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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in E, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. April 2006, Zl. VwSen-521256/6/Kof/He, betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im vorgelegten Verwaltungsakt (AS 1) erliegt ein mit "Führerscheinantrag" überschriebenes Formular, in dem ua. das Kästchen "Ich stelle den Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung" sowie in der Zeile "beantragte Klassen/Unterklassen" das Kästchen "B" angekreuzt ist und auf dem sich die Unterschrift des Beschwerdeführers nebst dem Datum "22.2.06" findet. Wie sich ebenfalls aus dem Verwaltungsakt ergibt (AS 8), wurde vom Beschwerdeführer am 22. Februar 2006 ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land mit folgender(m) Einleitung und Spruch übernommen:
"BESCHEID
Sehr geehrter Herr!
Auf Grund Ihres Antrages ergeht von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als Organ der mittelbaren
Bundesverwaltung erster Instanz folgender
SPRUCH
Die Lenkberechtigung für die Klasse(n) wird Ihnen unter folgenden Befristungen, Auflagen und Bedingungen erteilt:
Klassen:
ausgestellt:
Befristet bis:
Einschränkungen:
B
22.2.2006
Code 104 (1 Mon)
Es ist in monatlichen Abständen ist eine Harntoxilogie auf Cannabisnoide, Opiate, Amphtamine und Benzodiapzine vorzulegen.
(bis spätestens: 22.03.06, 22.04.06, 22.05.06, 22.06.06, 22.07.06, 22.08.06, 22.09.06, 22.10.06, 22.11.06 und 22.12.06 - mit einer Toleranzfrist von jeweils einer Woche!
Rechtsgrundlage:
§ 5/5 Führerscheingesetz 1997 (FSG)"
Ebenfalls am 22.02.2006 bestätigte der Aktenlage (AS 1) zufolge der Beschwerdeführer die Übernahme eines mit der Seriennummer 2684044 ausgestellten Führerscheines.
Gegen den genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit dem Antrag auf dessen ersatzlose Aufhebung.
Mit Bescheid vom 5. April 2006 wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) die Berufung gemäß §§ 24 Abs. 1 Z. 2 FSG iVm. 14 Abs. 5 FSG-GV als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass das Datum "22.03.2006" zu entfallen habe. Begründend führte der UVS aus, dem Beschwerdeführer sei durch den erstinstanzlichen Bescheid die ihm im Jahr 1997 erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B durch die angeführte Auflage eingeschränkt worden. Unter Bezugnahme auf ein Gutachten der amtsärztlichen Sachverständigen vom 16. Dezember 2005 und ein Gutachten Dris. M., eines Facharztes für Psychiatrie, vom 30. November 2005 führte der UVS weiter aus, der Beschwerdeführer sei über einen Zeitraum von sechs Jahren suchtmittelabhängig gewesen bzw. habe damit einen gehäuften Missbrauch begangen. Die genannte Auflage sei deshalb vorzuschreiben, weil der in § 14 Abs. 5 FSG-GV enthaltene Begriff "Missbrauch" als ein in der Vergangenheit begangener gehäufter Missbrauch von Suchtmitteln zu verstehen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. März 2001, Zl. 2000/11/0264). Die Vorschreibung der genannten Auflage erfolge aufgrund des vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachtens der amtsärztlichen Sachverständigen. Ferner seien für die Dauer von insgesamt neun Monaten monatlich beizubringende Befunde vor dem Hintergrund des jahrelangen Drogenkonsums des Beschwerdeführers und dessen Entwöhnungsbehandlungen gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften des FSG lauten (auszugsweise):
"1. Abschnitt
Allgemeiner Teil
...
Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Verfahren bei der Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 5.
...
(5) Die Lenkberechtigung ist, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs. 3 Z 2). Personen, die nach dem ärztlichen Gutachten "beschränkt geeignet" sind, darf nur eine eingeschränkte Lenkberechtigung erteilt werden, die ausschließlich zum Lenken eines oder mehrerer, auf Grund der Beobachtungsfahrt bestimmter Ausgleichkraftfahrzeuge berechtigt (§ 9 Abs. 5). Die aufgrund des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befristungen, Beschränkungen oder Auflagen sind dem Antragsteller von der Behörde zur Kenntnis zu bringen.
...
2. Abschnitt
...
Gesundheitliche Eignung
§. 8
...
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
...
2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass ... er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten 'bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; ... ;
...
3. Abschnitt
Führerscheine
Ausstellung des vorläufigen Führerscheines sowie des Führerscheines
§ 13.
...
(5) In den vorläufigen Führerschein ist jede gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 oder 3 oder aus anderen Gründen ausgesprochene Befristung, Beschränkung der Lenkberechtigung sowie die Vorschreibung etwaiger Auflagen einzutragen. Bei Erteilung der Lenkberechtigung für eine weitere Fahrzeugklasse oder -unterklasse (Ausdehnung der Lenkberechtigung) oder bei Eintragung nachträglich ausgesprochener Befristungen, Beschränkungen oder Auflagen ist der Führerschein der Behörde zwecks Neuausstellung abzuliefern. ... .
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
...
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
..."
1.2. Die einschlägigen Bestimmungen der FSG-GV lauten (auszugsweise):
"Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14.
...
(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.
..."
2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
2.1. Die belangte Behörde ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass durch den erstbehördlichen Bescheid die im Jahr 1997 erteilte Lenkberechtigung des Beschwerdeführers nachträglich in Anwendung des § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG durch eine Auflage eingeschränkt worden wäre. Diese Einschätzung ist mit der Aktenlage unvereinbar.
