TE OGH 2003/5/20 4Ob59/03k

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Veröffentlicht am 20.05.2003
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 37.063,15 EUR), über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2003, GZ 4 R 207/02v-25, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Mai 2002, GZ 17 Cg 4/01x-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei den Adressaten von Benachrichtigungen über einen ihnen bereits zugeteilten Gewinn den Eindruck zu erwecken, die Anforderung des Gewinnes hänge von der Zahlung eines Geldbetrags, insbesondere eines sogenannten Organisationsbeitrags in Höhe von 800 S ab, wenn die Adressaten in Wahrheit den Gewinn unabhängig von der Zahlung eines solchen Betrags erhalten, und das Begehren, den Kläger zu ermächtigen, binnen 6 Monaten nach Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs einschließlich der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung einmal in einer Samstagsausgabe der „Neuen Kronen Zeitung" im redaktionellen Teil mit Fettdruckumrandung und gesperrt geschriebenen Prozessparteien in Normallettern auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen, abgewiesen wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 2.550 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin EUR 425 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 5.126,85 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 536,30 EUR USt und 1.909 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt einen Versandhandel. Im Zusammenhang damit veranstaltet sie Gewinnspiele. Die Gewinner verständigt sie mit einem „dringenden Eilbrief", auf dessen Kuvert dem Adressaten mitgeteilt wird, er habe in jedem Fall gewonnen. Da er telefonisch nicht erreichbar gewesen sei, erhalte er diesen Brief, den er sofort öffnen solle. Das mit diesem Brief verschickte und an eine bestimmte Person gerichtete Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

„Wenn Sie noch heute mit beiliegender 'Gewinn-Anforderung' antworten, bekommen Sie Ihren Gewinn bis spätestens 31. Dezember 2000 in die P*****gasse 2 zugestellt. Ihr anteiliger nicht obligatorischer Organisationsbeitrag für die Bearbeitung, Zustellung, Versicherung, Steuern etc Ihres Gesamtgewinnes beträgt lediglich öS 800. Sie erhalten unwiderruflich ein funkelnagelneues Auto oder ein Sparbuch über öS 75.000 oder eine Venedig-Reise für 2 Personen oder eine Wohnzimmer-Einrichtung. Sie können die öS 800 in beiliegendes Antwort-Kuvert legen (auch Scheck-, Kredit-Karten- oder Nachnahme-Bezahlungen sind möglich!"

Dem Schreiben sind ein Vordruck „Gewinnanforderung" und ein Rückkuvert beigeschlossen. Auf dem Vordruck „Gewinnanforderung" sind Rubriken für die Begleichung des Organisationsbeitrags per Nachnahme, in bar, als Scheck oder per Kreditkarte vorgedruckt; auf dem Rückkuvert finden sich unter der Überschrift „Bitte hier nichts ausfüllen - dient nur internen Zwecken von F*****-Mitarbeitern" die Rubriken „Kunde hat gewonnen: ja nein", wobei die Rubrik „ja" bereits angekreuzt ist; „Kunde wünscht folgenden Gewinn:" und „Organisations-Beitrag eingelangt: .... Am:"

Nach Entnahme von Gewinnverständigung, Gewinnanforderungsvordruck und Rückkuvert wird durch das Adressfenster hindurch der Aufdruck „Rechtlich geprüfte Teilnahmebedingungen" sichtbar. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„Sie haben garantiert einen der vier angeführten Preise gewonnen, wenn Ihr Name auf der unwiderruflichen Gewinn-Anforderung steht. Beachten Sie den Einsendeschluss (siehe *Adressfeld). Die Gewinn-Ausfolgung erfolgt spätestens 3 Wochen nach Einsendeschluss. Jedem Adressaten wurde durch Verlosung unter Aufsicht eines Notars bereits ein Preis zugeordnet. Für die Anforderung des Preises ist lediglich das Zurücksenden der unwiderruflichen Gewinn-Anforderung innerhalb des Einsendeschlusses (Datum des Poststempels) notwendig. Die Begleichung der Organisationskosten hat keinen Einfluss auf die Art und Überstellung des Gewinnes. Widrigenfalls der Gewinn unwiderruflich verfällt. Jede Person, welche die unwiderrufliche Gewinn-Anforderung zurücksendet, nimmt die Teilnahmebedingungen an.

