TE OGH 2003/4/29 4Ob16/03m

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2003
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Michael C*****, Rechtsanwalt, *****, wider die beklagte Partei Dr. Georg Z*****, vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Franz Markus Nestl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 35.609,69 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. Oktober 2002, GZ 2 R 78/02h-13, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 14. Februar 2002, GZ 39 Cg 129/01s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt lautet:

"Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen, worauf das Klagebegehren gerichtet ist, wird der beklagten Partei ab sofort und bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über den Unterlassungsanspruch verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wahrheitswidrig oder ohne konkrete Namensnennung zu behaupten, dass es unter den österreichischen Rechtsanwälten solche gebe, die sich mit fremdem Geld einen Ferrari kaufen.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagte Partei hat ihre diesbezüglichen Kosten endgültig selbst zu tragen."

Text

Begründung:

Der Kläger ist ein seit 30. Juli 1991 in die Liste der Rechtsanwälte eingetragener Rechtsanwalt mit dem Kanzleisitz in Wien. Der Beklagte ist öffentlicher Notar in Wien. In seiner Funktion als Medienreferent der österreichischen Notare gab er anlässlich einer Pressekonferenz der Österreichischen Notariatskammer im Burgtheater ein Interview, das in der Ausgabe der Tageszeitung "Kurier" vom 10. 9. 2001 erschienen ist. Der Artikel präsentiert sich wie folgt:

Nachdem der Kläger beim "Kurier" in Erfahrung gebracht hatte, dass die Aussage: "Es gibt keine jungen unerfahrenen Notare, die sich mit fremdem Geld einen Ferrari kaufen" vom Beklagten stammt, forderte er diesen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf; dieser lehnte jedoch ab.

Der Kläger beantragt zur Sicherung seines gleichlautenden Unterlassungsanspruchs, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Klage ergebenden Urteils zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr wahrheitswidrig oder ohne konkrete Namensnennung zu behaupten, es gebe unter den österreichischen Rechtsanwälten solche, die sich mit fremdem Geld einen Ferrari kauften. Da der Beklagte die Äußerung "Es gibt keine jungen, unerfahrenen Notare, die sich mit fremdem Geld einen Ferrari kaufen" im Rahmen einer Werbeaktion der Notare abgegeben habe, sei eindeutig, dass hier auf die österreichischen Rechtsanwälte Bezug genommen werde, weil von diesen - abgesehen von Notaren - Treuhandabwicklungen durchgeführt würden. Da keine Namen genannt worden seien, würden damit alle Rechtsanwälte grundlos beschimpft. Die aggressive Pauschalabwertung eines ganzen Berufsstandes sei verboten und sittenwidrig. Es bestehe die Gefahr, dass einzelne Mandanten wegen der Aussagen des Beklagten ihr Vollmachtsverhältnis zum Kläger auflösten oder sich mit Treuhandaufträgen statt an ihn an einen Notar wendeten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags und erwiderte, er habe zwar die im Kurier-Artikel wiedergegebene Äußerung "Es gibt keine jungen, unerfahrenen Notare, die sich mit fremdem Geld einen Ferrari kaufen" gemacht, aber niemals gesagt, dass es unter den österreichischen Rechtsanwälten solche gebe, die sich mit fremdem Geld einen Ferrari kauften. Die Bezugnahme auf die Rechtsanwälte im Kurier-Artikel stamme nicht von ihm, sondern vom Zeitungsredakteur.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Finde eine Beleidigung eines Kollektivs statt, so könne ein einzelnes Mitglied des Kollektivs nur dann persönlich betroffen (und damit klagelegitimiert) sein, wenn das Kollektiv überschaubar sei. Bei einer Gesamtzahl von rund 4.000 Rechtsanwälten in Österreich sei die Betroffenheit und damit die Klage-/Antragslegitimation des Klägers zu verneinen. Im Übrigen habe die Aussage des Beklagten nicht den gesamten Stand der Rechtsanwälte im Auge gehabt, sondern bloß Einzelfälle ("schwarze Schafe") aufzeigen wollen. Dies sei einem maßgerechten Durchschnittsleser der betroffenen Tageszeitung wohl durchaus bewusst, möge auch die Äußerung des Beklagten reichlich unangebracht gewesen sein. Schließlich habe er aber nicht behauptet, alle Rechtsanwälte "kauften sich mit fremdem Geld einen Ferrari".

