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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §432;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Blue Star Gastro- und HandelsgmbH in Wien, vertreten durch Dr. Harry Fretska, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 22, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. November 2005, Zl. MA 64 - 3037/2005-A, betreffend Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 24. Mai 2004 wurde der Beschwerdeführerin als "Eigentümerin der Baulichkeit", errichtet auf den Liegenschaften EZ 6, 99 und 631, je KG Groß Jedlersdorf II, Wien 21, Prager Straße 38, der auf § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien gestützte Bauauftrag erteilt:
"Binnen einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides sind der ca. 4,50 m x 5,00 m große, ebenerdige Zubau mit Stiegenaufgang östlich des bestehenden Objektes (Ausmaß ca. 12,00 m x 7,00 m) und der Dachaufbau im Ausmaß von ca. 6,00 m x 4,00 m samt Schächten für Rauchfang und Lüftung, abzutragen."
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. September 2004 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0279, als unbegründet abgewiesen.
Mit Verfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, vom 23. Mai 2005 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 4 VVG die Ersatzvornahme angedroht, weil sie der im genannten Bauauftrag erteilten Verpflichtung nicht nachgekommen ist.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2005 teilte der Vertreter der Beschwerdeführerin der Vollstreckungsbehörde mit, er sei von seiner Mandantin dahingehend informiert worden, dass der gegenständliche Zubau am 8. März 2005 an Herrn P.S. übertragen worden sei, sodass nunmehr dieser als Eigentümer des Zubaus anzusehen sei. Eine Ablichtung der diesbezüglichen Übertragungserklärung werde nachgereicht.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 25, vom 4. Juli 2005 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 VVG die zwangsweise Durchführung des behördlichen Auftrages durch Ersatzvornahme angeordnet, weil die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung aus dem Bauauftrag innerhalb der festgesetzten Frist nicht nachgekommen sei.
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, dass eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nach Einleitung des Vollstreckungsverfahrens eingetreten sei. Der Berufung war eine mit 8. März 2005 datierte und mit der Firmenstampiglie der Beschwerdeführerin in Verbindung mit unleserlicher Unterschrift und der Firmenstampiglie des P.S., verbunden mit einer handschriftlichen Beifügung des Namens in Blockbuchstaben, versehene Urkunde folgenden Inhaltes angeschlossen:
"Wir übergeben Herrn P.S., Kaufmann, (...), den zum bestehenden Gebäude durchgeführten gartenseitigen Zubau, sowie die Ausbauten im Bereich des ersten Stockes, im Bereich des Objektes 1210 Wien, Prager Straße 38, mit allen Rechten und Pflichten.
Herr P.S. verpflichtet sich, sämtliche Kosten für den Betrieb und den Erhalt der vorangeführten Baulichkeiten zu übernehmen.
Die (Beschwerdeführerin) ist gegenüber allen Kosten irgendwelcher Art schad- und klaglos zu halten.
Diese Erklärung tritt mit der Unterfertigung dieser Vereinbarung durch die Vertragspartner sofort in Kraft.
Wien, 08.03.2005
übergeben und einverstanden
übernommen und einverstanden
(Beschwerdeführerin)
(P.S.)"