..."

Vor dem verfahrensgegenständlichen Gewinnspiel hatte die Beklagte ein Gewinnspiel veranstaltet, in dem ein „Organisationsbeitrag" zu entrichten war.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei den Adressaten von Benachrichtigungen über einen ihnen bereits zugeteilten Gewinn den Eindruck zu erwecken, die Anforderung des Gewinnes hänge von der Zahlung eines Geldbetrags, insbesondere eines sogenannten Organisationsbeitrags in Höhe von 800 S ab, wenn die Adressaten in Wahrheit den Gewinn unabhängig von der Zahlung eines solchen Betrags erhalten. Der Kläger begehrt überdies, ihn zur Veröffentlichung des stattgebenden Urteilsspruchs auf Kosten der Beklagten in der „Neuen Kronen Zeitung" zu ermächtigen. Die Beklagte handle mit der Veranstaltung von Gewinnspielen im Rahmen ihres Versandhandels im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. Die Wettbewerbsabsicht der Beklagten sei daher zu vermuten. Der Adressat gewinne durch die ständige Verbindung der Zusicherung, den Gewinn in jedem Fall zu erhalten, mit dem Hinweis, wie der Organisationsbeitrag zu zahlen sei, den Eindruck, dass der Organisationsbeitrag verpflichtend zu zahlen sei, um den Gewinn überhaupt anfordern zu können. Die Bezeichnung des Organisationsbeitrags als „nicht obligatorisch" vermöge den Eindruck, seine Entrichtung wäre zur Gewinnanforderung notwendig oder zumindest vorteilhaft, nicht mehr richtig zu stellen. In Wahrheit sei die Gewinnzuteilung und -übergabe von der Zahlung des Organisationsbeitrags unabhängig. Der Kunde werde damit über die Anforderungsbedingungen getäuscht. Dem Wahrheitsgrundsatz komme im Wettbewerbsrecht überragende Bedeutung zu. Eine Wettbewerbshandlung sei schon dann sittenwidrig, wenn sich ein Täuschungsmoment feststellen lasse. Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 1 UWG. Die Wiederholungsgefahr sei trotz Umstellung auf zwingende Entrichtung des Organisationsbeitrags nicht weggefallen, weil die Beklagte den Organisationsbeitrag bereits zuvor zwingend verlangt habe und offenbar zwischen beiden Formen planmäßig wechsle. Die beanstandete Aussage fördere den Wettbewerb der Beklagten, weil die Beklagte - hätte sie die Pflicht zur Zahlung des Organisationsbeitrags nicht vorgetäuscht - überhaupt keine Organisationsbeiträge erhalten hätte. Es sei danach zu fragen, wie die Beklagte stünde, würde sie keine zur Irreführung geeigneten Angaben machen.Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei den Adressaten von Benachrichtigungen über einen ihnen bereits zugeteilten Gewinn den Eindruck zu erwecken, die Anforderung des Gewinnes hänge von der Zahlung eines Geldbetrags, insbesondere eines sogenannten Organisationsbeitrags in Höhe von 800 S ab, wenn die Adressaten in Wahrheit den Gewinn unabhängig von der Zahlung eines solchen Betrags erhalten. Der Kläger begehrt überdies, ihn zur Veröffentlichung des stattgebenden Urteilsspruchs auf Kosten der Beklagten in der „Neuen Kronen Zeitung" zu ermächtigen. Die Beklagte handle mit der Veranstaltung von Gewinnspielen im Rahmen ihres Versandhandels im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. Die Wettbewerbsabsicht der Beklagten sei daher zu vermuten. Der Adressat gewinne durch die ständige Verbindung der Zusicherung, den Gewinn in jedem Fall zu erhalten, mit dem Hinweis, wie der Organisationsbeitrag zu zahlen sei, den Eindruck, dass der Organisationsbeitrag verpflichtend zu zahlen sei, um den Gewinn überhaupt anfordern zu können. Die Bezeichnung des Organisationsbeitrags als „nicht obligatorisch" vermöge den Eindruck, seine Entrichtung wäre zur Gewinnanforderung notwendig oder zumindest vorteilhaft, nicht mehr richtig zu stellen. In Wahrheit sei die Gewinnzuteilung und -übergabe von der Zahlung des Organisationsbeitrags unabhängig. Der Kunde werde damit über die Anforderungsbedingungen getäuscht. Dem Wahrheitsgrundsatz komme im Wettbewerbsrecht überragende Bedeutung zu. Eine Wettbewerbshandlung sei schon dann sittenwidrig, wenn sich ein Täuschungsmoment feststellen lasse. Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen Paragraph eins, UWG. Die Wiederholungsgefahr sei trotz Umstellung auf zwingende Entrichtung des Organisationsbeitrags nicht weggefallen, weil die Beklagte den Organisationsbeitrag bereits zuvor zwingend verlangt habe und offenbar zwischen beiden Formen planmäßig wechsle. Die beanstandete Aussage fördere den Wettbewerb der Beklagten, weil die Beklagte - hätte sie die Pflicht zur Zahlung des Organisationsbeitrags nicht vorgetäuscht - überhaupt keine Organisationsbeiträge erhalten hätte. Es sei danach zu fragen, wie die Beklagte stünde, würde sie keine zur Irreführung geeigneten Angaben machen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Die beanstandeten Aussagen seien weder unrichtig noch missverständlich. Den Urkunden sei nicht zu entnehmen, dass die Gewinnanforderung unter Begleichung eines Organisationsbeitrags geschehen müsste. Das Unterlassungsgebot sei zu allgemein gefasst. Die Beklagte sei weder rechtlich noch sachlich gehindert, den Organisationsbeitrag zu verlangen. Die behauptete Irreführung könne die Wettbewerbslage daher nicht zu ihren Gunsten beeinflussen. Die Beklagte habe ihre Ankündigung seit Dezember 2001 auf die zwingende Entrichtung des Organisationsbeitrags umgestellt, worauf sich der Anteil der Gewinnanforderungen mit Einzahlung mehr als verdoppelt habe. Damit sei auch die Wiederholungsgefahr weggefallen, weil kein vernünftiger Kaufmann von einer doppelt so ertragreichen zulässigen Vertriebsform wieder auf eine nur halb so ertragreiche unzulässige Vertriebsform zurückgehen werde. Die begehrte Veröffentlichung würde das Publikum verwirren, weil der Gewinn nunmehr nicht mehr ohne Zahlung des Organisationsbeitrags angefordert werden könne. Die Beklagte biete zum Ausschluss der Wiederholungsgefahr (daher nur) eine Unterlassungserklärung im Sinne des Punktes 1 des Urteilsbegehrens an.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte täusche durch die Gestaltung ihres Benachrichtigungsschreibens vor, dass ein Organisationsbeitrag zu zahlen sei, wenn der von ihr zugesagte Gewinn angefordert werde. Damit verschaffe sie sich finanzielle Mittel, die ihr nicht zustünden. Diese Einnahmen seien geeignet, ihre Finanzkraft und damit ihre Wettbewerbsposition zu stärken. Das ihr vorgeworfene Verhalten sei demnach eine Wettbewerbshandlung. Damit sei auch zu vermuten, dass die Beklagte in Wettbewerbsabsicht handle. Es könne nicht zweifelhaft sein, dass ohne die irreführenden Erklärungen wesentlich weniger Gewinnansprecher den Organisationsbeitrag gezahlt hätten. Durch die angebliche nunmehrige Umstellung auf eine zwingende Verpflichtung zur Zahlung des Organisationsbeitrags sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen, weil die Beklagte schon wiederholt einen derartigen Wechsel vorgenommen habe. Eine bloße Unterlassungserklärung sei nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Die fortdauernde Wiederholungsgefahr begründe ein rechtliches Interesse an der Urteilsveröffentlichung. Das Unterlassungsgebot orientiere sich am konkreten Wettbewerbsverstoß und sei zulässiger Weise etwas weiter formuliert.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es liege auf der Hand, dass die Beklagte mehr Einnahmen erziele, wenn sie die Verpflichtung zur Zahlung des Organisationsbeitrags vortäusche, als wenn sie deutlich zum Ausdruck brächte, dass der Organisationsbeitrag nicht gezahlt werden müsse. Damit sei auch die Voraussetzung einer Handlung „zu Zwecken des Wettbewerbs" erfüllt. Die Argumentation der Beklagten, dass sie täuschende Werbeunterlagen verwenden dürfe, weil es ihr freistehe, „findige" Teilnehmer zu belohnen und weniger „findige" zu bestrafen, widerspreche dem UWG. Das Veröffentlichungsbegehren sei berechtigt. Es bestehe nach wie vor Wiederholungsgefahr.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte hält daran fest, dass die ihr vorgeworfene Täuschung keine Wettbewerbshandlung sei. Sie verweist auf die Entscheidungen 4 Ob 374/76, 4 Ob 353/824 Ob 9/91 und 4 Ob 135/99b.

