Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Johanna S*****, infolge Revisionsrekurses der einstweiligen Sachwalterin Dr. Elfgund F*****, Rechtsanwältin, ***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. Februar 2003, GZ 15 R 354/02p-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 4. November 2002, GZ 2 P 7/02z-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Auf Grund von Anregungen einer Sozialarbeiterin und des Schwiegersohns der Betroffenen nahm das Erstgericht deren Erstanhörung vor, um beurteilen zu können, ob die Betroffene alle ihre Angelegenheiten ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen könne. Die Erstanhörung erweckte beim Erstrichter den Eindruck, dass dies nicht der Fall sei. Er erachtete demnach die Fortsetzung des Verfahrens, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, für unumgänglich.
Das Erstgericht bestellte die Rechtsmittelwerberin zur einstweiligen Sachwalterin, der die Vertretung im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, und die Einkommens- und Vermögensverwaltung der Betroffenen zur Besorgung übertragen wurden. Die Bestellung naher Angehöriger komme nicht in Frage, die Betroffene habe zu diesen Personen auch kein Vertrauen. Der Verein für Sachwalterschaft habe derzeit keine freien Kapazitäten und könne daher nicht mit dieser Sachwalterschaft betraut werden. Die Rechtsmittelwerberin sei trotz ihrer Stellungnahme, in der sie die Übernahme des Amtes der einstweiligen Sachwalterin abgelehnt habe, zu bestellen, weil mit der Bestellung eine über durchschnittliche Sachwalterschaften hinausgehende Schwierigkeit oder Arbeitsintensität nicht verbunden sei, die berufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin weder für sich allein noch in Verbindung mit der Tatsache, dass sie für zwei minderjährige Kinder obsorgepflichtig sei, und der Umstand, dass sie bereits für eine andere Person als Sachwalterin fungiere, keine "Unzumutbarkeit" begründeten, und sie daher zur Übernahme des Amtes verpflichtet sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei der Auswahl der Person des einstweiligen Sachwalters sei § 281 ABGB sinngemäß anzuwenden. Erfordere die Vertretung eines Betroffenen nicht vorwiegend Rechtskenntnisse, dann sei eine dem Betroffenen nahestehende Person oder jemand aus dem Kreis der von einem geeigneten Verein namhaft gemachten Personen zu bestellen. Könnten solche Personen nicht aufgefunden werden oder seien sie nicht verfügbar, dann müsse eine andere geeignete Person zum Sachwalter bestellt werden. Ein Rechtsanwalt sei eine "besonders geeignete Person" im Sinne des § 189 Abs 2 ABGB, die das Amt eines Sachwalters nur dann ablehnen dürfe, wenn ihr die Übernahme unzumutbar wäre. Die von der einstweiligen Sachwalterin aufgezeigten Umstände - Sorgepflicht für zwei minderjährige Kinder, alleinerziehende Mutter, Bestellung zur Verfahrenssachwalterin in einem anderen Verfahren - machten die Übernahme der einstweiligen Sachwalterschaft nicht unzumutbar. Die Tätigkeit als Sachwalterin sei grundsätzlich auch nicht unentgeltlich. Es liege weder ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen Art 4 EMRK vor. § 281 ABGB entspreche dem im Art 18 B-VG verankerten Legalitätsprinzip.