Beklagte gegenüber dem Kläger den Vorwurf der Täterschaft an einem noch nicht aufgeklärten Kapitalverbrechen erhoben. Nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist die Haftung des Täters auch dann zu bejahen, wenn die ehrenrührige Äußerung in Verdachts- oder Vermutungsform erfolgte, weil der Ehrenschutz nicht durch geschickte Formulierungen des Täters verhindert werden soll (SZ 69/113; 6 Ob 218/98x mwN). Warum der im Gesamtzusammenhang zu beurteilende Vorwurf eines Verbrechens gegenüber einer erwachsenen Person nicht rufschädigend sein soll, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

Die Revisionsausführungen zum fehlenden Verschulden, das Voraussetzung für den im Schadenersatzrecht begründeten Widerrufsanspruch ist, gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt über fehlende Recherchen der Beklagten und über die Veröffentlichung von Sachverhalten ohne entsprechende Grundlage aus. Beweisfragen sind nicht revisibel. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsachen-, sondern Rechtsinstanz. Die Revisionswerberin greift unzulässig die Beweiswürdigung der Vorinstanzen an. Auf dem Boden der getroffenen Feststellungen liegt in der Bejahung der Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht keine rechtliche Fehlbeurteilung, die aus Anlass eines außerordentlichen Rechtsmittels aufgegriffen werden könnte.

Richtig ist zwar, dass die Beklagte nach dem antragsgemäß erfolgten Urteilsspruch zu widerrufen hätte, dass die Behauptungen der Beklagten nicht richtig sind (das Ergebnis eines solchen Widerrufs wäre damit, dass die Behauptungen gemäß der Widerrufserklärung wahr sind). Es liegt auf der Hand, dass ein offenkundig berichtigungsfähiger Mangel vorliegt, weil kein Zweifel daran bestehen kann, was der Kläger widerrufen haben wollte und was die Vorinstanzen zusprachen. Das Erstgericht wird seinen Spruch gemäß § 419 ZPO zu berichtigen haben (etwa durch Streichung des Einleitungshalbsatzes: "Es ist nicht richtig ...").Richtig ist zwar, dass die Beklagte nach dem antragsgemäß erfolgten Urteilsspruch zu widerrufen hätte, dass die Behauptungen der Beklagten nicht richtig sind (das Ergebnis eines solchen Widerrufs wäre damit, dass die Behauptungen gemäß der Widerrufserklärung wahr sind). Es liegt auf der Hand, dass ein offenkundig berichtigungsfähiger Mangel vorliegt, weil kein Zweifel daran bestehen kann, was der Kläger widerrufen haben wollte und was die Vorinstanzen zusprachen. Das Erstgericht wird seinen Spruch gemäß Paragraph 419, ZPO zu berichtigen haben (etwa durch Streichung des Einleitungshalbsatzes: "Es ist nicht richtig ...").

2. Zur Unterlassung der Bildveröffentlichung:

Bei nicht allgemein bekannten Personen des öffentlichen Lebens wird durch die Beigabe des Bildes zum Text eine Prangerwirkung erzielt, weil der Angriffene damit einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht wird. Die Bildveröffentlichung kann dann nur im Rahmen einer Interessenabwägung gerechtfertigt sein, wenn das Veröffentlichungsinteresse des Bildverbreiters überwiegt. Wenn dieses Interesse vom Eingreifenden nicht behauptet wird, hat eine Interessenabwägung nicht stattzufinden (RIS-Justiz RS0077767). Diese Grundsätze gelten auch bei einer allgemein bekannten Person, deren Aussehen der Öffentlichkeit noch nicht bekannt ist (SZ 72/97). Bei der Interessenabwägung ist der Begleittext mit zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit dieser Rechtsprechung ein überwiegendes Interesse an der Bildveröffentlichung verneint, auch wenn der Kläger (insbesondere wegen der festgestellten Vorverurteilung nach dem Verbotsgesetz) der rechten "Szene" zugeordnet werden konnte. Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 1135/94 = MR 1995, 228 stützt ihren Standpunkt nicht, wurde doch dort ausgeführt, dass die Bildveröffentlichung einer eines Verbrechens verdächtigen Person durchaus nicht im eindeutig überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit liegen muss. Nach der Entscheidung 4 Ob 184/97f = SZ 70/183 muss sich der im Rahmen einer Kriminalberichterstattung Abgebildete auf eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seiner Interessen berufen können. Dies wurde aber nur für den Fall ausgesprochen, dass der Begleittext wahr ist und nur über einen in Wahrheit bestehenden konkreten Tatverdacht berichtet wurde. Davon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entscheidend dadurch, dass der Begleittext zur Bildveröffentlichung nicht als wahr festgestellt wurde, sodass die Interessenabwägung schon aus diesem Grund zugunsten des Klägers ausschlagen muss.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Anmerkung

E69300 6Ob55.03m

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0060OB00055.03M.0424.000

Dokumentnummer

JJT_20030424_OGH0002_0060OB00055_03M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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