Index
L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt OberösterreichNorm
B-VG Art119a Abs5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des DI JB und 2. der PB, beide in L, beide vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 9, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. November 2004, Zl. BauR-013032/17-2004-Um, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. SH in L,
2. Gemeinde L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer beantragte am 13. Jänner 2002 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von Schächten beim Schwimmbad auf dem Grundstück Nr. nn/13 (L). Die Beschwerdeführer sind gemeinsam Eigentümer dieser Liegenschaft. Nach dem vorgelegten Einreichplan ist Teil des Projekts, dass parallel zu dem nicht projektsgegenständlichen Schwimmbecken in einer Entfernung von 50 cm an der Grundgrenze eine 25 cm dicke, zwischen 1,05 m und 1,65 m (entsprechend dem Geländeverlauf) hohe Mauer errichtet wird, wobei diese Mauer auf einer vorhandenen Sockelmauer aufgesetzt werden soll.
Bei der Verhandlung vom 11. Februar 2002 erklärte der anwesende Bausachverständige, dass es sich nach seiner Auffassung bei dieser Mauer nicht um eine Stützmauer handeln würde.
Die Erstmitbeteiligte, die Eigentümerin jener seitlichen Nachbarparzelle, an deren Grundgrenze die Mauer errichtet werden soll (im Folgenden: Nachbarin), wendete bei der Verhandlung ein, dass das Bauwerk mit dem geltenden Bebauungsplan nicht vereinbar sei. Die Anlage erreiche (offenbar einschließlich der vorhandenen Sockelmauer) eine Höhe von 2,60 m und nicht, wie im Plan dargestellt, lediglich 2,45 m.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2002 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt. Eine dagegen von der Nachbarin erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juli 2002 abgewiesen. Einer dagegen von der Nachbarin erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. November 2002 Folge und hob den Berufungsbescheid auf. Die Vorstellungsbehörde verwies auf den für den gegenständlichen Bereich maßgeblichen Bebauungsplan "Nr. 2- Stacherlleiten". Danach sollen Stützmauern möglichst vermieden werden, falls erforderlich, dürfen sie maximal 1 m hoch sein, sonst seien sie abzuböschen. Die Vorstellungsbehörde bejahte zunächst ein Nachbarrecht auf Einhaltung dieser Bestimmung, weil Nachbarn vor übermäßig hohen Bauwerken geschützt werden sollen. Sie lehnte die Auffassung der Gemeindebehörden ab, dass es sich beim gegenständlichen Bauwerk nicht um eine Stützmauer im Sinne der zitierten Bestimmung handle. Die Mauer erfülle auf Grund der Plandarstellungen jedenfalls im östlichen und westlichen Bereich die Funktion einer Stützmauer, wobei sie keine baulich selbstständigen Teile aufweise, wozu noch komme, dass der mittlere Teil der Mauer auf eine vorhandene Gartenmauer aufgesetzt wurde, die schon für sich alleine als Stützmauer anzusehen sei.
Dieser Bescheid blieb unbekämpft.
Am 21. November 2003 erging vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde eine neuerliche Berufungsentscheidung. Der Berufung der Nachbarin wurde stattgegeben und die Baubewilligung durch die Aufnahme des folgenden Auflagepunktes abgeändert:
"Die sich entlang der Grundgrenze zum Nachbargrundstück H. (Parz. nn/6) befindliche, von der Aufsichtsbehörde als Stützmauer qualifizierte Mauer beim Schwimmbad auf der Parz. nn/14 darf auf Grund des rechtskräftigen Bebauungsplanes Nr. 2 Stacherlleiten nicht höher als 1 m sein."
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl beide Beschwerdeführer als auch die Nachbarin Vorstellung. Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom 10. Februar 2004 den Vorstellungen Folge und hob den angefochtenen Berufungsbescheid auf. Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei ausschließlich das nach dem Willen des Bauwerbers beabsichtigte Projekt, das in den Einreichplänen und sonstigen beschrieben wird. Ausschließlich darüber habe die Baubehörde zu entscheiden. Auflagen und Bedingungen könnten nur im Interesse der im § 35 Abs. 2 Oö. BauO ausdrücklich angeführten Aspekte vorgeschrieben werden. Um eine solche Vorschreibung handle es sich aber bei dem nunmehr angefügten Auflagenpunkt nicht, vielmehr sollte damit das Projekt erst konsensfähig gemacht werden. Es sei aber ausschließlich Sache des Bauwerbers, sein Projekt so zu gestalten, dass es den baurechtlichen Vorschriften entspricht. Der Berufungsbescheid habe sowohl Rechte des Bauwerbers verletzt, der einen Rechtsanspruch auf Entscheidung über ein seinem Willen entsprechendes Projekt habe, als auch Rechte der Nachbarin, die es nicht hinnehmen müsse, dass die Baubehörde das Projekt erst durch Vorschreibung einer rechtlich nicht gedeckten Auflage einer Bewilligungsfähigkeit zuführe.
Auch dieser Bescheid blieb unbekämpft.
Über Aufforderung der Berufungsbehörde äußerten sich die Beschwerdeführer mit ihrem Schreiben vom 8. April 2004 dahingehend, dass sie ihren Antrag in der ursprünglich eingereichten Form aufrecht erhalten, da es sich nicht um eine Stützmauer handle und das Bauvorhaben daher dem Bebauungsplan entspreche.