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der einstweiligen Sachwalterin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen gingen zu Recht davon aus, dass die von der einstweiligen Sachwalterin zu besorgenden Angelegenheiten nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erfordern, weshalb die Bestellung eines Rechtsanwalts oder Notars zum (einstweiligen) Sachwalter nicht von vornherein (§ 281 Abs 3 ABGB) nötig ist. In einem solchen Fall geschieht die Auswahl der Person eines Sachwalters unter dem leitenden Gesichtspunkt des Wohles der Betroffenen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Prioritätenreihung der Abs 1 und 2 des § 281 ABGB (6 Ob 268/02h; EvBl 2000/171 uva). Geeignete, der Betroffenen nahestehende Personen stehen nach dem Akteninhalt nicht zur Verfügung. Dies wird von der Revisionsrekurswerberin auch nicht in Zweifel gezogen. Ein Sachwalter aus dem Kreis der von einem geeigneten Verein namhaft gemachten Personen ist nach der Aktenlage derzeit nicht verfügbar. Demnach ist die Bestellung einer anderen Person geboten, zumal die Beigabe eines Rechtsbeistands gemäß § 238 Abs 1 AußStrG unabdingbar ist. Es kann nach der Aktenlage auch kein Zweifel daran bestehen, dass es das Wohl der Betroffenen erfordert, für die Dauer des Verfahrens, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, die Einkommens- und Vermögensverwaltung von einem einstweiligen Sachwalter besorgen zu lassen. Der Auswahl der aus dem Kreise der Rechtsanwaltschaft stammenden Revisionsrekurswerberin haftet kein Mangel an:
Bei ihren Ausführungen zu den behaupteten Verstößen gegen Art 7 B-VG bzw Art 18 B-VG übersieht die Rechtsmittelwerberin die Norm des § 280 ABGB. Diese gesetzliche Bestimmung hält generell fest, dass bei der Auswahl eines Sachwalters auf die Art der von ihm zu besorgenden Angelegenheiten und besonders auch auf die persönlichen Bedürfnisse des Betroffenen zu achten sei. Es kann kein Zweifel bestehen, dass sich ein Rechtsanwalt wegen seiner fachlichen Kenntnisse für die vom Gesetz schon nach der Erstanhörung beabsichtigte Verfahrenskontrolle besonders eignet, und dass gerade einem Rechtsanwalt die Prüfung der Frage, ob ein Sachwalter zu bestellen oder das Verfahren einzustellen ist, wesentlich leichter fällt als einer rechtsunkundigen Person. Schon zur Sicherung eines zügigen Verfahrensablaufs ist in den Fällen, in denen im § 281 Abs 1 und 2 genannten Personen nicht auffindbar bzw verfügbar sind, die Bestellung eines Rechtsanwalts zum einstweiligen Sachwalter häufig geboten, um den dem Betroffenen zugedachten zwingenden und schnellen Schutz im Verfahren gewährleisten zu können (7 Ob 323/01b). Der Gesetzgeber hat dem Gericht im § 280 ABGB einen Ermessensspielraum eingeräumt, den die Vorinstanzen nicht überschritten haben. In dieser Gesetzesstelle wurden die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben, und weder § 280 noch § 281 ABGB verletzen die in Art 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl VfSlg 13.785). Ebensowenig wurde bei der Bestellung der Rechtsmittelwerberin gegen den Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG verstoßen. Existiert eine Berufsgruppe, deren Angehörige das Wohl behinderter Personen in besonderer Weise wahren können, dann kommt die Auswahl eines (einstweiligen) Sachwalters aus diesem Personenkreis in erster Linie in Betracht. Durch § 86 Geo wird insofern auch ein "angemessener Wechsel" bei der Heranziehung von Sachwaltern herbeigeführt, um eine willkürliche oder unsachliche Vorgangsweise beim Bestellungsvorgang hintanzuhalten.Bei ihren Ausführungen zu den behaupteten Verstößen gegen Art 7 B-VG bzw Art 18 B-VG übersieht die Rechtsmittelwerberin die Norm des § 280 ABGB. Diese gesetzliche Bestimmung hält generell fest, dass bei der Auswahl eines Sachwalters auf die Art der von ihm zu besorgenden Angelegenheiten und besonders auch auf die persönlichen Bedürfnisse des Betroffenen zu achten sei. Es kann kein Zweifel bestehen, dass sich ein Rechtsanwalt wegen seiner fachlichen Kenntnisse für die vom Gesetz schon nach der Erstanhörung beabsichtigte Verfahrenskontrolle besonders eignet, und dass gerade einem Rechtsanwalt die Prüfung der Frage, ob ein Sachwalter zu bestellen oder das Verfahren einzustellen ist, wesentlich leichter fällt als einer rechtsunkundigen Person. Schon zur Sicherung eines zügigen Verfahrensablaufs ist in den Fällen, in denen im § 281 Abs 1 und 2 genannten Personen nicht auffindbar bzw verfügbar sind, die Bestellung eines Rechtsanwalts zum einstweiligen Sachwalter häufig geboten, um den dem Betroffenen zugedachten zwingenden und schnellen Schutz im Verfahren gewährleisten zu können (7 Ob 323/01b). Der Gesetzgeber hat dem Gericht im § 280 ABGB einen Ermessensspielraum eingeräumt, den die Vorinstanzen nicht überschritten haben. In dieser Gesetzesstelle wurden die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben, und weder § 280 noch § 281 ABGB verletzen die in Art 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse vergleiche VfSlg 13.785). Ebensowenig wurde bei der Bestellung der Rechtsmittelwerberin gegen den Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG verstoßen. Existiert eine Berufsgruppe, deren Angehörige das Wohl behinderter Personen in besonderer Weise wahren können, dann kommt die Auswahl eines (einstweiligen) Sachwalters aus diesem Personenkreis in erster Linie in Betracht. Durch § 86 Geo wird insofern auch ein "angemessener Wechsel" bei der Heranziehung von Sachwaltern herbeigeführt, um eine willkürliche oder unsachliche Vorgangsweise beim Bestellungsvorgang hintanzuhalten.
Dem Vorwurf der einstweiligen Sachwalterin, sie müsse "kostenlos" Leistungen für die Allgemeinheit erbringen, ist entgegenzuhalten, dass dem Sachwalter - wie schon das Rekursgericht darlegte (S 7 der Rekursentscheidung) - grundsätzlich für seine Tätigkeit Entgelt und Aufwandersatz gebührt (§§ 282 Abs 1, 266 f ABGB), und dass sich derzeit noch gar nicht abschätzen lässt, in welchem Ausmaß die von der einstweiligen Sachwalterin zu erbringenden Leistungen nicht ohnehin abgegolten werden. Abgesehen davon wäre die Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters für einen Betroffenen, der einkommens- und vermögenslos ist, unmöglich, folgte man der von der Revisionsrekurswerberin vertretenen Ansicht, die Sachwalterbestellung verstoße in solchen Fällen gegen Art 4 EMRK. Vielmehr sind die von einem (einstweiligen) Sachwalter zu verrichtenden Leistungen durchaus mit den "normalen Bürgerpflichten" im Sinne des Art 4 Abs 3 lit d EMRK vergleichbar (7 Ob 362/98f). Die Bestellung der einstweiligen Sachwalterin erfolgte sohin auch im Lichte des Art 4 EMRK verfassungskonform (siehe 7 Ob 323/01b mwN).
Gemäß § 189 Abs 2 ABGB kann eine "besonders geeignete Person" die Betrauung mit der Obsorge nur ablehnen, wenn ihr diese unzumutbar wäre. Diese Bestimmung ist im Sachwalterrecht gemäß § 282 Abs 1 ABGB entsprechend anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein Rechtsanwalt als (Verfahrens-)Sachwalter nicht nur dann im Sinne des § 189 Abs 2 ABGB "besonders geeignet" ist, wenn die Bestellungsvoraussetzungen nach § 281 Abs 3 ABGB vorliegen, sondern auch dann, wenn andere Personen für die Funktion des Verfahrenssachwalters nicht auffindbar oder verfügbar sind (7 Ob 81/02s; 7 Ob 323/01b). Es ist daher zu prüfen, ob die von der Revisionsrekurswerberin aufgezeigten Umstände die Übernahme der einstweiligen Sachwalterschaft unzumutbar erscheinen ließen. Dies ist zu verneinen:
