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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in F, vertreten durch Mag. Markus Watzin, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Priesterhausgasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Juni 2005, Zl. KUVS-25/7/2005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Lenkverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 16. Dezember 2004, dem Beschwerdeführer zugestellt am 20. Dezember 2004, wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des (gemeint: dieses) Bescheides, entzogen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen bis zum Ablauf der Entziehungsdauer der Lenkberechtigung ausdrücklich verboten. Einem allfälligen Rechtsmittel wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Juni 2005 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides von folgendem Sachverhalt aus:
"Der Berufungswerber lenkte am 13.7.2004 um 11.32 Uhr den PKW KL-... ... entlang der R. Straße stadteinwärts. Vor ihm fuhr der als Fahrschulauto gekennzeichnete LKW-Zug K-..., welcher vom Fahrschüler L. gelenkt wurde. Im LKW befanden sich der Fahrlehrer der Fahrschule H., S., sowie der Fahrprüfer des Amtes der Kärntner Landesregierung, Ing. O. Auf Höhe E.-Weg reduzierte der Prüfling die Geschwindigkeit auf ca. 50 - 55 km/h, weil ein Moped mit dieser Geschwindigkeit auf den ersten Fahrstreifen vor dem LKW-Zug fuhr. Ca. 150 m nach der N. Straße überholte der Berufungswerber mit seinem PKW den Kraftwagenzug und reihte sich sehr knapp (ca. 2m) vor dem LKW-Zug ein. Danach leitete der Berufungswerber mit seinem PKW eine Vollbremsung ein, sodass der PKW (fast) zum Stillstand kam und fuhr dann wieder weiter. Die Vollbremsung war auf Grund der Verkehrssituation nicht erforderlich. Der Berufungswerber wusste, dass es sich beim LKW-Zug um ein Fahrschulfahrzeug handelt. Der Fahrlehrer leitete am LKW-Zug eine Vollbremsung ein, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Der Kraftwagenzug geriet kurz hinter dem PKW zum Stillstand. Der Fahrprüfer Ing. O. erstattete kurz nach dem Vorfall Anzeige bei der BPD Klagenfurt."
Auf Grund dieses Sachverhaltes vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe eine bestimmte Tatsache "im Sinne des § 7 Abs. 1" (FSG) verwirklicht, weil er mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen "die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgeblichen Verkehrsvorschriften verstoßen" habe. "Das besondere Übermaß mangelnder Rücksichtnahme gegenüber anderen Straßenbenützern" sei darin zu erblicken, dass der Beschwerdeführer ein Fahrschulfahrzeug "geschnitten" und zu einer Vollbremsung genötigt habe, ohne dass es die Verkehrssituation erfordert hätte. Der Beschwerdeführer habe gewusst, dass er vor einem Fahrschulfahrzeug fahre, das von einem Fahrschüler gelenkt wurde. Durch das vorschriftswidrige Verhalten des Beschwerdeführers wäre es beinahe zu einem folgenschweren Auffahrunfall gekommen. Der Annahme der Erstbehörde, der Beschwerdeführer sei wegen der verwerflichen Sinnesart "lediglich für die gesetzliche Mindestentziehungsdauer" verkehrsunzuverlässig, könne nicht entgegen getreten werden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften des Führerscheingesetzes - FSG lauten (auszugsweise):
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen, .... ;
....
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. ...
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ..."
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe Widersprüche in den vor ihr abgelegten Aussagen, nämlich einerseits, dass er das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug nur (geringfügig) abgebremst habe bzw. andererseits, dass er das Fahrzeug kurzfristig zum Stillstand gebracht habe und dann wieder weiter gefahren sei, nicht aufgeklärt. Ferner sei die Tachografenscheibe des Fahrschul-LKW nicht ausgewertet worden; aus einer diesbezüglichen Auswertung hätte sich ergeben, dass mit diesem Fahrzeug keine Vollbremsung eingeleitet worden sei. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Beschwerdeführer eine Bremsung eingeleitet habe, lasse dies nicht zwingend auf ein besonderes Übermaß an Rücksichtslosigkeit schließen, sodass die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG verwirklicht, verfehlt sei. Darüber hinaus habe die belangte Behörde die Wertung des ihm vorgeworfenen Verhaltens nicht hinreichend vorgenommen und insbesondere auch sein Wohlverhalten nicht berücksichtigt, sodass die Prognose hinsichtlich seiner Verkehrsunzuverlässigkeit jedenfalls rechtswidrig sei.
Die Beschwerde ist im Ergebnis zielführend.
Die belangte Behörde hat die Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde, womit die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (am 20. Dezember 2004), somit bis 20. März 2005 entzogen wurde, bestätigt. Datum des Vorfalls war der 13. Juli 2004, sodass die belangte Behörde damit eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers von mehr als acht Monaten angenommen hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt hat, das an sich geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Denn auch unter der Voraussetzung, dass im Hinblick auf das in Rede stehende Verhalten des Beschwerdeführers eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG vorläge, wäre angesichts der Länge der seither verstrichenen Zeit und des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers vor und nach dieser Tat - andere Delikte hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt - die angenommene Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von mehr als 8 Monaten als zu lange anzusehen, sodass - ausgehend vom Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 20. Dezember 2004 - eine Entziehung der Lenkberechtigung selbst für die im § 25 Abs. 3 FSG vorgesehene Dauer von drei Monaten nicht mehr in Betracht kam. Trifft nämlich die Annahme, der Betroffene werde für diesen Zeitraum verkehrsunzuverlässig sein, nicht (mehr) zu, so darf eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht ausgesprochen bzw. von der Berufungsbehörde nicht bestätigt werden (vgl. das hg. Erkenntnis 27. März 2007, Zl. 2006/11/0273 mwN, auf dessen Erwägungen nach § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird). Die Entziehung der Lenkberechtigung und das ausgesprochene Lenkverbot erweisen sich daher insoweit als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. April 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005110156.X00Im RIS seit
17.05.2007