Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Marco R*****, und des Nino R*****, in Pflege und Erziehung der Mutter Andrea R*****, diese vertreten durch Dr. Ursula Schwarz, Rechtsanwältin in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters Gottfried R*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 6. März 2003, GZ 3 R 54/03b-63, womit infolge Rekurses der Mutter der Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 4. Februar 2003, GZ 1 P 1965/95f-60, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs des Vaters wird zurückgewiesen.
Die Mutter hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Marco und Nino sind die ehelichen Kinder von Andrea und Gottfried R*****. Die Obsorge steht der Mutter alleine zu.
Der Vater zahlt für seine Söhne monatlich je EUR 314,-- an Unterhalt. Nino befindet sich seit dem 5. 9. 2002 in kieferorthopädischer Behandlung. Die Kosten im ersten Behandlungsjahr belaufen sich nach Abzug eines Zuschusses der Krankenversicherung auf EUR 1.216,47.
Am 17. 12. 2002 beantragte die Mutter, den Vater zur Leistung eines einmaligen Sonderbedarfes in der Höhe von EUR 608,23 zu verpflichten.
Der Vater wendete dagegen am 23. 12. 2002 ein, sich nicht in der Lage zu sehen, über seine monatlichen Unterhaltsbeiträge von je EUR 314,-- höhere bzw zusätzliche Leistungen zu zahlen. Er bezahle für seine Wohnung monatlich EUR 269,--, für Strom EUR 36,34, für Telefon ebenfalls EUR 36,34 und müsse für eine Unfall- sowie Krankenzusatzversicherung jeweils monatlich EUR 9,40 aufwenden. Daneben benötige er noch finanzielle Mittel für seine Lebenshaltungskosten.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater, für Nino zusätzlich zu dem von ihm monatlich zu leistenden Unterhaltsbeitrag von EUR 314,-- einen einmaligen Sonderbedarfsbetrag für das erste Behandlungsjahr des Kindes von EUR 176,-- zu Handen der Mutter zu bezahlen und wies ein Mehrbegehren von EUR 432,23 (Differenz zur Hälfte der Gesamtkosten der Zahnbehandlung) ab. Es erachtete den Vater nur als im Rahmen der Prozentsatzkomponente zahlungspflichtig; daraus ergebe sich bei einem anrechenbaren Durchschnittseinkommen von EUR 1.975,10 und einem Anspruch Ninos von 18 % ein Betrag von EUR 355,50, der im Hinblick auf die Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Vaters in Anbetracht der von der Mutter bezogenen staatlichen Transferleistungen auf EUR 328,69 zu reduzieren sei; die Differenz zum laufenden Unterhalt, umgerechnet auf ein Jahr, mache den zugesprochenen Betrag aus.
Das von der Mutter angerufene Rekursgericht gab deren Rechtsmittel teilweise Folge und verpflichtete den Vater zur Zahlung eines Sonderbedarfsbetrages für das erste Behandlungsjahr der kieferorthopädischen Behandlung des Kindes von insgesamt EUR 500,--, während es ein Mehrbegehren von EUR 108,23 abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht erachtete hier einen nicht existenznotwendigen Sonderbedarf für gegeben, weshalb der Vater im Rahmen der Prozentsatzkomponente zur teilweisen Abdeckung dieses Sonderbedarfes zu verhalten sei. Eine steuerliche Entlastung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 6. 2002 mit welchem die Wortfolge in § 12a FLAG "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben wurde, komme aber nicht in Betracht, weil der Vater im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal ansatzweise erkennen habe lassen, er strebe eine solche Entlastung an.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anrechnung der staatlichen Transferleistung ohne entsprechendes Vorbringen eines - wie hier - nicht anwaltlich vertretenen Unterhaltspflichtigen nicht veröffentlicht sei.
Der Vater beantragt in seinem zu Protokoll gegebenen ordentlichen Revisionsrekurs die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Ihm sei das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 7. 2002 aus den Medien bekannt und der Ansicht gewesen, dass auf Grund der Aufhebung der obgenannten Wortfolge und der dadurch gegebenen Anrechnungsverpflichtung sehr wohl eine amtswegige Anrechnung der Transferleistungen in Betracht kommen müsse.
Die Mutter beantragt in ihrer Gegenschrift zum Revisionsrekurs des Vaters diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Bis zu den Erkenntnissen des VfGH vom 27. 6. 2001, B 1285/00 und vom 19. 6. 2002 G 7/02 ging die oberstgerichtliche Rechtsprechung entsprechend dem Wortlaut des § 12a FLAG davon aus, dass die Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbetrag) zur Gänze dem Haushalt zukommen soll, in dem das Kind betreut wird, um die Betreuungslast teilweise abzudecken. Im Erkenntnis vom 27. 6. 2001 vertrat der VfGH eine gegenteilige Ansicht. Mit seinem Erkenntnis vom 19. 7. 2002 G 7/02 hat der Verfassungsgerichtshof im § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist. Der VfGH wiederholte seine schon im vorher ergangenen Erkenntnis erläutete Auffassung, dass nicht nur die Absetzbeträge, sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu diesen habe.
Der Oberste Gerichtshof hat seither in zahlreichen Entscheidungen die nach Aufhebung der Wortfolge im § 12a FLAG eingetretenen neue Rechtslage bei der Unterhaltsfestsetzung berücksichtigt (RS0117015). Diesen Entscheidungen lag aber ein dementsprechender Antrag des Geldunterhaltspflichtigen auf Berücksichtigung der nunmehr gebotenen steuerlichen Entlastung bei der Unterhaltsbemessung zugrunde.
Allerdings ist ein zwingender Charakter der steuerlichen Entlastung des Unterhaltsschuldners nicht ersichtlich. Die Entlastung hängt vielmehr von seiner Disposition ab. Im Außerstreitverfahren ist zwar das Gericht verpflichtet, die notwendigen Erhebungen von Amts wegen zu pflegen, es hat sich aber im Rahmen der Anträge der Parteien zu halten (RIS-Justiz RS006330). Der Untersuchungsgrundsatz geht daher nicht so weit, dass von Amts wegen eine vom Unterhaltsschuldner gar nicht begehrte Steuerentlastung vorgenommen werden müsste, der Partei also ein verzichtbarer Rechtsanspruch (Rechtsgrund) geradezu aufgedrängt werden müsste (6 Ob 159/02d; Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Unterhaltsansprüche JBl 2003, 9 [14]).
Zutreffend hat das Rekursgericht darauf verwiesen, dass der geldunterhaltspflichtige Vater im Verfahren erster Instanz nicht einmal ansatzweise erkennen habe lassen, dass er eine teilweise Anrechnung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen im Sinne der Berechnungsmethode des VfGH anstrebt. Dies wäre allerdings geboten gewesen, weil ihm die Entscheidung des VfGH aus den Medien bekannt war.
Bei diesem Sachverhalt muss auf die in der Gegenschrift aufgeworfenen Rechtsfragen ob eine steuerliche Entlastung auch bei Geltendmachung von Sonderbedarf geboten ist bzw ob hier der geltend gemachte Sonderbedarf existenznotwendig ist, nicht mehr eingegangen werden.
Die vom Rekursgericht in seiner Begründung zur Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses aufgeworfene Frage wurde somit vom Obersten Gerichtshof bereits beantwortet. Da vom Rechtsmittel des Vaters auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage berührt wird, war mit dessen Zurückweisung vorzugehen.
Ein Kostenzuspruch kommt im außerstreitigen Unterhaltsverfahren nicht in Betracht.
Textnummer
E69673European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00077.03T.0521.000Im RIS seit
20.06.2003Zuletzt aktualisiert am
19.04.2011