Das vom Kläger angerufene Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts und meinte noch zusätzlich, der Kläger habe nicht einmal vorgebracht, dass er ein "junger, unerfahrener" Rechtsanwalt sei, sodass ihn der Durchschnittsleser auch nicht "identifizieren" hätte können.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch der Vorinstanzen zulässig, weil das Rekursgericht - wie schon das Erstgericht - die Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Pauschalabwertung (des Angebots, der Person) der Konkurrenz nicht beachtet hat. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Offenkundig (§ 269 ZPO) ist, dass zwischen Rechtsanwälten und Notaren auf den verschiedensten Gebieten der Rechtspflege ein Konkurrenzverhältnis besteht. Dass - wie der Kläger behauptet - der im Anlassfall als Medienreferent der österreischischen Notare auftretende Beklagte im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs handelte, blieb unwidersprochen und unterliegt auch keinem Zweifel.Offenkundig (Paragraph 269, ZPO) ist, dass zwischen Rechtsanwälten und Notaren auf den verschiedensten Gebieten der Rechtspflege ein Konkurrenzverhältnis besteht. Dass - wie der Kläger behauptet - der im Anlassfall als Medienreferent der österreischischen Notare auftretende Beklagte im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs handelte, blieb unwidersprochen und unterliegt auch keinem Zweifel.

Es entspricht stRsp des erkennenden Senats, dass die im Rahmen einer vergleichenden Werbung (etwa auch eines Systemvergleichs) erfolgende pauschale Abwertung der Konkurrenz die Sittenwidrigkeit der betreffenden Werbemaßnahme bewirkt, weil dabei der Boden der Sachlichkeit verlassen wird (für viele: MR 2002, 107 - Heilmassagen mwN; Gamerith, Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur vergleichenden Werbung in HWR 1988, H 6, 7 ff [21]). Für solche Fälle ist aber die Frage der Aktivlegitimation nicht nach der Judikatur (zu §§ 1330 ABGB und 7 UWG) über die persönliche Betroffenheit des Einzelnen eines Kollektivs zu lösen - wie dies die Vorinstanzen taten -, sondern jeder Konkurrent zur Klage/zum Sicherungsantrag gemäß § 14 UWG berechtigt.Es entspricht stRsp des erkennenden Senats, dass die im Rahmen einer vergleichenden Werbung (etwa auch eines Systemvergleichs) erfolgende pauschale Abwertung der Konkurrenz die Sittenwidrigkeit der betreffenden Werbemaßnahme bewirkt, weil dabei der Boden der Sachlichkeit verlassen wird (für viele: MR 2002, 107 - Heilmassagen mwN; Gamerith, Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur vergleichenden Werbung in HWR 1988, H 6, 7 ff [21]). Für solche Fälle ist aber die Frage der Aktivlegitimation nicht nach der Judikatur (zu Paragraphen 1330, ABGB und 7 UWG) über die persönliche Betroffenheit des Einzelnen eines Kollektivs zu lösen - wie dies die Vorinstanzen taten -, sondern jeder Konkurrent zur Klage/zum Sicherungsantrag gemäß Paragraph 14, UWG berechtigt.

Dass der Beklagte mit der beanstandeten Äußerung nur (junge unerfahrene) Rechtsanwälte gemeint hat und dies auch vom Leser so verstanden werden musste, ist angesichts des Umstands, dass diese Äußerung im Rahmen einer Werbeveranstaltung der Notare in Abgrenzung zu den Rechtsanwälten fiel, völlig klar. Damit hat der Beklagte aber, wenn auch in vermeintlich "salopper Rede", den gesamten Stand der Rechtsanwälte, zumindest aber deren als "Junganwälte" anzusehenden Teil, in unsachlicher Weise verunglimpft, ohne dabei einen konkreten Fall oder Namen zu nennen. Diese im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs gemachte Äußerung ist demnach als sittenwidrig iSd § 1 UWG zu ahnden. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist die einstweilige Verfügung zu erlassen, zumal schon aufgrund der Ablehnung einer Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr weiterhin besteht.Dass der Beklagte mit der beanstandeten Äußerung nur (junge unerfahrene) Rechtsanwälte gemeint hat und dies auch vom Leser so verstanden werden musste, ist angesichts des Umstands, dass diese Äußerung im Rahmen einer Werbeveranstaltung der Notare in Abgrenzung zu den Rechtsanwälten fiel, völlig klar. Damit hat der Beklagte aber, wenn auch in vermeintlich "salopper Rede", den gesamten Stand der Rechtsanwälte, zumindest aber deren als "Junganwälte" anzusehenden Teil, in unsachlicher Weise verunglimpft, ohne dabei einen konkreten Fall oder Namen zu nennen. Diese im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs gemachte Äußerung ist demnach als sittenwidrig iSd Paragraph eins, UWG zu ahnden. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist die einstweilige Verfügung zu erlassen, zumal schon aufgrund der Ablehnung einer Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr weiterhin besteht.

Die Kostenentscheidung beruht für den Kläger auf § 393 Abs 1 EO, für den Beklagten auf den §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht für den Kläger auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, für den Beklagten auf den Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraphen 40,, 50 ZPO.

Textnummer

E69374

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0040OB00016.03M.0429.000

Im RIS seit

29.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten