Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in den Strafsachen des Landesgerichtes Innsbruck 1. gegen Rene S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 und 15 StGB, AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97, und 2. gegen Alexander G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 35 Hv 141/02h, über die vom Generalprokurator gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, und vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, sowie gegen einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in den Strafsachen des Landesgerichtes Innsbruck 1. gegen Rene S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach Paragraphen 127,, 129 Ziffer eins und 2 und 15 StGB, AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97, und 2. gegen Alexander G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach Paragraph 142, Absatz eins, StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 35 Hv 141/02h, über die vom Generalprokurator gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, und vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, sowie gegen einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, zu Recht erkannt:
Spruch
Es verletzen in den Verfahren des Landesgerichtes Innsbruck, AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 und 35 Hv 141/02h,
1. der Beschluss vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, über die endgültige Nachsicht der über Alexander G***** verhängten Strafe vor Ablauf der Probezeit die §§ 43 Abs 2, 49 letzter Satz StGB;1. der Beschluss vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, über die endgültige Nachsicht der über Alexander G***** verhängten Strafe vor Ablauf der Probezeit die Paragraphen 43, Absatz 2,, 49 letzter Satz StGB;
2. der Beschluss vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, auf Widerruf der im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 dem Alexander G***** gewährten bedingten Strafnachsicht den im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft;2. der Beschluss vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, auf Widerruf der im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 dem Alexander G***** gewährten bedingten Strafnachsicht den im römisch XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft;
3. der Vorgang, dass vor der letztgenannten Beschlussfassung die Einsichtnahme in den Akt AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 unterblieben ist, § 494a Abs 3 StPO.3. der Vorgang, dass vor der letztgenannten Beschlussfassung die Einsichtnahme in den Akt AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 unterblieben ist, Paragraph 494 a, Absatz 3, StPO.
Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird der zu 2. bezeichnete Beschluss, GZ 35 Hv 141/02h-64, aufgehoben und der Antrag des Staatsanwalts auf Widerruf der im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 gewährten bedingten Strafnachsicht zurückgewiesen.Gemäß Paragraph 292, letzter Satz StPO wird der zu 2. bezeichnete Beschluss, GZ 35 Hv 141/02h-64, aufgehoben und der Antrag des Staatsanwalts auf Widerruf der im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 gewährten bedingten Strafnachsicht zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Das Landesgericht Innsbruck verhängte über Alexander G***** mit Urteil vom 7. Februar 1997, GZ 23 EVr 2542/96-85, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2, 15 StGB (als Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB) eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, sah es diese Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 2 StGB endgültig nach, obgleich zu diesem Zeitpunkt die mit Urteil vom 28. September 1999, GZ 23 EVr 1062/99-133, gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO durch dasselbe Gericht auf fünf Jahre verlängerte Probezeit noch nicht abgelaufen war. Denn Alexander G***** hatte innerhalb der Probezeit eine vom Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck mit Urteil vom 30. Jänner 2001 im Verfahren AZ 36 EVr 2876/00, Hv 1/01 verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten teilweise - und zwar im Ausmaß von 3 Monaten (siehe Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Mai 2001, GZ 36 BE 138/01-6) - verbüßt.Das Landesgericht Innsbruck verhängte über Alexander G***** mit Urteil vom 7. Februar 1997, GZ 23 EVr 2542/96-85, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach Paragraphen 127,, 129 Ziffer eins und 2, 15 StGB (als Zusatzstrafe gemäß Paragraphen 31,, 40 StGB) eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, sah es diese Freiheitsstrafe gemäß Paragraph 43, Absatz 2, StGB endgültig nach, obgleich zu diesem Zeitpunkt die mit Urteil vom 28. September 1999, GZ 23 EVr 1062/99-133, gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 6, StPO durch dasselbe Gericht auf fünf Jahre verlängerte Probezeit noch nicht abgelaufen war. Denn Alexander G***** hatte innerhalb der Probezeit eine vom Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck mit Urteil vom 30. Jänner 2001 im Verfahren AZ 36 EVr 2876/00, Hv 1/01 verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten teilweise - und zwar im Ausmaß von 3 Monaten (siehe Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Mai 2001, GZ 36 BE 138/01-6) - verbüßt.
Mit Urteil vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, erkannte das Landesgericht Innsbruck als Schöffengericht Alexander G***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig und verhängte über ihn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Gleichzeitig erging - ohne dass zuvor Einsicht in den Bezugsakt genommen wurde - der in Rechtskraft erwachsene Beschluss auf Widerruf der im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 gewährten bedingten Strafnachsicht.Mit Urteil vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, erkannte das Landesgericht Innsbruck als Schöffengericht Alexander G***** des Verbrechens des Raubes nach Paragraph 142, Absatz eins, StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig und verhängte über ihn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Gleichzeitig erging - ohne dass zuvor Einsicht in den Bezugsakt genommen wurde - der in Rechtskraft erwachsene Beschluss auf Widerruf der im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 gewährten bedingten Strafnachsicht.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend führt der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aus, dass die von ihm bezeichneten Beschlüsse und der angeführte Vorgang mit dem Gesetz nicht im Einklang stehen.
