Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Saxinger, Chalupsky, Weber & Partner, Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wels, wider die beklagte Partei Pavel P*****, wegen 10.378,57 EUR sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Jänner 2003, GZ 3 R 228/02y-11, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 25. September 2002, GZ 3 Cg 145/02m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrte die Zahlung von 11.711,87 EUR sA und brachte hiezu wörtlich vor, dass ihr der Beklagte "zur ungeteilten Hand aus 06 Darlehen/Kredit/Bürgschaft 11807-502601 (Kreditkonto) 10.378,57 EUR samt 3,563 % Zinsen pro Vierteljahr (Kapitalisierung der Zinsen) seit 28. 6. 2002, und an 12 Inkassospesen 1.333,30 EUR" schulde. Zu den begehrten Zinsen und Inkassogebühren wurde noch zusätzliches Vorbringen erstattet.
Der Beklagte, der zur Erstattung einer Klagebeantwortung aufgefordert wurde, ließ die ihm gesetzte vierwöchige Frist verstreichen, woraufhin die klagende Partei die Fällung eines Versäumungsurteils beantragte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit (negativem) Versäumungsurteil ab. Es begründete diese Entscheidung damit, dass "unter Zugrundelegung der Klagsbehauptungen die Klage bei Vorliegen eines Verbrauchergeschäftes" unschlüssig sei, "weil die erforderliche qualifizierte Mahnung im Sinn des § 13 KSchG nicht behauptet" worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es mangle bereits an der hinreichenden Bestimmtheit des geltend gemachten Rechtsgrundes. Nach dem Klagsvorbringen bleibe unklar, ob sich das Begehren aus einem Kredit ableite oder ob der Beklagte als Bürge für einen Kredit in Anspruch genommen werde. Weiters habe die klagende Partei kein substanziiertes Vorbringen zur Fälligkeit des eingeklagten Anspruchs erstattet. Da nach dem Klagsvorbringen zumindest auch ein fällig gestellter Kredit als Anspruchsgrundlage in Betracht komme und der Beklagte als "Kraftfahrer" bezeichnet worden sei, was seine Verbrauchereigenschaft im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG vermuten lasse, hätte die klagende Partei schon in der Klage die rechtserzeugenden Tatsachen nach § 13 KSchG (Fälligkeit einer rückständigen Leistung seit mindestens sechs Wochen und qualifizierte Mahnung) ausführen müssen. Die Klage erweise sich daher als unschlüssig. Ein Verbesserungsverfahren habe das Erstgericht nicht einleiten müssen, weil eine Verbesserung nicht möglich sei, sofern das Vorbringen unschlüssig, eine sachliche Erledigung - wenn auch nicht in stattgebendem Sinn - aber nicht ausgeschlossen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Es trifft zu, dass es der Klage an der erforderlichen Schlüssigkeit mangelt, weil sich der Rechtsgrund der von der klagenden Partei geltend gemachten Forderung (Kredit oder Bürgschaft) nicht verlässlich aus dem Klagsvorbringen ableiten lässt. Es muss daher gar nicht weiter darauf eingegangen werden, ob es zusätzlich zur aufgezeigten Unschlüssigkeit noch an Ausführungen der klagenden Partei zur Fälligkeit des Klagsbetrags mangelte oder ob nicht ohnehin dem Sachverhaltsvorbringen implizit Behauptungen über die Fälligkeit dieser Forderung zu entnehmen seien. Es ist schließlich auch nicht nötig, darauf einzugehen, ob die klagende Partei Behauptungen im Sinne des § 13 KSchG über die Androhung des Terminsverlustes und die Setzung einer Nachfrist hätte aufstellen müssen, obwohl Terminsverlust in der Klage überhaupt nicht geltend gemacht wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats muss das Gericht, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widerspruchsvolles Begehren abweist, dessen Verbesserung anregen. Darauf ist auch von Amts wegen Bedacht zu nehmen, wenn die klagende Partei die Notwendigkeit einer Präzisierung nicht selbst erkannte (1 Ob 15/02s; 1 Ob 606/95). Auch andere Senate des Obersten Gerichtshofs vertreten die Auffassung, dass das Gericht bei Vorliegen einer unschlüssigen Klage zur Schlüssigstellung gemäß § 182 ZPO im Sinne eines Verbesserungsversuchs gehalten sei (7 Ob 179/02b; 8 Ob 294/01w; SZ 70/136).