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 AVG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 VVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, es bestünde eine aufrechte Gebrauchserlaubnis für das abzutragende Objekt und eine Trennung der Gebäudeteile sei nicht möglich, der rechtskräftige Abtragungsauftrag entgegen zu halten sei. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Auftrages könne im Vollstreckungsverfahren nicht mehr aufgerollt werden. Im Titelbescheid sei begründet dargelegt worden, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin der Baulichkeiten sei. Der Behauptung, durch den Eigentümerwechsel sei eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eingetreten, sei entgegen zu halten, dass als Beweis für die angebliche Übertragung des ebenerdigen Zubaues von der Beschwerdeführerin an Herrn P.S. lediglich ein mit "Erklärung" betiteltes Schreiben vorgelegt worden sei. Dies entspreche jedoch nicht den in § 433 ABGB normierten Erfordernissen eines gültigen Rechtsgeschäftes, insbesondere gehe daraus kein Rechtsgrund für eine Eigentumsübertragung hervor und es enthalte dieses auch keine Aufsandungserklärung. Auf Grund dieser Vereinbarung könne daher keine Eigentumsübertragung erfolgen. Dem Vorbringen, dass die Behörde nicht notwendigerweise eine Ersatzvornahme durchführen hätte müssen, sei zu entgegnen, dass gemäß § 4 Abs. 1 VVG eine mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden könne, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen sei. Gefahr in Verzug sei keine Voraussetzung für die Herstellung des aufgetragenen Zustandes im Wege der Ersatzvornahme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde ergebe sich aus der Erklärung vom 8. März 2005, dass die Beschwerdeführerin an Herrn P.S. die beschwerdegegenständlichen Objekte mit allen Rechten und Pflichten übergeben habe. Bei der Beurteilung des rechtlichen Gehaltes dieser Erklärung sei zu berücksichtigen, dass die deutsche Sprache für die Erklärenden offensichtlich eine Fremdsprache darstelle, sodass eine mangelhafte Ausdrucksweise nicht dazu führen dürfe, den rechtlich hinreichend klar geäußerten Erklärungswillen misszudeuten. Aus dem Gesamtkontext der Erklärung sei eindeutig ersichtlich, dass es sich offensichtlich um die Erfüllung eines Eigentumsübertragungsgeschäftes, genau genommen eines Kaufes, handle. Aus der erfolgten Vorlage einer Bestätigung über das Verfügungsgeschäft sei nicht zwingend zu erschließen, dass das zu Grunde liegende Verpflichtungsgeschäft gar nicht stattgefunden habe. Insbesondere sei die Möglichkeit, den Rechtsgrund der Erklärung zu erläutern, nicht eingeräumt worden. Dies stelle einen Verstoß gegen die Verfahrensbestimmung des § 45 Abs. 3 AVG dar. Von der belangten Behörde sei sohin missachtet worden, dass nach Einleitung des Vollstreckungsverfahrens durch die in Vollzug eines Verpflichtungsgeschäftes erfolgte Eigentumsübertragung eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eingetreten sei, sodass diesem geänderten Sachverhalt seitens der Behörde entsprechend Beachtung zu geben gewesen wäre. Es müsse auch während des Vollstreckungsverfahrens noch möglich sein, eine Baulichkeit zu übertragen. Der angefochtene Bescheid setze sich auch nicht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander, dass die Anwendung anderer Zwangsmittel geboten gewesen wäre.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie ausführte, dass die Übergabe unbeweglichen Eigentums an Formvorschriften gebunden sei, deren Einhaltung der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen sei. Die Beurteilung, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Eigentumsübertragung gegeben seien, stelle eine Rechtsfrage dar. Die Ersatzvornahme sei das im VVG zur Erbringung vertretbarer Leistungen ausdrücklich vorgesehene Zwangsmittel; eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 2 VVG komme schon aus diesem Grunde nicht in Betracht.
Hierauf replizierte die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 22. März 2007; sie verweist insbesondere auf § 2 VVG, wonach stets das gelindeste noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden sei. Im vorliegenden Fall seien die Verwaltungsvorschriften zu ihrem Nachteil nicht eingehalten worden, weshalb sie auch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.
Gemäß § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn
1.
die Vollstreckung unzulässig ist oder
2.
die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder
3. die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist der angefochtene Bescheid deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht erkannt hat, dass der Titelbescheid infolge Eigentümerwechsels an der vom Bauauftrag betroffenen Baulichkeit nicht mehr gegen die Beschwerdeführerin vollstreckt werden könne. Die Beschwerdeführerin erachtet somit die gegen sie eingeleitete Vollstreckung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG für unzulässig, weil sie im Zeitpunkt der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens mangels Eigentümereigenschaft nicht (mehr) verpflichtet gewesen sei, den Bauauftrag an der Baulichkeit zu erfüllen.
Gemäß § 10 Abs. 2 Z.1 VVG ist zwar eine Vollstreckung unzulässig, wenn seit Erlassung des Titelbescheides wesentliche Änderungen im Sachverhalt eingetreten sind. Dies wäre dann der Fall, wenn auf der Grundlage des neuen Sachverhaltes ein im Spruch gleich lautender neuer Titelbescheid nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. November 1985, VwSlg. 11.936/A).
Gemäß § 129b Abs. 1 Bauordnung für Wien kommt Bewilligungen und Bescheiden nach der Bauordnung für Wien dingliche Wirkung zu. Dingliche Wirkung bedeutet, dass der Rechtsnachfolger in die Stellung des Rechtsvorgängers eintritt. Der gegenüber einem Rechtsvorgänger erlassene baupolizeiliche Auftrag wirkt demnach auch gegen die Rechtsnachfolger im Eigentum (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0194).
