TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/24 2007/18/0130

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Veröffentlicht am 24.04.2007
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §125 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §63 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des V D in W, geboren 1980, vertreten durch Mag. Jürgen Zouplna, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. August 2006, Zl. SD 874/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. August 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 9 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 3. Dezember 2001 mit einem Besuchervisum in das Bundesgebiet eingereist. Am 23. Oktober 2002 habe er einen Asylantrag gestellt, über den bisher noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Der Beschwerdeführer verfüge ab 17. September 2003 über eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung.

Am 8. März 2005 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt. Dabei habe er sich auf die am 12. Jänner 2005 erfolgte Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin D. berufen.

D. habe bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung im Zug fremdenpolizeilicher Erhebungen am 29. Juni 2005 ausgesagt, im Dezember 2004 von ihrem Onkel und ihrer Tante angesprochen worden zu sein, ob sie einen Inder heiraten möchte, damit dieser in Österreich bleiben könnte. Dazu hätte sie sich bereit erklärt. Aus ihrer Sicht hätte es sich bei der Heirat um einen Gefallen gegenüber ihrem Onkel und ihrer Tante gehandelt. Sie hätte weder vor noch nach der Hochzeit bei ihrem Gatten gewohnt. Ein Geschlechtsverkehr hätte nie stattgefunden. Im Februar 2005 wäre sie von der Schwester des Beschwerdeführers gefragt worden, ob sie die EUR 10.000,-- für die Eheschließung erhalten hätte. Darüber wäre sie sehr überrascht gewesen, weil nie von Geld die Rede gewesen wäre. Die Schwester des Beschwerdeführers hätte ihr gesagt, das Geld dem Onkel und der Tante übergeben zu haben. Auch ein gewisser Z. hätte EUR 3.000,-- bis EUR 4.000,-- an Vermittlungsprovision erhalten. Seit etwa einer Woche würde sie von Z. fast jeden Tag bedrängt, vor der Fremdenpolizeibehörde auszusagen, dass es sich um keine Scheinehe gehandelt hätte. Für diese unrichtige Aussage hätte ihr Z. EUR 5.000,-- geboten.

Der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Vernehmung unter Beiziehung eines Dolmetschers am 7. September 2005 zugegeben, mit D. nur zum Schein die Ehe geschlossen zu haben. Die Ehe wäre über Vermittlung des Z. zustande gekommen. Er hätte seine Gattin bisher nur zweimal gesehen. Das erste Mal bei der Festlegung des Hochzeitstermins und das zweite Mal bei der Hochzeit. Eine gemeinsame Haushaltsführung oder eine Geschlechtsgemeinschaft hätte es nie gegeben. Es wäre ihm von Anfang an klar gewesen, dass er gegen Bezahlung zum Schein eine Ehe eingehen müsste, weil er sonst keine Möglichkeit gehabt hätte, zu einer Aufenthaltsberechtigung zu kommen.

Die Ehe des Beschwerdeführers sei mit Urteil vom 3. April 2006 rechtskräftig geschieden worden.

Auf Grund der Aussagen des Beschwerdeführers und D. stehe fest, dass der Beschwerdeführer eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit der Ehegattin nie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt habe. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei daher erfüllt.

Das Verhalten des Beschwerdeführers, der eine Ehe nur zur Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile eingegangen sei, laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG fielen der etwa viereinhalbjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, sein Beschäftigungsverhältnis und der inländische Aufenthalt seiner Schwester ins Gewicht. Die davon ausgehende Integration werde in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert, dass die Beschäftigung nur auf Grund der Eingehung einer Scheinehe ermöglicht worden sei. Den persönlichen und familiären Interessen am weiteren Verbleib im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass der Beschwerdeführer durch die rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe und die Berufung darauf zur Erlangung einer Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Das Rückkehrverbot sei daher zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG); die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.).

Im Hinblick auf das gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Berücksichtigung der privaten und beruflichen Situation des Beschwerdeführers ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung öffentlicher Interessen durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines zehnjährigen Zeitraumes erwartet werden. Bei der Festsetzung dieser Frist sei auch der Umstand mitentscheidend gewesen, dass der Gesetzgeber ab 1. Jänner 2006 die Höchstdauer mit zehn Jahren statt bisher mit fünf Jahren festgesetzt habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass es sich bei einem Aufenthaltsverbot um eine verwaltungsstrafrechtliche Sanktion handle. Anders als nach dem bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen Fremdengesetz 1997 sei für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bzw. Rückkehrverbotes auf Grund einer Scheinehe nach dem seit 1. Jänner 2006 in Kraft stehenden FPG die Leistung eines Vermögensvorteiles nicht mehr erforderlich. Überdies lasse die neue Rechtslage die Verhängung eines Rückkehrverbotes für die Dauer von mehr als fünf Jahren zu. Die Anwendung des FPG auf den vorliegenden Sachverhalt widerspreche somit Art. 7 EMRK. Die belangte Behörde hätte daher § 51 VStG - der in seinem Abs. 6 eine Straferhöhung auf Grund einer zu Gunsten des Beschuldigten erhobenen Berufung verbietet - analog heranziehen müssen.

Im Hinblick auf diese Ausführungen regt der Beschwerdeführer an, beim Verfassungsgerichtshof § 125 Abs. 1 FPG als verfassungswidrig und die Verfassungsbestimmung des § 9 (Abs. 1 Z. 2) FPG als mit der verfassungsrechtlichen Grundordnung in Widerspruch stehend anzufechten.

1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einem Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0059). Schon deshalb ist dem dargestellten Vorbringen des Beschwerdeführers der Boden entzogen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlasst, die vom Beschwerdeführer angeregten Anträge an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

2. Gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt, die in § 62 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt, das Rückkehrverbot im Grund des § 66 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. zulässig sei und die Festsetzung der Gültigkeitsdauer den Kriterien des § 63 Abs. 2 leg. cit. entspreche, bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. April 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180130.X00

Im RIS seit

24.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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