Dies gilt zunächst für den Beschluss vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, weil die bedingte Strafnachsicht gesetzwidrig (vgl 14 Os 37, 38/91; 11 Os 67/96; 11 Os 143/01 ua) vor Ablauf der dem Alexander G***** im Urteil vom 7. Februar 1997 gewährten, durch behördlich angeordnete Abhaltung verlängerten (fünfjährigen) Probezeit für endgültig erklärt wurde. Gemäß § 49 letzter Satz StGB wären nämlich in die Probezeit jene drei Monate nicht einzurechnen gewesen, die Alexander G***** im oben zitierten Verfahren in Strafhaft zugebracht hat, sodass die Probezeit erst später abgelaufen wäre. Ebensowenig steht der Widerrufsbeschluss vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, mit dem Gesetz im Einklang, weil im Zeitpunkt der Beschlussfassung die im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 verhängte und unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehene zweimonatige Freiheitsstrafe bereits mit Beschluss vom 23. April 2002 (rechtskräftig) endgültig nachgesehen worden war. Damit stand der vom Landesgericht Innsbruck gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO getroffenen Entscheidung vom 3. Oktober 2002 die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 23. April 2002 entgegen.Dies gilt zunächst für den Beschluss vom 23. April 2002, GZ 23 EVr 2542/96-137, weil die bedingte Strafnachsicht gesetzwidrig vergleiche 14 Os 37, 38/91; 11 Os 67/96; 11 Os 143/01 ua) vor Ablauf der dem Alexander G***** im Urteil vom 7. Februar 1997 gewährten, durch behördlich angeordnete Abhaltung verlängerten (fünfjährigen) Probezeit für endgültig erklärt wurde. Gemäß Paragraph 49, letzter Satz StGB wären nämlich in die Probezeit jene drei Monate nicht einzurechnen gewesen, die Alexander G***** im oben zitierten Verfahren in Strafhaft zugebracht hat, sodass die Probezeit erst später abgelaufen wäre. Ebensowenig steht der Widerrufsbeschluss vom 3. Oktober 2002, GZ 35 Hv 141/02h-64, mit dem Gesetz im Einklang, weil im Zeitpunkt der Beschlussfassung die im Verfahren AZ 23 EVr 2542/96, Hv 2/97 verhängte und unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehene zweimonatige Freiheitsstrafe bereits mit Beschluss vom 23. April 2002 (rechtskräftig) endgültig nachgesehen worden war. Damit stand der vom Landesgericht Innsbruck gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 4, StPO getroffenen Entscheidung vom 3. Oktober 2002 die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 23. April 2002 entgegen.
Dem Schöffengericht blieb die endgültige Strafnachsicht nur deshalb verborgen, weil es vor Beschlussfassung nicht in die Akten über die frühere Verurteilung Einsicht genommen hatte. Diese Vorgangsweise widerspricht aber der Bestimmung des § 494a Abs 3 StPO, welche eine solche Einsichtnahme jedenfalls dann verlangt, wenn die vom Gesetz anheim gestellte bloße Einsicht in eine Urteilsabschrift (die vorliegendenfalls gleichfalls nicht vorgenommen wurde) aus besonderen Gründen als Entscheidungsgrundlage nicht ausreicht, etwa deshalb, weil - wie hier - wegen des länger zurückliegenden Ablaufs der Probezeit die durchaus naheliegende Möglichkeit einer zwischenzeitig beschlossenen endgültigen Strafnachsicht besteht.Dem Schöffengericht blieb die endgültige Strafnachsicht nur deshalb verborgen, weil es vor Beschlussfassung nicht in die Akten über die frühere Verurteilung Einsicht genommen hatte. Diese Vorgangsweise widerspricht aber der Bestimmung des Paragraph 494 a, Absatz 3, StPO, welche eine solche Einsichtnahme jedenfalls dann verlangt, wenn die vom Gesetz anheim gestellte bloße Einsicht in eine Urteilsabschrift (die vorliegendenfalls gleichfalls nicht vorgenommen wurde) aus besonderen Gründen als Entscheidungsgrundlage nicht ausreicht, etwa deshalb, weil - wie hier - wegen des länger zurückliegenden Ablaufs der Probezeit die durchaus naheliegende Möglichkeit einer zwischenzeitig beschlossenen endgültigen Strafnachsicht besteht.
Zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen der festgestellten Gesetzesverletzungen für den Verurteilten war die Aufhebung des Widerrufsbeschlusses geboten (§ 292 letzter Satz StPO) und der auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht zielende Antrag des Staatsanwalts (ON 47) zurückzuweisen.Zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen der festgestellten Gesetzesverletzungen für den Verurteilten war die Aufhebung des Widerrufsbeschlusses geboten (Paragraph 292, letzter Satz StPO) und der auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht zielende Antrag des Staatsanwalts (ON 47) zurückzuweisen.
Anmerkung
E69904 14Os66.03European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0140OS00066.03.0603.000Dokumentnummer
JJT_20030603_OGH0002_0140OS00066_0300000_000