TE OGH 2003/4/24 2Ob233/01f

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Veröffentlicht am 24.04.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei X***** GmbH, ***** vertreten durch Dr Karl-Heinz Plankel ua Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei B***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Widerruf des erfolgten Abrufes einer Bankgarantie, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 12. Juli 2001, GZ 1 R 181/01i-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 10. Mai 2001, GZ 20 C 1099/01p-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei hat der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit EUR 2.146,74 (darin enthalten EUR 357,83 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Gegnerin der gefährdeten Partei (Antragsgegnerin) beauftragte die gefährdete Partei (Antragstellerin) mit der Fertigung, Lieferung und Montage von Stahlbauten gemäß den Produktionsplänen des DI Peter W*****; der von der Antragstellerin am 31. Juli 2000 bestätigte Auftrag wurde von der Antragsgegnerin am 24. August 2000 angenommen. Gleichzeitig verpflichtete sich die Antragsgegnerin zur Leistung einer Anzahlung in Höhe von S 2,5 Mio. Diese Anzahlung sollte mit einer von der Antragstellerin zu erbringenden und auch in der Folge erbrachten Bankgarantie besichert werden. Am 29. August 2000 stellte die Bank Austria eine zunächst bis 28. Februar 2000, dann mit 30. April 20001 befristete Bankgarantie nachstehenden Inhalts aus:

"Wir haben Kenntnis davon, dass unser Kunde, die Firma X***** GmbH, ***** im Zusammenhang mit dem Auftrag gemäß Auftragsbestätigung vom 31. Juli 2000 zur Besicherung einer Anzahlung die Garantie eines Kreditinstitutes zu erbringen hat.

Im Auftrag des vorgenannten Kunden übernehmen wir hiemit die Garantie für einen Betrag von S 2,5 Mio und verpflichten uns, innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung Ihrer schriftlichen Aufforderung ohne weitere Prüfung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses und unter Verzicht auf jede Einwendung bis zur Höhe des oben bezeichneten Betrages an Sie Zahlung zu leisten.

Ihre vorgenannte Zahlungsaufforderung ist von Herrn Ferdinand J***** GmbH Klagenfurt und Herrn DI Peter W*****, gemeinsam zu unterfertigen und hat die Erklärung zu beinhalten, dass 1. a) die Lieferungen/Leistungen der Firma X***** GmbH Rankweil an die Firma B***** GmbH Klagenfurt nicht vertragsgemäß oder mangelhaft erfolgt sind und unter b) eine angemessene Frist zur Verbesserung dieser mangelhaften/nicht vertragsgemäßen Lieferungen/Leistungen verstrichen ist und diese Mängel nicht auf Planungsfehler zurückzuführen sind oder 2. a) die Firma X***** GmbH Rankweil mit ihren Lieferungen/Leistungen an die Firma B***** GmbH Klagenfurt trotz Anmahnung und Setzung einer Nachfrist von mindestens 14 Tagen in Verzug ist und b) dieser Lieferrückstand nicht auf unberechtigte Zahlungsrückstände der Firma B***** GesmbH Klagenfurt zurückzuführen ist."

Mit einem am 30. April 2001 bei der Bank Austria AG eingelangten Schreiben nahm die Antragsgegnerin diese Bankgarantie in Anspruch. Gleichzeitig gaben Ferdinand J***** und DI Peter W***** die in Punkt 1. a) b) und 2. a) und b) der Bankgarantie vom 29. August 2000 vorgesehene Erklärung ab.

Mit einem vor Einleitung des Rechtsstreites gestellten Sicherungsantrag stellte die Antragstellerin den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts,

1. dass die Gegnerin der gefährdeten Partei zur Besicherung des der gefährdeten Partei zustehenden Anspruchs auf Widerruf des erfolgten Abrufes der Bankgarantie vom 29. August 2000 die Entgegennahme von Zahlungen der Bank Austria AG aus dieser Bankgarantie sowie sonstiger Verfügung darüber untersagt werde,

2. dass der Bank Austria AG bis auf weitere gerichtliche Anordnung die Leistung von Zahlungen aus der Bankgarantie vom 29. August 2000 an die Gegnerin der gefährdeten Partei untersagt und

3. dass die einstweilige Verfügung bis zum 7. August 2001 erlassen werde,

sowie das Eventualbegehren des Inhalts,

1. dass der Gegnerin der gefährdeten Partei zur Besicherung des der gefährdeten Partei zustehenden Anspruchs auf Widerruf des erfolgten Abrufs der Bankgarantie vom 29. August 2000 die Entgegennahme von Zahlungen der Bank Austria AG aus dieser Bankgarantie sowie die sonstige Verfügung darüber untersagt werde, und 2. dass der Bank bis auf weitere gerichtliche Anordnung die Leistungen von Zahlungen aus der Bankgarantie an die Gegnerin der gefährdeten Partei untersagt werde.

