Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §75 Abs9 idF 2001/036;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Berta Lechner, vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8/1/1-3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Februar 2005, Zl. BOB-446/04, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Gernot Kern in Wien, vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in 3430 Tulln, Stiegengasse 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Juli 2004 wurde dem Mitbeteiligten die Baubewilligung für einen Zubau und bauliche Änderungen erteilt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für die vom gegenständlichen Bauvorhaben betroffene Liegenschaft die Bauklasse III und die geschlossene Bauweise gelte. Der höchste Punkt des Daches des gegenständlichen Bauvorhabens liege 4,50 m über der tatsächlich errichtete Gebäudehöhe und entspreche somit den geltenden Bebauungsbestimmungen. Gemäß § 75 Abs. 9 der Bauordnung für Wien (BO) dürfe, sofern das Stadtbild nicht beeinträchtigt werde, die Gebäudehöhe im Bauland außerhalb von Schutzzonen allgemein in den Bauklassen III und IV um jenes Maß vergrößert werden, um das eine Hauptgeschoßhöhe von 2,80 m überschritten werde. Die zulässige bzw. festgesetzte Gebäudehöhe dürfe dadurch um höchstens 1,50 m überschritten und die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen dürfe nicht vermindert werden. Die Voraussetzungen des § 75 Abs. 9 BO seien durch die Überschreitung der Hauptgeschoßhöhen im Erdgeschoß und im ersten sowie im zweiten Stock gegeben. Im frei bleibenden Bereich der Hoffront werde das bestands- und konsensmäßige Dach und damit die Gebäudehöhe nicht verändert. Das geplante Staffelgeschoß überrage den zulässigen Gebäudeumriss lediglich durch zwei Gauben, die das gemäß § 81 Abs. 6 BO zulässige Ausmaß nicht überschritten. Der gemäß § 78 Abs. 1 BO erforderliche Lichteinfall für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin und somit auch die Bebaubarkeit von deren Liegenschaft werde durch das Bauvorhaben im Sinne des § 75 Abs. 9 BO nicht beeinträchtigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde im Wesentlichen gegen die geplante Gebäudehöhe.
Aus Anlass dieses Beschwerdefalls beantragte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Dezember 2006, Zl. A 2006/0025-1, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 75 Abs. 9 der Bauordnung für Wien, LGBl. für Wien Nr. 11/1930 in der Fassung LGBl. Nr. 36/2001.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. März 2007, G 103/05-10 u.a., wurde die angefochtene Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Diese Anlasswirkung bezieht sich im vorliegenden Fall auf den angefochtenen Bescheid.
Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hat die mitbeteiligte Partei die Präjudizialität des § 75 Abs. 9 BO hinsichtlich der für die Beschwerdeführerin allein relevanten hinteren Gebäudefront in Abrede gestellt. Dazu ist festzuhalten, dass einerseits die belangte Behörde in der Bescheidbegründung auch in Bezug auf die Nachbarrechte der Beschwerdeführerin die Erfüllung der Anforderungen des § 75 Abs. 9 BO geprüft hat und andererseits aus den bewilligten Plänen, insbesondere angesichts neuer Bauteile an der Außenwand im diesbezüglich fraglichen Bereich, nicht nachvollziehbar hervorgeht, dass diese Prüfung unnötig gewesen wäre.
Durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof wurde die für den angefochtenen Bescheid im gegenständlichen Zusammenhang maßgebliche Rechtsgrundlage beseitigt. Durch die Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Bestimmung des § 75 Abs. 9 BO wurde die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den Pauschalgebühren der zitierten Verordnung bereits berücksichtigt ist.
Wien, am 24. April 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007050061.X00Im RIS seit
23.05.2007