Wie sich aus den oben wiedergegebenen näheren Umständen, namentlich aus der auf einen Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B lautenden Formularausfüllung, dem Wortlaut des Spruchs des erstbehördlichen Bescheids (arg. "Auf Grund Ihres Antrages") sowie aus der Bezugnahme auf § 5 Abs. 5 FSG ergibt, wurde - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - durch die Erstbehörde nicht die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG nachträglich eingeschränkt, sondern unter der genannten Auflage gemäß § 5 Abs. 5 FSG eine Lenkberechtigung neu erteilt. Der Verwaltungsgerichtshof übersieht zwar nicht, dass gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG auch im Falle einer nachträglichen Einschränkung gemäß § 13 Abs. 5 FSG ein neuer Führerschein auszustellen ist. Die ausdrückliche Bezugnahme der Erstbehörde auf einen Antrag des Beschwerdeführers, das Vorliegen eines derartigen Anbringens im Verwaltungsakt und die von der Erstbehörde verwendete Diktion samt Bezugnahme auf eine die Erteilung betreffende Rechtsvorschrift verbieten aber die Annahme, es liege bloß ein Vergreifen im Ausdruck vor, und damit eine Auslegung des erstbehördlichen Bescheides in dem von der belangten Behörde unterstellten Sinn. Die Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise der Erstbehörde ist vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlass der vorliegenden Beschwerde nicht zu beurteilen.
"Sache" des Verwaltungsverfahrens erster Instanz war somit die Erteilung einer (unbefristeten) Lenkberechtigung. Soweit der Beschwerdeführer in der Berufung die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides beantragte, kann dies nur dahin verstanden werden, dass sich die Berufung gegen die einschränkende Auflage der Vorlage von Kontrolluntersuchungen richtete. Demgemäß ist der Berufungsantrag auch als zulässig anzusehen.
Da die belangte Behörde - wie gezeigt zu Unrecht - den erstbehördlichen Bescheid als nachträgliche Einschränkung einer bestehenden Lenkberechtigung qualifizierte und die von ihr unterstellte nachträgliche Einschränkung im Wesentlichen bestätigte, ging sie in ihrer Entscheidung über die "Sache" des Berufungsverfahrens hinaus, womit sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge funktioneller Unzuständigkeit belastete (vgl. hiezu zB. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2001, Zl. 99/11/0243 und vom 21. Oktober 2005, Zl. 2005/12/0115).
2.2. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
2.3. Im Übrigen sei angemerkt, dass sich der angefochtene Bescheid auch im Hinblick auf § 14 Abs. 5 FSG-GV als rechtswidrig erweist.
2.3.1. Steht ein in der Vergangenheit liegender gehäufter Suchtmittelmissbrauch iSd. § 14 Abs. 5 FSG-GV eines Bewerbers um eine Lenkberechtigung fest, so darf im Falle des Vorliegens einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme die beantragte Lenkberechtigung (grundsätzlich) nur unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen erteilt werden. Ein ärztliches Gutachten, welches Kontrolluntersuchungen im Sinne des § 14 Abs. 5 FSG-GV für erforderlich erachtet, hat freilich die vorgeschlagenen Zeitabstände für diese Untersuchungen nachvollziehbar zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2001, Zl. 2000/11/0264).
Ergibt sich allerdings in der Folge, insbesondere durch die Ergebnisse der angeordneten Kontrolluntersuchungen, dass der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum keinen Suchtmittelmissbrauch mehr begangen hat, und sind demnach diese Kontrolluntersuchungen wegen des als unwahrscheinlich anzunehmenden Rückfallsrisikos nicht mehr erforderlich, kann bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Bestimmungen eine Lenkberechtigung auch ohne Auflage gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV erteilt werden (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. März 2001).
2.3.2. Im Beschwerdefall steht ein gehäufter Suchtmittelmissbrauch des Beschwerdeführers in der Vergangenheit außer Streit. Die von der Amtssachverständigen in ihrem Gutachten verwertete und auch von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte fachärztliche Stellungnahme Dris. M. vom 30. November 2005 spricht jedoch, ohne dass dies von der Amtssachverständigen oder der belangten Behörde in Zweifel gezogen worden wäre, ausdrücklich davon, dass keinerlei Hinweise auf einen Drogenmissbrauch des Beschwerdeführers bestünden, die letzte Drogenharnuntersuchung am 5. Oktober 2005 "unauffällig" gewesen sei, der Beschwerdeführer seit "nunmehr 15 Monaten" drogenfrei sei und dieser aus psychiatrischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B unbefristet geeignet sei.
Bei Heranziehung dieser fachärztlichen Stellungnahme im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - dass sich an der darin zum Ausdruck gebrachten Drogenabstinenz des Beschwerdeführers etwas geändert hätte oder neue Umstände hinzugetreten wären, hat die belangte Behörde nicht festgestellt und geht auch aus dem gänzlich unbegründeten Gutachten der Amtssachverständigen nicht hervor -, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem von einer bereits 19monatigen Drogenabstinenz auszugehen war, lag vor dem Hintergrund des bereits erwähnten hg. Erkenntnisses vom 20. März 2001 für die belangte Behörde kein Grund mehr vor, einen Rückfall des Beschwerdeführers als wahrscheinlich anzunehmen. Auf der Basis der dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Sachverhaltsannahmen war für eine Auflage nach § 14 Abs. 5 FSG-GV kein Raum mehr.
2.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG Abstand genommen werden.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. April 2007
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006110090.X00Im RIS seit
17.05.2007