Partei des Vollstreckungsverfahrens ist jene Person, deren durch den Exekutionstitel begründete Verpflichtung zur Erbringung einer Leistung realisiert werden soll. Andere Personen können im Vollstreckungsverfahren dann Parteistellung haben, wenn auf sie eine bescheidmäßig ausgesprochene Verpflichtung übergegangen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2004/05/0159).
Ausgehend davon kann daher auch die Änderung der Eigentumsverhältnisse an der vom Bauauftrag betroffenen Baulichkeit die Stellung des Verpflichteten im Vollstreckungsverfahren berühren.
Im Beschwerdefall wurde das Vollstreckungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin nach dem 8. März 2005 (d.i. der Tag, mit dem die Erklärung, auf welche sich die Beschwerdeführerin beruft, datiert ist) eingeleitet. Es ist daher im Beschwerdefall zu untersuchen, ob mit dieser Erklärung vom 8. März 2005 ein Übergang des Eigentums an der vom Bauauftrag erfassten Baulichkeit von der Beschwerdeführerin an P.S. eingetreten ist. Dies ist aus folgenden Erwägungen zu verneinen:
Aus § 297 und § 417f ABGB folgt, dass Bauwerke grundsätzlich Bestandteil der Liegenschaft, auf der sie errichtet sind, werden. Im Beschwerdefall wurden die im Titelbescheid angenommenen Voraussetzungen für das Entstehen eines Überbaus betreffend die vom Bauauftrag erfasste bauliche Anlage nie bestritten. Das Eigentum an einem Superädifikat bleibt selbst von der Beendigung oder dem Wegfall eines Grundbenützungsverhältnisses an sich unberührt. Als einzig rechtswirksame Art für den Eigentumserwerb (durch Übertragung) an einem Überbau kommt die Hinterlegung einer entsprechenden Urkunde bei Gericht in Betracht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2004/05/0002).
Die Erklärung vom 8. März 2005, welche von der Beschwerdeführerin allein als Grundlage der Eigentumsübertragung behauptet wird, vermag daher mangels der geforderten Voraussetzungen für die Übertragung des Eigentums an einem Superädifikat eine solche Eigentumsübertragung nicht zu bewirken. Die belangte Behörde hat daher ohne Rechtsirrtum die Stellung der Beschwerdeführerin als Verpflichtete im beschwerdegegenständlichen Vollstreckungsverfahren angenommen.
Soweit die Beschwerdeführerin durch die erfolgte Anordnung der Ersatzvornahme einen Verstoß gegen § 2 VVG erblickt, ist ihr zu erwidern, dass diese Bestimmung wohl den Grundsatz normiert, dass die Vollstreckungsbehörden bei der Handhabung der im VVG geregelten Zwangsbefugnisse jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden haben. Von Zwangsmitteln gegen den Verpflichteten darf nur insoweit Gebrauch gemacht werden als das zur Durchsetzung des Titelbescheides unbedingt erforderlich ist. Dieses Gebot bedeutet allerdings nicht, dass von der Vollstreckung des Titelbescheides gegebenenfalls überhaupt abgesehen werden müsste. Vielmehr bestimmt § 2 VVG, dass das gelindeste von den "noch zum Ziel führenden", d.h. den Titelbescheid durchsetzenden Zwangsmitteln, zu wählen ist. Die Auswahl des gelindesten Mittels ist demnach von vornherein auf jene Zwangsmittel eingeschränkt, die auch geeignet sind, den Titelbescheid durchzusetzen. Da zur zwangsweisen Durchsetzung vertretbarer Leistungen, wie der der Beschwerdeführerin aufgetragenen Abtragung, lediglich die Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG in Betracht kommt, besteht im vorliegenden Fall ohnedies nur dieses "zum Ziel führende" Zwangsmittel. Der Einsatz dieses Zwangsmittels an sich kann daher gar nicht gegen § 2 VVG verstoßen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2002/10/0234).
Die Überprüfung eines Verstoßes gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (die Beschwerdeführerin macht einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot geltend) obliegt dem Verfassungsgerichtshof.
Die behauptete Rechtsverletzung liegt daher nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. April 2007
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung Verfahrensrecht VVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006050058.X00Im RIS seit
30.05.2007