Die Inanspruchnahme der Bankgarantie sei rechtsmissbräuchlich, die in der Bankgarantie beschriebenen Voraussetzungen für den Abruf lägen nicht vor. Zur Behebung der tatsächlich aufgetretenen Mängel habe die Antragsgegnerin keine angemessene Nachfrist zur Verbesserung gesetzt, im Übrigen habe die Antragstellerin die Mängel ohne ihr Verschulden nicht beheben können. Die Antragstellerin sei mit ihren Leistungen auch nicht in Verzug. Ursprünglich hätten sich Antragstellerin und Antragsgegnerin vorbehalten, den genauen Zeitplan für Lieferung und Montage gemeinsam im Laufe der geschäftlichen Beziehung abzustimmen. Zwar sei am 20. Dezember 2000 die Fertigstellung der Splittanlage bis zum Beginn der Elektroinstallationen Ende der ersten Februarwoche 2001 avisiert worden. Die Antragsgegnerin habe betreffend die Putzanlage gefordert, dass Ende März mit dem Probebetrieb begonnen werden müsse. In der Baubesprechung am 7. April 2001 habe sie erklärt, die Fertigstellung der Splittanlage spätestens in der Kalenderwoche 22 und jene der Putzanlage in der Kalenderwoche 28 zu wünschen. Auch habe die Antragstellerin die Terminisierung in der Vereinbarung vom 12. April 2001 nicht akzeptiert. Verbindliche Fertigstellungstermine seien nie vereinbart worden. Darüber hinaus sei die Antragsgegnerin der Antragstellerin für bereits erbrachte Lieferungen und Leistungen den bereits fällig gestellten Betrag von S 5,985.011,09 schuldig. Davon habe die Antragsgegnerin einen Teilbetrag von S 2,455.318,60 "sprichwörtlich" außer Streit gestellt. Die Antragsgegnerin verweigere grundlos diese Zahlungen. Eine Gefährdung ihres Anspruchs auf Widerruf des bereits erfolgten Abrufes der Bankgarantie sei durch die unmittelbar bevorstehende Aussage gegeben. Die Antragstellerin bot für der Antragsgegnerin allenfalls drohende Nachteile Sicherheitsleistung durch den gerichtlichen Erlag von S 2,5 Mio an.

