TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/24 2004/11/0032

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Veröffentlicht am 24.04.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/03 Sachwalterschaft;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1998 §197 Abs1;
ÄrzteG 1998 §197 Abs2;
UbG §10;
UbG §8;
UbG §9;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. G in B, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Harrachstraße 14/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Jänner 2004, Zl. SanRB-14639/3-2004-Hi/Gu, betreffend Pauschalabgeltung gemäß § 197 Ärztegesetz 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Mai 2003 auf Entschädigung gemäß § 197 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 (im Folgenden kurz: ÄrzteG 1998) abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde fest, eine namentlich genannte Patientin habe am 7. Mai 2003 um ca. 10.50 Uhr in der Ordination des Beschwerdeführers im Rahmen eines manisch-depressiven Anfalls einen Sachschaden verursacht, einen Gendarmen und den Arzt tätlich angegriffen und Selbstmordabsichten geäußert. Der Beschwerdeführer habe die Patientin untersucht und eine Bescheinigung gemäß § 8 Unterbringungsgesetz (im Folgenden kurz: UbG) über das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung ausgestellt. Dafür habe er die Zuerkennung der pauschalen Abgeltung von EUR 87,-- gemäß § 197 Abs. 2 ÄrzteG beantragt. Dieser Anspruch bestehe nach Ansicht der belangten Behörde nicht, weil Distrikts-, Gemeinde-, Kreis- und Sprengelärzte gemäß § 197 Abs. 1 ÄrzteG nur dann zur Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 8 UbG verpflichtet seien, wenn hiefür ein anderer im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt nicht zur Verfügung stünden. Der Beschwerdeführer sei kein Gemeindearzt. Außerdem hätten die Ermittlungen ergeben, dass im Zeitpunkt der gegenständlichen Untersuchung ein Amtsarzt bei der Bezirkshauptmannschaft in G. zur Verfügung gestanden wäre. Dem Argument des Beschwerdeführers, es sei Gefahr im Verzug vorgelegen, entgegnete die belangte Behörde, dass die Gendarmeriebeamten die Patientin in einem dringenden Fall gemäß § 9 Abs. 2 UbG auch ohne ärztliche Untersuchung und Bescheinigung in die Anstalt hätten bringen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die besagte Patientin sei am 7. Mai 2003 in seine Ordination gekommen und habe dort einen manisch-depressiven Anfall erlitten, sodass er Beamte der Gendarmerie zur Hilfe gerufen habe. In der Gemeinde B., dem Berufssitz des Beschwerdeführers, gebe es keinen Gemeindearzt. Der Beschwerdeführer habe jedoch gemäß dem mit der Beschwerde vorgelegten Erlass des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. November 2000 (bzw. auf Grund des dort zitierten § 17 Abs. 2 des Oö. Gemeindesanitätsdienstgesetzes) die Aufgaben zu besorgen, die dem Gemeindearzt zukämen. Daher sei er gegenständlich zur Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 8 UbG verpflichtet gewesen und habe dafür auch Anspruch auf das gesetzliche Entgelt. Dem Argument, es sei zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalls ein Amtsarzt in der zuständigen Bezirkshauptmannschaft in G. zur Ausstellung der Bescheinigung gemäß § 8 UbG zur Verfügung gestanden, entgegnete er, dass man die Patientin, die mit Selbstmord gedroht habe, bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der belangten Behörde zuerst in die weit entfernte Bezirkshauptmannschaft und erst dann in die Anstalt nach Linz hätte bringen müssen. Soweit die belangte Behörde auf die Möglichkeit nach § 9 Abs. 2 UbG verweise, so könne diese Bestimmung nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht so weit interpretiert werden, dass die Patientin auch ohne ärztliche Bescheinigung in die Anstalt gebracht und dort "gegen ihren Willen untergebracht" werde.

§ 197 des Ärztegesetzes 1998 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I. Nr. 140/2003 lautet:

"§ 197. (1) Distrikts-, Gemeinde-, Kreis- und Sprengelärzte sind verpflichtet, als nichtamtliche Sachverständige Untersuchungen zwecks Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 8 Unterbringungsgesetz, BGBl. Nr. 155/1990, vorzunehmen, wenn hiefür ein anderer im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt nicht zur Verfügung steht.

(2) Distrikts-, Gemeinde-, Kreis- und Sprengelärzten, die für eine Tätigkeit gemäß Abs. 1 herangezogen werden, gebührt hiefür eine pauschale Abgeltung in der Höhe von 87 Euro zuzüglich der allfälligen Abgeltung der Kosten für die Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges in der nach der Reisegebührenvorschrift für Bundesbeamte hiefür vorgesehenen Vergütung.

(3) Der Anspruch nach Abs. 2 ist binnen sechs Monaten mündlich oder schriftlich bei der Bezirksverwaltungsbehörde geltend zu machen, in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich die Untersuchung zur Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 8 des Unterbringungsgesetzes erfolgte. Die Auszahlung der Entschädigung ist kostenfrei.

(4) Gegen die Festsetzung der Entschädigung durch die im Abs. 3 genannte Behörde ist die Berufung an den Landeshauptmann zulässig. Eine weitere Berufung ist unzulässig."

