Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roland H***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 19. Juni 2002, GZ 10 Hv 66/02d-72, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roland H***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach Paragraphen 142, Absatz eins,, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 19. Juni 2002, GZ 10 Hv 66/02d-72, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 19. Juni 2002, GZ 10 Hv 66/02d-72, verletzt im Schuldspruch F des Angeklagten Morris T***** wegen des Vergehens des Betruges das Gesetz in der Bestimmung des § 146 StGB.Das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 19. Juni 2002, GZ 10 Hv 66/02d-72, verletzt im Schuldspruch F des Angeklagten Morris T***** wegen des Vergehens des Betruges das Gesetz in der Bestimmung des Paragraph 146, StGB.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) Morris T***** (richtig) der Verbrechen des vollendeten (A I) und des versuchten (§ 15 StGB; A II) schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB (D), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (E) sowie des Betruges nach § 146 StGB (F) schuldig erkannt. Seine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 3. Juni 2003, GZ 14 Os 40/03-6, zurück. Über die zudem erhobene Berufung des Angeklagten wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) Morris T***** (richtig) der Verbrechen des vollendeten (A römisch eins) und des versuchten (Paragraph 15, StGB; A römisch II) schweren Raubes nach Paragraphen 142, Absatz eins,, 143 zweiter Fall StGB und der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach Paragraphen 127,, 15 StGB (D), der Urkundenunterdrückung nach Paragraph 229, Absatz eins, StGB (E) sowie des Betruges nach Paragraph 146, StGB (F) schuldig erkannt. Seine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 3. Juni 2003, GZ 14 Os 40/03-6, zurück. Über die zudem erhobene Berufung des Angeklagten wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.
Als Betrug (Schuldspruch F) liegt dem Angeklagten Morris T***** zur Last, am 23. Feber 2002 Niklas K***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, sich dessen Handy nur für ein Telefonat ausborgen zu wollen, zur Übergabe des Handys verleitet und dieses für sich behalten zu haben. Nach den Urteilsfeststellungen hatte er schon von Anfang an den Vorsatz, das Handy für sich zu behalten(US 8 f; s ON 55).
Rechtliche Beurteilung
Der Schuldspruch steht - wie der Generalprokurator in seiner dagegen zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Das Jugendschöffengericht folgte - der in Abweichung von der Anzeige (ON 55) vorgenommenen Beurteilung des Sachverhalts durch die Anklagebehörde (S 295/II). Es ging ohne nähere Begründung erkennbar von der irrigen Rechtsansicht aus, die durch das Täuschungsverhalten des Angeklagten (nämlich die Vorspiegelung, sich das Handy nur für ein Telefonat ausborgen zu wollen) bewirkte Übergabe des Mobiltelefons (zur Führung eines Telefongesprächs) sei als selbstschädigende Vermögensverfügung des Opfers zu beurteilen. Für die Abgrenzung der Tatbestände des Betruges und des Diebstahls ist essentiell, ob die Schädigung fremden Vermögens durch eine Handlung des Getäuschten herbeigeführt wird (ua indem die Täuschung zu einem vermögenswirksamen faktischen Verhalten, etwa im Sinne einer Gewahrsamsüberlassung, führt, Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 53), oder ob sich die Sache, deren Zueignung dem Täter zur Last liegt, im Tatzeitpunkt (noch) im Gewahrsam eines anderen befunden hat. Nur in diesem Fall ist die Sachwegnahme regelmäßig als Diebstahl - und nicht als Betrug - zu beurteilen.Das Jugendschöffengericht folgte - der in Abweichung von der Anzeige (ON 55) vorgenommenen Beurteilung des Sachverhalts durch die Anklagebehörde (S 295/II). Es ging ohne nähere Begründung erkennbar von der irrigen Rechtsansicht aus, die durch das Täuschungsverhalten des Angeklagten (nämlich die Vorspiegelung, sich das Handy nur für ein Telefonat ausborgen zu wollen) bewirkte Übergabe des Mobiltelefons (zur Führung eines Telefongesprächs) sei als selbstschädigende Vermögensverfügung des Opfers zu beurteilen. Für die Abgrenzung der Tatbestände des Betruges und des Diebstahls ist essentiell, ob die Schädigung fremden Vermögens durch eine Handlung des Getäuschten herbeigeführt wird (ua indem die Täuschung zu einem vermögenswirksamen faktischen Verhalten, etwa im Sinne einer Gewahrsamsüberlassung, führt, Kirchbacher/Presslauer in WK2 Paragraph 146, Rz 53), oder ob sich die Sache, deren Zueignung dem Täter zur Last liegt, im Tatzeitpunkt (noch) im Gewahrsam eines anderen befunden hat. Nur in diesem Fall ist die Sachwegnahme regelmäßig als Diebstahl - und nicht als Betrug - zu beurteilen.
