TE OGH 2003/5/7 9Ob27/03s

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Veröffentlicht am 07.05.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Veronika E*****, geboren am 9. Jänner 1989, und Helena E*****, geboren am 25. Jänner 1995, beide ***** vertreten durch Dr. Gerold Hirn, Rechtsanwalt in Feldkirch, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Dr. Peter E*****, Arzt, ***** vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 30. Jänner 2003, GZ 1 R 31/03x-84, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 18. Dezember 2002, GZ 19 P 289/98s-79, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs des Vaters neuerlich zu entscheiden.

Text

Begründung:

Der Vater bezog im maßgeblichen Zeitraum ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als EUR 7.500. Er war zuletzt zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 9.900 (= EUR 719,46) ab 1. 7. 2001 für Veronika und von S 8.200 (= EUR 595,91) seit 1. 2. 2001 für Helena verpflichtet.

Gegenstand des Rekursverfahrens ist der Antrag des Vaters auf Herabsetzung der Unterhaltspflicht ab 1. 11. 2001, und zwar für Veronika auf EUR 624,20 monatlich und für Helena auf EUR 528,20. Der Vater vertritt die Auffassung, auch in den Fällen des sogenannten "Unterhaltsstopps" sei die nach den bisherigen Grundsätzen berechtigte Unterhaltshöhe auf Grund der Notwendigkeit einer steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen entsprechend zu kürzen.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, das die Notwendigkeit einer derartigen Entlastung abgelehnt hatte. Grundsätzlich sei zwar ausgehend von der Judikatur des VfGH der - wie bisher - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB um jenen Teil des Kinderabsetzbetrages und der Familienbeihilfe zu kürzen, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezwecke. Dieser Grundsatz sei jedoch auf jene Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige ohnehin weniger an Unterhalt zahlt als er nach der Prozentwertmethode zu zahlen hätte, nur eingeschränkt anzuwenden. Das Rekursgericht erachte es - entgegen der Judikatur des Obersten Gerichtshofes und seiner bisherigen Rechtsprechung - im Anschluss an die Lehrmeinung von Gitschthaler (JBl 2003, 16) für sachgerecht, für die zu gewährende steuerliche Entlastung den sich durch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ergebenden Unterhaltsbetrag heranzuziehen. Es erscheine unbillig, wenn der Vater, der auf Grund seines überdurchschnittlich hohen Einkommens zur Zahlung eines erheblich höheren Unterhalts in der Lage wäre, über den sogenannten "Unterhaltsstopp" hinaus noch eine weitere Entlastung erfahren würde, obwohl dieser "Unterhaltsstopp" ausschließlich eine Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten verhindern solle. Die steuerliche Entlastung werde in solchen Fällen ohnehin schon durch den "Unterhaltsstopp" bewirkt; eine weitere Kürzung des Unterhaltsbeitrags würde ausschließlich eine Beschränkung der "Bedürfnisse des Kindes" bewirken. Stets müsse in solchen Fällen aber eine Kontrollrechnung durchgeführt werden. Dabei sei die gebotene steuerliche Entlastung nicht von dem durch den "Unterhaltsstopp" gedeckten Betrag zu berechnen, sondern von jenem, der sich aus einer Berechnung nach den üblichen Prozentsätzen ergäbe. Da der auf diese Weise errechnete Betrag erheblich über dem liege, den der Vater an Unterhalt bisher zu zahlen habe, sei eine Herabsetzung nicht in Betracht zu ziehen. Die durch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs vorgegebene steuerliche Entlastung komme daher nicht nur bei einem unterdurchschnittlichen, sondern auch bei einem erheblich über dem Durchschnitt gelegenen Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen nicht zum Tragen. Angesichts der Abweichung dieser Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der bisher vom Rekursgericht vertretenen Ansicht sei der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig.Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, das die Notwendigkeit einer derartigen Entlastung abgelehnt hatte. Grundsätzlich sei zwar ausgehend von der Judikatur des VfGH der - wie bisher - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern in verfassungskonformer Auslegung des Paragraph 140, ABGB um jenen Teil des Kinderabsetzbetrages und der Familienbeihilfe zu kürzen, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezwecke. Dieser Grundsatz sei jedoch auf jene Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige ohnehin weniger an Unterhalt zahlt als er nach der Prozentwertmethode zu zahlen hätte, nur eingeschränkt anzuwenden. Das Rekursgericht erachte es - entgegen der Judikatur des Obersten Gerichtshofes und seiner bisherigen Rechtsprechung - im Anschluss an die Lehrmeinung von Gitschthaler (JBl 2003, 16) für sachgerecht, für die zu gewährende steuerliche Entlastung den sich durch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ergebenden Unterhaltsbetrag heranzuziehen. Es erscheine unbillig, wenn der Vater, der auf Grund seines überdurchschnittlich hohen Einkommens zur Zahlung eines erheblich höheren Unterhalts in der Lage wäre, über den sogenannten "Unterhaltsstopp" hinaus noch eine weitere Entlastung erfahren würde, obwohl dieser "Unterhaltsstopp" ausschließlich eine Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten verhindern solle. Die steuerliche Entlastung werde in solchen Fällen ohnehin schon durch den "Unterhaltsstopp" bewirkt; eine weitere Kürzung des Unterhaltsbeitrags würde ausschließlich eine Beschränkung der "Bedürfnisse des Kindes" bewirken. Stets müsse in solchen Fällen aber eine Kontrollrechnung durchgeführt werden. Dabei sei die gebotene steuerliche Entlastung nicht von dem durch den "Unterhaltsstopp" gedeckten Betrag zu berechnen, sondern von jenem, der sich aus einer Berechnung nach den üblichen Prozentsätzen ergäbe. Da der auf diese Weise errechnete Betrag erheblich über dem liege, den der Vater an Unterhalt bisher zu zahlen habe, sei eine Herabsetzung nicht in Betracht zu ziehen. Die durch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs vorgegebene steuerliche Entlastung komme daher nicht nur bei einem unterdurchschnittlichen, sondern auch bei einem erheblich über dem Durchschnitt gelegenen Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen nicht zum Tragen. Angesichts der Abweichung dieser Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der bisher vom Rekursgericht vertretenen Ansicht sei der ordentliche Revisionsrekurs gemäß Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG zulässig.