In der Entscheidung 4 Ob 374/6 (= ÖBl 1977, 92 - Fernkurs-Geheimgeschenk) hat der OGH ausgesprochen, dass eine Wettbewerbshandlung regelmäßig schon dann sittenwidrig ist, wenn sich bei ihr ein Täuschungsmoment feststellen lässt, weil dem Wahrheitsgrundsatz im Wettbewerbsrecht überragende Bedeutung zukommt. Eine Täuschung sei allerdings nur dann wettbewerbswidrig, wenn sie geeignet sei, den Entschluss des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebots zu beeinflussen; zwischen dem Entschluss des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, und dem Umstand, dass die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspreche, müsse ein innerer Zusammenhang bestehen.

In der Entscheidung 4 Ob 353/82 (= ÖBl 1982, 127 - Immobilienmakler-Abgabeprovision) hat der OGH die Vereinbarung überhöhter Provisionen durch einen Immobilienmakler nicht als Wettbewerbshandlung gewertet. Nicht jedes geschäftliche Verhalten eines Gewerbetreibenden sei wettbewerbliches Verhalten; das treffe erst zu, wenn es sich auf Mitbewerber auswirken könne. Da das UWG kein Gesetz gegen unlautere wirtschaftliche Betätigung auf dem Markt schlechthin sei, also nicht ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall nur Verbraucherinteressen oder auch Interessen der Mitbewerber betroffen sind, anzuwenden sei, dürften nur Handlungen erfasst werden, die sich auf die Marktverhältnisse beziehen. Die bloße Erzielung gesetzwidriger Mehreinnahmen reiche zur Annahme einer Förderung des eigenen Wettbewerbs auf Kosten der Mitbewerber im Allgemeinen nicht aus.

Die Entscheidung 4 Ob 9/91 (= ÖBl 1991, 205 - Labels) definiert - unter Berufung auf Vorjudikatur - als Wettbewerbshandlung ein Verhalten, das geeignet ist, den Absatz des - meist des eigenen - Unternehmens auf Kosten der Mitbewerber zu fördern, und das auch in subjektiver Hinsicht von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen ist. Die Ansicht, dass die - erwiesenermaßen unrichtige - Tatsachenbehauptung, die Klägerin als Großhändlerin mit Videofilmen mache den von ihr belieferten Videothekaren dadurch schwere Konkurrenz, das sie ihre Videofilmkassetten auch in von ihr betriebenen Videotheken vertreibe, abstrakt geeignet sei, die geschäftlichen Verhältnisse der Klägerin nachteilig zu beeinflussen, begegne keinerlei Bedenken.