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes (UbG), BGBl. Nr. 155/1990 in der Fassung BGBl. I Nr. 12/1997, lauten:

"Geltungsbereich

§ 2. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie (im Folgenden Anstalt), in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden (im folgenden Unterbringung).

Voraussetzungen der Unterbringung

§ 3. In einer Anstalt darf nur untergebracht werden, wer 1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und 2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

...

Unterbringung ohne Verlangen

§ 8. Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im Einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

§ 9. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

(2) Bei Gefahr im Verzug können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.

(3) Der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen.

§ 10. (1) Der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt haben die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen werden, wenn nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen.

..."

§ 17 des Oö. Gemeindesanitätsdienstgesetzes, LGBl. Nr. 29/1978 in der Fassung vor seiner Aufhebung durch das LGBl. Nr. 72/2006, lautet:

"§ 17

Urlaub; Verhinderung

(1) Jeder Gemeindearzt hat Anspruch auf einen jährlichen Urlaub von 30 Werktagen. Der Gemeinderat bzw. der Sanitätsausschuss kann überdies einen Sonderurlaub bis zum Ausmaß von 12 Werktagen zu Fortbildungszwecken gewähren.

(2) Bei Inanspruchnahme des Urlaubs oder Sonderurlaubs und bei sonstiger Verhinderung hat der Gemeindearzt für seine Vertretung durch einen zur selbständigen Berufsausübung berechtigten praktischen Arzt zu sorgen. Dem Vertreter gebührt - abgesehen von der Reisekostenvergütung und der Totenbeschauvergütung - keine Entgeltleistung der Gemeinde bzw. des Sanitätsgemeindeverbandes nach diesem Gesetz."

Unstrittig ist, dass die besagte Patientin von Gendarmeriebeamten am 7. Mai 2003 gegen ihren Willen in eine Anstalt nach Linz gebracht wurde (vgl. auch die aktenkundige Sachverhaltsdarstellung vom 9. Mai 2003 über die am Rücken geschlossenen Hände der Patientin während der Fahrt). Daher sind gegenständlich die Bestimmungen der §§ 8 ff UbG ("Unterbringung ohne Verlangen") von Bedeutung. Von der Verbringung in die Anstalt (§§ 8, 9 UbG) ist die Unterbringung in der Anstalt zu unterscheiden, die gemäß § 10 UbG nur nach Untersuchung durch den Abteilungsleiter der Anstalt und einen weiteren Facharzt erfolgen darf. Vor diesem Hintergrund teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Bedenken des Beschwerdeführers gegen § 9 Abs. 2 UbG, wonach Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Person bei Gefahr im Verzug auch ohne Untersuchung in eine Anstalt bringen (dort aber nicht unterbringen !) können. Dennoch ist mit dem bloß hypothetischen Hinweis der belangten Behörde, gemäß § 9 Abs. 2 UbG wäre gegenständlich bei Gefahr im Verzug die Ausstellung der genannten Bescheinigung nicht nötig gewesen, für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch nichts gewonnen, weil die besagte Patientin, wie dargestellt, gerade auf Grund der Bescheinigung des Beschwerdeführers gemäß § 8 und § 9 Abs. 1 UbG in die Anstalt gebracht wurde (vgl. nochmals die genannte Sachverhaltsdarstellung im Akt).

Zu klären ist daher, ob der Beschwerdeführer für die Ausstellung dieser Bescheinigung einen Entgeltanspruch gemäß § 197 Abs. 2 ÄrzteG hat. Diesen Anspruch hat die belangte Behörde u. a. deshalb verneint, weil der Beschwerdeführer kein Gemeindearzt sei. Eine Verpflichtung zur Ausstellung der in Rede stehenden Bescheinigung ist gemäß § 197 Abs. 1 ÄrzteG 1998 nur für Distrikts- , Gemeinde-, Kreis- oder Sprengelärzte vorgesehen, § 197 Abs. 2 ÄrzteG 1998 sieht daher einen Entgeltanspruch für diese Tätigkeit ebenfalls nur für diese Ärzte vor. Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde bestätigt, dass er kein Gemeindearzt ist; der Aktenlage können keine Anhaltspunkte entnommen werden, dass er einer anderen Gruppe der in § 197 Abs. 1 und 2 ÄrzteG 1998 genannten Ärzte (Distrikts-, Kreis- oder Sprengelärzte) angehört. Schon deshalb besteht der vom Beschwerdeführer behauptete Entgeltanspruch nicht. Unerheblich ist nach dem Gesetzeswortlaut, ob der Beschwerdeführer, obwohl er kein Gemeindearzt ist, seiner Behauptung nach im konkreten Fall die Aufgaben eines solchen wahrgenommen hat.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob auch das Argument der belangten Behörde, im konkreten Fall sei der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft G. im Sinne des § 197 Abs. 1 ÄrzteG zur Verfügung gestanden (die Beschwerde hat dies mit Hinweis auf die weite Entfernung der Bezirkshauptmannschaft in G. von dem Ort, an dem die Patientin den Anfall erlitten hatte, bestritten), tragfähig ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. April 2007

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004110032.X00

Im RIS seit

17.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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