In der Lehre wird die Ansicht des erkennenden Senats geteilt, dass vor Abweisung eines unschlüssigen Klagebegehrens ein Verbesserungsversuch vorzunehmen ist (Gitschthaler in Rechberger ZPO2 Rz 15 zu § 84 f; Fucik in Rechberger aaO Rz 1 zu § 182; Ballon in FS Fasching, Die Rechtsprechung in Zuständigkeitsfragen, 65; derselbe, Einführung in das österreichische Zivilprozessrecht9 Rz 314; Konecny, Zur Erweiterung der Verbesserungsvorschriften durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983, in JBl 1984, 13 [16 ff], 61 ff). Auch Fasching vertritt die Ansicht, dass Inhaltsmängel von Klagen verbesserungsfähig seien, insbesondere wenn dieser Mangel zu einem Versäumungsurteil gegen den Kläger oder zur sofortigen Klagszurückweisung führen müsste, wenngleich er wenige Zeilen zuvor - einschränkend - ausführt, die Unschlüssigkeit einer Klage sei nur dann verbesserungsfähig, wenn sie auf einer solchen Unvollständigkeit des Sachvorbringens beruhe, die die sachliche Antragserledigung nach jeder Richtung hin ausschließe (Fasching, LB2 Rz 513).
Im Gegensatz zur zuvor zitierten Judikatur hat der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs ausgesprochen, die Verbesserung eines Schriftsatzes sei nicht möglich, wenn zwar unschlüssiges Vorbringen vorliege, darüber aber - wenn auch nicht in stattgebendem Sinne - abgesprochen werden könne (2 Ob 222/01p; 2 Ob 524/95 = RdW 1997, 18). Ebenso argumentierten der 6. Senat in AZ 6 Ob 182/00h und der 8. Senat in AZ 8 Ob 205/99a. Diese Ansicht ist aber abzulehnen:
Gewiss geht undeutliches und unvollständiges Vorbringen in der Klage zu Lasten der klagenden Partei und führt, wenn diese die Fällung eines Versäumungsurteils beantragt, letzten Endes zur Abweisung des Klagebegehrens. Unschlüssiges Klagebegehren kann also für sich kein stattgebendes Versäumungsurteil zur Folge haben, doch hat der Verhandlungsrichter gemäß § 182 Abs 1 ZPO darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung des Anspruchs geltend gemachten Umstände vervollständigt bzw klargestellt werden. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, entscheidungserhebliche Tatsachen, die von den Parteien erkennbar übersehen wurden, geltend zu machen und zu klären. In diesem Sinne muss das Gericht, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widerspruchsvolles Begehren abweist, dessen Verbesserung anregen. Das Vortragen weiterer Tatsachen, wodurch die bisherigen Behauptungen der klagenden Partei ergänzt bzw klargestellt werden, war selbst bei der ersten Tagsatzung möglich (1 Ob 606/95). Geht man von diesen, schon den Grundtendenzen der Zivilverfahrens-Novelle 1983 entsprechenden Kriterien, namentlich dass das materielle Recht nicht wegen prozessualer Form- und Inhaltsvorschriften verloren gehen soll bzw erschwert erlangt werden kann (Konecny aaO 62), aus und nimmt man überdies auf die Waffengleichheit zwischen den Parteien Bedacht (Fasching aaO, Konecny aaO 62 f), dann ist nicht einzusehen, warum unschlüssiges Klagebegehren nicht schon von Anfang an einer Verbesserung zugänglich gemacht werden sollte, und auch nicht recht verständlich, dass ein Verbesserungsverfahren nicht einzuleiten sei, sofern eine sachliche Erledigung "nicht ausgeschlossen" wäre (6 Ob 182/00h ua), ist doch eine "sachliche Erledigung" des unschlüssigen Klagebegehrens grundsätzlich nie ausgeschlossen, sondern letzten Endes - für den Fall unterbliebener Verbesserung - auch gesetzlich geboten. Vor der sachlichen Erledigung ist aber im Sinne der bereits durch die ZVN 1983 geschaffenen Möglichkeiten, Mängel des Schriftsatzinhalts zu verbessern, ein Verbesserungsversuch zu unternehmen, ehe ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widersprüchliches Begehren abzuweisen ist.
In Stattgebung der Revision sind die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben. Das Erstgericht wird die klagende Partei zur Verbesserung des Klageschriftsatzes aufzufordern und erst danach - unter Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten - neuerlich zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E69344European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00073.03X.0429.000Im RIS seit
29.05.2003Zuletzt aktualisiert am
14.01.2011