In der Entscheidung 4 Ob 135/99b (= ÖBl 2000, 109 - Bezirkstelefonbuch) hat der OGH die Nichtnennung der Ordination eines Tierarztes in der Rubrik „Tierärzte" des Bezirkstelefonbuchs bzw in der „Ärztetafel" dieser Publikation nicht als Wettbewerbshandlung gewertet. Dass sich die im Telefonbuch geschalteten Inserate auch auf den Markt für tierärztliche Leistungen im Bezirk auswirkten, sei zwar der von den Inserenten erwünschte Hauptzweck, aus der Sicht der Herausgeberin des Bezirkstelefonbuchs aber nur eine unvermeidliche Nebenwirkung bei der Verfolgung ihrer eigenen wirtschaftlichen Ziele. Die Einflussnahme auf jene Märkte, auf denen sich ihre Kunden betätigten, stehe somit bei der gegebenen Sachlage keinesfalls im Vordergrund ihres Handelns und falle bei der Beurteilung, ob sie bei der Gestaltung ihrer beanstandeten Publikation die Absicht gehabt habe, fremden Wettbewerb zu fördern, auch nicht ins Gewicht.

Den von der Beklagten zitierten Entscheidungen ist damit gemeinsam, dass eine Wettbewerbshandlung nur dann angenommen werden kann, wenn ein Verhalten geeignet und auch darauf gerichtet ist, die Marktposition der Mitbewerber zu beeinflussen. Eine solche Eignung hat der OGH auch in der Entscheidung 4 Ob 117/88 (= EvBl 1989/100) bejaht. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Beklagte Altpapier (nicht von ihm aufgestellten) Sammelbehältern entnommen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft, die nur unter finanziellem Aufwand - durch Aufstellen eigener Behälter oder durch Zahlung eines Entgelts an fremde Aufsteller - zu Altpapier kommen konnten. In dieser Entscheidung hat der OGH demnach, anders als in dem der Entscheidung 4 Ob 353/82 zugrunde liegenden Fall, die Stärkung der eigenen finanziellen Position durch unlautere Mittel als Wettbewerbshandlung gewertet.

Für diese Auffassung spricht, dass die Finanzkraft eines Unternehmens dessen Wettbewerbsposition entscheidend beeinflusst. Je größer die Finanzkraft, desto größer der Spielraum bei Angebot und Werbung, wodurch die Position auf dem Markt positiv beeinflusst wird. Wenn daher ein Verhalten die Wettbewerbsposition der Mitbewerber auch nicht unmittelbar berührt, so kann dennoch eine Wettbewerbshandlung vorliegen, wenn die Handlung geeignet ist, dem Unternehmen (finanzielle) Vorteile zu bringen, wie dies bei der Entnahme von Altpapier aus fremden Sammelbehältern, aber wohl auch bei der Vereinbarung eines gegen das Gesetz verstoßenden überhöhten Entgelts zutrifft.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die beanstandete Handlung zwar die finanzielle Position der Beklagten stärkt, weil sie die Gewinner der von der Beklagten ausgesetzten Preise zur Zahlung eines „Organisationsbeitrags" veranlasst, auf den die Beklagte nach ihren eigenen Gewinnanforderungsbedingungen keinen Anspruch hat. Im Hauptverfahren hat die Beklagte aber - vom Kläger insoweit unwidersprochen - behauptet, dass sie berechtigt wäre, den „Organisationsbeitrag" zu fordern. Trifft dies - weil die Beklagte bereits bei der Veranstaltung des Gewinnspiels auf die Verpflichtung zur Zahlung eines Organisationsbeitrags hingewiesen hat - zu, so täuscht die Beklagte die Gewinner damit über eine Verpflichtung, die sie ihnen nicht auferlegt, obwohl sie sie ihnen auferlegen könnte. Unter diesen Umständen reichte der durch die Stärkung ihrer finanziellen Position erreichte Vorteil nicht aus, um eine Wettbewerbshandlung zu begründen, weil sich die Beklagte diesen Vorteil - anders als bei der Vereinbarung gesetzwidrig überhöhter Provisionen oder bei der Entnahme von Altpapier aus fremden Sammelbehältern - auch durch ein gesetzeskonformes Verhalten verschaffen könnte.

Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist aber auch davon unabhängig nach dem nach den Ergebnissen des Hauptverfahrens maßgebenden Sachverhalt nicht berechtigt. Im Hauptverfahren ist nicht hervorgekommen, dass ein größerer Personenkreis verständigt worden wäre, „ein funkelnagelneues Auto oder ein Sparbuch über 75.000 S oder eine Venedig-Reise für 2 Personen oder eine Wohnzimmer-Einrichtung" gewonnen zu haben. Der Wert der Preise spricht auch dagegen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beklagte jeweils mehrere Autos, Sparbücher, Reisen oder Einrichtungen ausspielt.

Verständigt die Beklagte aber nur Gewinner und damit insgesamt nur vier Personen mit dem beanstandeten Schreiben von einem Gewinn, so kann dadurch nur eine unerhebliche Nachfrageverlagerung bewirkt werden. Das schließt ein wettbewerbswidriges Verhalten aus:

Die Wettbewerbswidrigkeit einer Werbung kann nämlich nicht völlig losgelöst davon beurteilt werden, in welchem Ausmaß sie den Wettbewerb beeinflusst, weil es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts sein kann, gegen jede noch so geringe Nachfrageverlagerung vorzugehen (4 Ob 290/99x = ÖBl 2000, 126 [Wiltschek] - Tipp des Tages III; 4 Ob 72/00t = ÖBl-LS 2000/72; 4 Ob 236/00k = ÖBl-LS 2001/10 - Tagesskikarte; 4 Ob 28/03a). Das gilt nicht nur für den Bereich der Wertreklame, sondern muss ganz allgemein gelten, soweit ein Handeln „zu Zwecken des Wettbewerbs" Tatbestandserfordernis ist. Von dem insoweit vorausgesetzten Einfluss auf die Marktposition der Mitbewerber kann nämlich nur gesprochen werden, wenn ein Verhalten geeignet ist, zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu führen. Ist daher ein Verhalten nicht geeignet, eine diese Grenze übersteigende Nachfrageverlagerung zu bewirken, so liegt keine Wettbewerbshandlung vor (s 4 Ob 99/03t, wonach eine Gesetzesverletzung dem Verletzer keinen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern bringt, wenn mit der Gesetzesverletzung eine bloß unerhebliche Nachfrageverlagerung verbunden sein kann).

Nach dem im vorliegenden Fall maßgebenden Sachverhalt ist die beanstandete Gewinnverständigung einer Person, vielleicht aber auch vier Personen zugekommen. Durch die täuschende Gestaltung können daher höchstens vier Personen bewogen worden sein, den „Organisationsbeitrag" zu zahlen. Eine auch nur irgendwie ins Gewicht fallende Nachfrageverlagerung kann damit nicht verbunden sein. Das gilt unabhängig davon, ob und welche Vorteile die Beklagte aus dem beanstandeten Verhalten zieht. Auch wenn damit insoweit ein Imagegewinn verbunden sein sollte, als die Beklagte Gewinnern gegenüber, die die Gewinnverständigung aufmerksam lesen, großzügig erscheinen mag, weil sie den „Organisationsbeitrag" „nicht obligatorisch" verlangt, reicht das nicht aus, eine in irgendeiner Weise wahrnehmbare Nachfrageverlagerung zu bewirken.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Tarifansatz für die Klagebeantwortung beträgt nicht 595 EUR, sondern 575 EUR.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 41,, 50 ZPO. Der Tarifansatz für die Klagebeantwortung beträgt nicht 595 EUR, sondern 575 EUR.

Textnummer

E69589

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0040OB00059.03K.0520.000

Im RIS seit

19.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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