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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des FI in L, geboren 1977, vertreten durch Mag. Thomas Burkowski, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Gerstnerstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 18. Juli 2006, Zl. St 20/04, betreffend Behebung eines Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 18. Juli 2006 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. Jänner 2004, mit dem gegen ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt worden war, Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.
Der Sachverhalt, der der Entscheidung der Erstbehörde zur Grunde gelegen sei, entspreche im Wesentlichen den im Jahr 2002 vorliegenden Gegebenheiten. Im Hinblick auf den seither verstrichenen Zeitraum scheine es nicht ausgeschlossen, dass sich der Sachverhalt wesentlich geändert habe. Der der belangten Behörde vorliegende Sachverhalt sei daher jedenfalls mangelhaft. Die "Neuverhandlung der Verwaltungsangelegenheit" erscheine unvermeidlich.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG ist die belangte Behörde zur Entscheidung über Berufungen gegen Entscheidungen nach dem FPG ua im Fall von Drittstaatsangehörigen zuständig, wenn deren österreichischer Angehöriger sein Recht auf gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0119, sowie den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2006, B 236/06). Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, nicht aber, dass diese iSd § 9 Abs. 1 Z. 1 iVm § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte. Entgegen der Beschwerdeauffassung hat die belangte Behörde daher zutreffend ihre Zuständigkeit bejaht.
2.1. In der Sache bringt der Beschwerdeführer (der sich ua in seinem Recht auf meritorische Berufungsentscheidung gemäß § 66 AVG für verletzt erachtet) vor, dass § 66 Abs. 4 AVG "ein Primat der meritorischen Entscheidung durch die Berufungsbehörde" statuiere. Der Sachverhalt sei ausreichend geklärt, um im Sinn des § 86 Abs. 1 bzw. § 66 FPG eine für den Beschwerdeführer günstige Entscheidung zu treffen. Die belangte Behörde habe "die inhaltlich sehr einfachen und großteils urkundlich bzw. aktenmäßig möglichen Ergänzungen des Sachverhaltes bzw. des Beweisverfahrens" nicht vorgenommen und damit gegen ihre Verpflichtung gemäß § 66 Abs. 3 AVG verstoßen.
2.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den bei ihr angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Außer diesem Fall hat die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Die Berufungsbehörde darf somit eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens berechtigt die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich dieser Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung der Behörde erster Instanz oder selbst vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 99/21/0248).
Im vorliegenden Fall geht aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht hervor und ist auch sonst nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erschienen wäre bzw. warum sich die belangte Behörde nicht in der Lage sah, die für die Entscheidung in der Sache selbst (§ 66 Abs. 4 AVG) erforderlichen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens vorzunehmen oder durch die Behörde erster Instanz durchführen zu lassen (§ 66 Abs. 1 AVG). Die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG war daher nicht zulässig.
3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Zuspruch von Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. April 2007
Schlagworte
Instanzenzugsachliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006180423.X00Im RIS seit
23.05.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009