Entscheidend für das Behalten des Gewahrsams ist, dass dem (bisherigen) Gewahrsamsinhaber im Tatzeitpunkt eine aktualisierbare Verfügungsgewalt über die Sache zukommt, dh dass er die Möglichkeit zur Realisierung seiner Herrschaft über die Sache hat. Eine andauernde aktuelle Zugänglichkeit und jederzeitige Einwirkung auf die Sache ist hingegen für die Annahme des (weiterbestehenden) Gewahrsams nicht erforderlich (LSK 1979/91 ua). Demgemäß behält den Gewahrsam auch, wer die Sachherrschaft zwar durch einen Dritten, aber entsprechend seinen Weisungen und unter seiner zumindest potentiell gegebenen Aufsicht ausüben lässt. Der Dritte erlangt in solchen Fällen bloß Mitgewahrsam innerhalb des weiterhin - nach allgemeiner Verkehrsauffassung - bestehenden Herrschaftsbereiches des Trägers des sogenannten Obergewahrsams, wie es bei einer kurzfristigen Überlassung zum unmittelbaren Gebrauch in Gegenwart des Eigentümers geradezu typisch ist.
In den Fällen aber, in denen eine Täuschung nur zu einer Gewahrsamslockerung führt, der Gewahrsamsbruch jedoch erst durch eine nachfolgende Handlung des Täters bewirkt wird, liegt ein ("listig vorbereiteter" oder "listig verdeckter") Diebstahl vor (vgl. Leukauf/Steininger, Komm3 § 127 RN 22, 80 und § 146 RN 37; Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 54, 137; Kienapfel BT II3 § 127 Rz 226 und § 146 Rz 101). Die eigenmächtige, wenn auch durch ein Täuschungsverhalten erleichterte Begründung von Alleingewahrsam an der Sache stellt daher Diebstahl und nicht Betrug dar. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre demzufolge der Schuldspruch F mit dem Schuldspruch D wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB zu einer Einheit (§ 29 StGB) zusammenzufassen gewesen. Die gerügte Gesetzesverletzung, welche der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde (AZ 14 Os 40/03) als von den Prozessparteien unangefochten gelassen und mangels nachteiliger Wirkung auch nach § 290 StPO nicht aufgegriffen hat, war nur festzustellen. Eine konkrete Wirkung (§ 292 letzter Satz StPO) war dieser Entscheidung - den Beschwerdeausführungen zuwider - nicht zuzuerkennen, weil Morris T*****, durch die Gesetzesverletzung keinen Nachteil erlitten hat. Dies deshalb, weil durch die festgestellte unrichtige rechtliche Subsumtion keine Änderung im Strafrahmen (§ 143 erster Strafsatz StGB iVm § 5 Z 5 JGG) bewirkt wurde und das Gewicht des Erschwerungsumstandes des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen derselben oder verschiedener Art (§ 33 Z 1 StGB) durch den Wegfall des Vergehens des Betruges einerseits und das Hinzukommen eines weiteren Diebstahlsangriffes andererseits unverändert bleibt (s dazu Ratz, WK-StPO § 290 Rz 21 ff; Mayerhofer StPO4 § 290 E 32; vgl auch 14 Os 137/99, 14 Os 8/01, 14 Os 26/01, 14 Os 29/01).In den Fällen aber, in denen eine Täuschung nur zu einer Gewahrsamslockerung führt, der Gewahrsamsbruch jedoch erst durch eine nachfolgende Handlung des Täters bewirkt wird, liegt ein ("listig vorbereiteter" oder "listig verdeckter") Diebstahl vor vergleiche Leukauf/Steininger, Komm3 Paragraph 127, RN 22, 80 und Paragraph 146, RN 37; Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 54, 137; Kienapfel BT II3 Paragraph 127, Rz 226 und Paragraph 146, Rz 101). Die eigenmächtige, wenn auch durch ein Täuschungsverhalten erleichterte Begründung von Alleingewahrsam an der Sache stellt daher Diebstahl und nicht Betrug dar. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre demzufolge der Schuldspruch F mit dem Schuldspruch D wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach Paragraphen 127 und 15 StGB zu einer Einheit (Paragraph 29, StGB) zusammenzufassen gewesen. Die gerügte Gesetzesverletzung, welche der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde (AZ 14 Os 40/03) als von den Prozessparteien unangefochten gelassen und mangels nachteiliger Wirkung auch nach Paragraph 290, StPO nicht aufgegriffen hat, war nur festzustellen. Eine konkrete Wirkung (Paragraph 292, letzter Satz StPO) war dieser Entscheidung - den Beschwerdeausführungen zuwider - nicht zuzuerkennen, weil Morris T*****, durch die Gesetzesverletzung keinen Nachteil erlitten hat. Dies deshalb, weil durch die festgestellte unrichtige rechtliche Subsumtion keine Änderung im Strafrahmen (Paragraph 143, erster Strafsatz StGB in Verbindung mit Paragraph 5, Ziffer 5, JGG) bewirkt wurde und das Gewicht des Erschwerungsumstandes des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen derselben oder verschiedener Art (Paragraph 33, Ziffer eins, StGB) durch den Wegfall des Vergehens des Betruges einerseits und das Hinzukommen eines weiteren Diebstahlsangriffes andererseits unverändert bleibt (s dazu Ratz, WK-StPO Paragraph 290, Rz 21 ff; Mayerhofer StPO4 Paragraph 290, E 32; vergleiche auch 14 Os 137/99, 14 Os 8/01, 14 Os 26/01, 14 Os 29/01).
Anmerkung
E69901 14Os51.03European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0140OS00051.03.0603.000Dokumentnummer
JJT_20030603_OGH0002_0140OS00051_0300000_000