Die Tätigkeit als Verfahrenssachwalterin nach § 238 Abs 1 AußStrG erschöpft sich darin, die Betroffene im Sachwalterschaftsverfahren zu vertreten, was aller Voraussicht nach die Teilnahme an einer - allenfalls an einer zweiten - Tagsatzung und unter Umständen die Verfassung von Rechtsmittelschriften nach sich ziehen wird. In dieser Tätigkeit ist jedenfalls keine unzumutbare Belastung zu erblicken (vgl 7 Ob 362/98f). Die darüber hinaus erfolgte Betrauung der einstweiligen Sachwalterin mit der Einkommens- und Vermögensverwaltung der Betroffenen lässt nach der Aktenlage auch nicht dermaßen umfangreiche Tätigkeiten erwarten, die die Annahme einer unzumutbaren Belastung rechtfertigten. Nach dem Akteninhalt wird es notwendig sein, das laufende Einkommen der Betroffenen zu erheben, dieses zu verwalten, und bestehende Schulden zu begleichen. Gerade der Hinweis der Revisionsrekurswerberin auf die angebliche Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Betroffenen zeigt auf, dass die Verwaltung des Einkommens und Vermögens wohl keinen übermäßigen Arbeitsaufwand erfordern wird. Die Tatsache, dass die einstweilige Sachwalterin zwei minderjährige Kinder zu versorgen und allein zu erziehen hat, ist auch bei Bedachtnahme darauf, dass sie für eine zweite Person als Sachwalterin bestellt worden sein soll, nicht geeignet, die Übernahme der einstweiligen Sachwalterschaft für die Betroffene unzumutbar erscheinen zu lassen, insbesondere wenn in Rechnung gestellt wird, dass es sich nur um die einstweilige Sachwalterschaft für die Betroffene, also um eine Tätigkeit für eine bloß kurze und überschaubare Zeitspanne handelt. Die Rechtsmittelwerberin hat auch nicht vorgebracht, dass mit der Betreuung ihrer Kinder besondere Schwierigkeiten verbunden wären.Die Tätigkeit als Verfahrenssachwalterin nach § 238 Abs 1 AußStrG erschöpft sich darin, die Betroffene im Sachwalterschaftsverfahren zu vertreten, was aller Voraussicht nach die Teilnahme an einer - allenfalls an einer zweiten - Tagsatzung und unter Umständen die Verfassung von Rechtsmittelschriften nach sich ziehen wird. In dieser Tätigkeit ist jedenfalls keine unzumutbare Belastung zu erblicken vergleiche 7 Ob 362/98f). Die darüber hinaus erfolgte Betrauung der einstweiligen Sachwalterin mit der Einkommens- und Vermögensverwaltung der Betroffenen lässt nach der Aktenlage auch nicht dermaßen umfangreiche Tätigkeiten erwarten, die die Annahme einer unzumutbaren Belastung rechtfertigten. Nach dem Akteninhalt wird es notwendig sein, das laufende Einkommen der Betroffenen zu erheben, dieses zu verwalten, und bestehende Schulden zu begleichen. Gerade der Hinweis der Revisionsrekurswerberin auf die angebliche Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Betroffenen zeigt auf, dass die Verwaltung des Einkommens und Vermögens wohl keinen übermäßigen Arbeitsaufwand erfordern wird. Die Tatsache, dass die einstweilige Sachwalterin zwei minderjährige Kinder zu versorgen und allein zu erziehen hat, ist auch bei Bedachtnahme darauf, dass sie für eine zweite Person als Sachwalterin bestellt worden sein soll, nicht geeignet, die Übernahme der einstweiligen Sachwalterschaft für die Betroffene unzumutbar erscheinen zu lassen, insbesondere wenn in Rechnung gestellt wird, dass es sich nur um die einstweilige Sachwalterschaft für die Betroffene, also um eine Tätigkeit für eine bloß kurze und überschaubare Zeitspanne handelt. Die Rechtsmittelwerberin hat auch nicht vorgebracht, dass mit der Betreuung ihrer Kinder besondere Schwierigkeiten verbunden wären.
Dem Revisionsrekurs ist demnach ein Erfolg zu versagen.
Textnummer
E69659European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00116.03W.0527.000Im RIS seit
26.06.2003Zuletzt aktualisiert am
14.01.2011