Mit Bescheid vom 26. April 2004 änderte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die mit Bescheid vom 13. Februar 2002 erteilte Baubewilligung dahingehend ab, dass auf Grund der Berufung der Nachbarin die begehrte Baubewilligung versagt wurde. In Bindung an die Vorstellungsentscheidung vom 10. Februar 2004 wurde ausgeführt, dass eine Stützmauer geplant sei, und dass eine solche Stützmauer in Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan stehe.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung bekämpften die Beschwerdeführer die Auffassung, es läge hier eine Stützmauer vor. Vielmehr müsse klar von einer Funktionstrennung der Mauerbestandteile ausgegangen werden, Mauerteile, die nicht Erdreich abstützen, sondern eine andere Funktion haben und beidseitig über Erdniveau liegen, dürfen nicht als Stützmauer angesehen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung keine Folge. Sie verwies auf § 102 Abs. 5 Oö. Gemeindeordnung, wonach die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden sei. Tragender Grund für die Aufhebung des Berufungsbescheides vom 23. Juli 2002 sei nach der Begründung der Vorstellungsentscheidung vom 20. November 2002 gewesen, dass es sich bei der gegenständlichen Mauer entlang der Grundgrenze um eine Stützmauer gehandelt habe, die die gesetzliche Höhenbeschränkung von 1 m nicht einhalte. Auf Grund der Bindungswirkung dieses Vorstellungsbescheides sei die Berufungsbehörde zu Recht davon ausgegangen, dass das Bauwerk angesichts des Widerspruches zum Bebauungsplan nicht bewilligungsfähig sei (§ 35 Abs. 1 Oö. BauO). In Anbetracht der Bestimmung des § 102 Abs. 5 Oö. Gemeindeordnung vermochte die Behauptung der Unrichtigkeit der Ansicht der Vorstellungsbehörde zur Frage der Qualifikation als Stützmauer daran nichts zu ändern.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Erteilung der Baubewilligung verletzt. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist die Beschwerdelegitimation der Zweitbeschwerdeführerin zu bejahen, weil sie in ihrem mit dem Erstbeschwerdeführer gemeinsamen Schreiben vom 8. April 2004 zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nunmehr auch Bauwerberin sein wolle.
In der Beschwerde wird ausführlich dargetan, warum die vorliegende Mauer nicht als Stützmauer zu qualifizieren sei und herangezogenen Bestimmungen des Bebauungsplanes Nr. 2- Stacherlleiten nicht Nachbarinteressen dienten, weshalb die Einwendung der Nachbarin sich nicht darauf hätte stützen können. Auf die Frage der Bindungswirkung aufhebender Vorstellungsentscheidungen geht die Beschwerde allerdings nicht ein.
§ 102 Oö. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 91/1990, lautet auszugsweise:
"§ 102
Vorstellung
(1) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben. Jeder letztinstanzliche Bescheid eines Gemeindeorganes hat einen Hinweis auf die Vorstellung und eine Belehrung über die Einbringung - Abs. 2 erster Satz - zu enthalten (Vorstellungsbelehrung).
...
(5) Die Aufsichtsbehörde hat, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden."
Grund der Aufhebung des Gemeindebescheides im Bescheid der Vorstellungsbehörde vom 20. November 2002 war die Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde, dass es sich bei der gegenständlichen Mauer um eine Stützmauer im Sinne des vorliegenden Bebauungsplanes handelt und dass durch die Höhenbeschränkung für Stützmauern in diesem Bebauungsplan ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht eingeräumt wird. An diese Rechtsauffassung waren die Gemeindebehörden auf Grund der Bestimmung des § 102 Abs. 5 letzter Satz GemO gebunden.
Diese Rechtsauffassung kann auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr in Frage gestellt werden:
Den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides kommt für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu, sie sind daher für das fortgesetzte Verfahren für die Gemeindebehörde, für die Aufsichtsbehörde und für die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bindend. Diese bindende Wirkung bestünde selbst bei einem Widerspruch mit der objektiven Rechtslage. Die tragenden Aufhebungsgründe wirken absolut und sind auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten (ständige Rechtsprechung; siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2003/05/0156 m.w.N.). In dem gleichfalls zur Rechtslage in Oberösterreich ergangenen Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/05/0209, wurde ausgeführt, dass der aufhebende Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde nur in Bezug auf die tragenden Aufhebungsgründe, sofern er unbekämpft bleibt oder eine Beschwerde vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts keinen Erfolg hat, vor der Gemeindebehörde, vor der Aufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof Bindungswirkung entfaltet.
Das in Bindung an die oben beschriebene Rechtsansicht der belangten Behörde als Stützmauer qualifizierte Bauwerk übersteigt stets die im geltenden Bebauungsplan verfügte Höhenbeschränkung. Eine Baubewilligung kann aber gemäß § 35 Abs. 1 Oö. Bauordnung nur erteilt werden, wenn das Vorhaben in allen seinen Teilen des Bestimmungen u.a. des Bebauungsplanes entspricht, andernfalls ist die beantragte Baubewilligung zu versagen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. April 2007
Schlagworte
Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004050309.X00Im RIS seit
04.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021