Das Erstgericht gab - ohne Anhörung der Gegnerin - dem Hauptbegehren des Sicherungsantrages auf Grund der vorgelegten Urkunde statt, ohne der Antragstellerin den Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung zu erteilen. Es ging von den eingangs dargestellten Feststellungen aus und nahm als nicht bescheinigt an, dass die Voraussetzungen zum Abruf der Bankgarantie vorgelegen seien. Damit sei der behauptete Anspruch und dessen behauptete Gefährdung ausreichend bescheinigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung (Haupt- und Eventualbegehren) auf Grund seiner eigenen Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden und der daraus getroffenen negativen Feststellungen ab. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es kam danach zur Auffassung, dass die Behauptungen der Antragstellerin nicht eindeutig und evident bescheinigt seien. Es liege im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen. Bei einer abstrakten Bankgarantie sei der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, also nicht akzessorisch. Besonders scharf betont sei die Abstraktheit bei einer Garantie ohne Einwendung. Die Inanspruchnahme einer gegebenen Bankgarantie durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dürfe nicht unterlaufen werden. Ein Anspruch des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Widerruf des Abrufes einer Bankgarantie könne durch einstweilige Verfügung nur unter bestimmten Umständen gesichert werden. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nur dann zulässig, wenn der Begünstigte die Garantie rechtsmissbräuchlich oder arglistig in Schädigungsabsicht in Anspruch nehme. Nur dann, wenn eindeutig feststehe, dass der Begünstigte keinen Anspruch gegen den Dritten habe und die Leistung sofort wieder herauszugeben habe, wäre die Inanspruchnahme der Garantie missbräuchliche Rechtsausübung. Voraussetzung für einen Rechtsmissbrauch sei, dass zwischen dem vom Handelnden verfolgten eigenen Interesse und den beeinträchtigten Interessen des Anderen ein krasses Missverhältnis bestehe. Der Schädigungszweck müsse augenscheinlich so sehr im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund träten. So sei Rechtsmissbrauch gegeben, wenn der Begünstigte die Leistung abgerufen habe, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass ihm keine Leistung gebühre. Sei der Begünstigte hingegen subjektiv der Meinung, nach dem wahren Vertragswillen der Parteien habe die Bankgarantie der Sicherung seiner Kreditforderung gedient, liege keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie vor. In beiden Fällen, also bei rechtsmissbräuchlicher oder arglistiger Inanspruchnahme der Bankgarantie werde nach ständiger Rechtsprechung der liquide und eindeutige Nachweis des Nichteintrittes des Garantiefalles gefordert. Die Bejahung oder Verneinung der Eindeutigkeit und Evidenz des vom Antragsteller zu erbringenden Nachweises über den Rechtsmissbrauch stelle einen Akt der richterlichen Beweiswürdigung dar. Ob die Tatsachen in rechtlicher Hinsicht geeignet seien, den Vorwurf des Rechtsmissbrauches zu rechtfertigen, sei eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Aus den vom Rekursgericht getroffenen Feststellungen ergebe sich, dass die Antragstellerin nicht eindeutig bescheinigt habe, dass die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Abruf der Bankgarantie habe, weshalb der Begünstigten ein rechtsmissbräuchliches oder arglistiges Verhalten nicht vorgeworfen werden könne. Die Behauptung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin sei für bereits erbrachte Lieferungen und Leistungen den schon fällig gestellten Betrag von S 5,985.011,09 schuldig, wovon ein Betrag von S 2,455.318,60 sprichwörtlich außer Streit gestellt worden sei, könne nicht zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs oder einer Schädigungsabsicht ausreichen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage, ob der Begünstigte für bereits erbrachte Lieferungen und Leistungen den schon ziffernmäßig bezeichneten fällig gestellten Betrag schuldig sei und davon einen ziffernmäßig bestimmten Betrag sprichwörtlich außer Streit gestellt habe, zur Annahme des Nichteintritts des Garantiefalls und zur Verneinung des Vorliegens eines Rechtsmissbrauches berechtige, fehle.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragstellerin macht - zusammengefasst - geltend, dass die Antragsgegnerin anerkannt habe, der Antragstellerin einen Betrag von S 2,455.318,16 zu schulden. Die Inanspruchnahme der Bankgarantie erweise sich daher als sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich, weil der Begünstigte einer Bankgarantie keine Leistung beanspruchen könne, solange er selbst seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Vertragspartner mutwillig und wider besseres Wissen nicht erfülle.

Vorauszuschicken ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung für den Vorwurf des Rechtsmissbrauches bei der Inanspruchnahme einer Bankgarantie allgemein gefordert wird, dass das Nichtbestehen eines Anspruches des Begünstigten im Valutaverhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie als evident erwiesen war oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch, handelt (SZ 66/140; RIS-Justiz RS0017997). Auch ist die Schutzwürdigkeit des Begünstigten aus einer Bankgarantie dann nicht mehr gegeben, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, dass er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte. Dann wäre die Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten missbräuchliche Rechtsausübung (SZ 66/82).

Dass die Antragsgegnerin die Fälligkeit einer Forderung der Antragstellerin in der Höhe von S 2,455.318,60 ("sprichwörtlich") außer Streit gestellt hätte, wurde weder festgestellt, noch ergibt sich eine solche Außerstreitstellung aus der von der Antragstellerin dafür vorgelegten Urkunde Beilage G. Punkt 4 dieser Urkunde lautet nur dahin, dass dieser Verrechnungssaldo "aus der Sicht des Auftragnehmers" besteht, wogegen die Antragsgegnerin dort deponierte, dass (lediglich) "Unsicherheit darüber" bestehe, "ob sämtliche in diesem Saldo enthaltenen Rechnungen ... freigegeben wurden"; weiters wurde dort festgehalten, dass eine "exakte Abstimmung aus zeitlichen Gründen nicht unmittelbar möglich ist". Daraus kann aber ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragsgegnerin bei Inanspruchnahme der Bankgarantie nicht abgeleitet werden.

Nach der vom Berufungsgericht ausführlich wiedergegebenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes muss aber der Rechtsmissbrauch evident sein, was hier nicht der Fall ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78 und 402 EO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO in Verbindung mit Paragraphen 78 und 402 EO.

Textnummer

E69175

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00233.01F.0424.000

Im RIS seit

24.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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