Der Revisionsrekurs des Vaters ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie bereits das Rekursgericht aufgezeigt hat, hat sich der Oberste Gerichtshof wiederholt mit der Frage auseinandergesetzt, ob die grundsätzlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bei einem überdurchschnittlich hohen Einkommen von jenem Betrag zu ermitteln ist, der sich nach bisher allgemeinen Grundsätzen durch die von der Judikatur entwickelte "Luxusgrenze" ergibt, oder ob in diesen Fällen infolge der größeren Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine solche Entlastung nicht (oder nur eingeschränkt) eintreten soll. Insbesondere in der zu 7 Ob 193/02m ergangenen Entscheidung wurde die vom Rekursgericht ins Treffen geführte Rechtsansicht von Gitschthaler ausdrücklich abgelehnt und darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten durch die sogenannte Luxusgrenze limitiert werden, nichts daran ändere, dass der (tatsächliche) Unterhaltsanspruch bzw die vom Unterhaltspflichtigen (tatsächlich) zu fordernde Unterhaltsleistung in diesen Fällen Maßstab für die dem Unterhaltspflichtigen zu gewährende steuerliche Entlastung sei und bleiben müsse. Eine fiktive Anhebung der Luxusgrenze, um trotz Anrechnung der Transferleistungen zu keiner Unterhaltsherabsetzung utner die Luxusgrenze zu kommen, müsse daher auch in jenen Fällen abgelehnt werden, in denen die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen isoliert betrachtet ein solches Vorgehen rechtfertigen könnte. Ganz ähnlich wird etwa in 1 Ob 79/02b argumentiert. Wenngleich der Vater deshalb einen geringeren Unterhalt leisten müsste, als er bei dessen Bemessung allein nach der Prozentwertmethode zu bestreiten hätte, seien dennoch die Transferleistungen für die Entlastungsrechnung heranzuziehen: Maßgeblich sei dafür allein der gegenüber dem Unterhaltspflichtigen (zu ergänzen: nach bisherigen Kriterien ermittelte) bestehende Anspruch des Kindes. Bestehe jenseits der "Luxusgrenze" kein Geldunterhaltsanspruch, sei auch nur der bis zu dieser Grenze bemessene Geldunterhalt steuerlich zu entlasten (1 Ob 182/02z = ecolex 2003, 168). Der Geldunterhaltspflichtige habe auch dann Anspruch darauf, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferzahlungen steuerlich entlastet zu werden, wenn die Prozentkomponente auf Grund des Unterhaltsstopps bei überdurchschnittlichem Einkommen nicht voll ausgeschöpft wird; da der Unterhaltsstopp die Funktion des Unterhalts berücksichtige, die - an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierten - Lebensbedürfnisse des Kindes zu decken, erhalte das Kind mit einem Unterhalt in dieser Höhe den ihm zustehenden Unterhalt (4 Ob 52/02d = EvBl 2003/45).

Die Argumentation des Rekursgerichtes bildet keinen Anlass, von der dargestellten Judikatur abzugehen. Die nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben notwendige steuerliche Entlastung hat sich stets an jenem Unterhaltsbetrag zu orientieren, der unter Zugrundelegung der schon bisher anerkannten zivilrechtlichen Grundsätze geschuldet wird. Damit hat im Ergebnis der Unterhaltsberechtigte stets - sowohl in den Fällen durchschnittlichen Einkommens des Unterhaltsverpflichteten als auch bei weit überdurchschnittlichem eine gewisse Einbuße hinzunehmen. Die Rechtsauffassung des Rekursgerichts würde hingegen dazu führen, dass in den Fällen des "Unterhaltsstopps" der Unterhaltspflichtige - mit Ausnahme des gesetzlichen Unterhaltsabsetzbetrags - keinerlei steuerliche Entlastung erfahren könnte, was gerade zu der verfassungsrechtlich unzulässigen Schlechterstellung gegenüber vergleichbaren Einkommensbeziehern ohne Sorgepflichten führte. Dieses Ergebnis kann auch nicht als unbillig angesehen werden, zumal gerade in den Fällen des "Unterhaltsstopps" nicht gesagt werden kann, dass die (verhältnismäßig geringfügige) Kürzung des Unterhaltsanspruchs dazu führen würde, dass die Möglichkeit des Unterhaltsberechtigten, seine Bedürfnisse zu befriedigen, in erheblicher Weise beeinträchtigt wäre.

Die zur Ermittlung der (reduzierten) Unterhaltspflichten des Vaters erforderlichen Berechnungen wird das Rekursgericht durchzuführen haben (§ 510 Abs 1 letzter Satz ZPO).Die zur Ermittlung der (reduzierten) Unterhaltspflichten des Vaters erforderlichen Berechnungen wird das Rekursgericht durchzuführen haben (Paragraph 510, Absatz eins, letzter Satz ZPO).

Textnummer

E69716

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0090OB00027.03S.0507.000

Im RIS seit

06.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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