TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/24 2006/18/0436

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Veröffentlicht am 24.04.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §5 Abs3 idF 2002/I/126;
AuslBG §5 Abs3 Z1 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §14 Abs2b idF 2002/I/126;
FrG 1997 §34 Abs1;
FrG 1997 §9 idF 2000/I/034;
FrGNov 2002;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des SG in T, geboren 1965, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz u. a., Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. Februar 2005, Zl. St 236/04, betreffend Ausweisung gemäß § 34 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwand in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. Februar 2005 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3, § 34 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 4 iVm § 15, § 14 Abs. 2 und 6, § 7 Abs. 3 sowie § 37 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1998 immer wieder in Österreich auf, um einer Beschäftigung als Saisonarbeitskraft nachzugehen. Ihm sei am 9. August 2002 vom Arbeitsmarktservice gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz ein vom 9. August 2002 bis zum 8. August 2007 gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden. Am 14. August 2002 habe er im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Linz/Land (der Erstbehörde) seinen Hauptwohnsitz angemeldet. Am 13. August 2002 und am 22. August 2002 habe er einen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck "Saisonarbeitskraft" eingebracht. Am 3. Februar 2004 sei ihm gemäß § 15 Abs. 1 FrG mitgeteilt worden, dass eine Aufenthaltsbeendigung beabsichtigt wäre, weil er eine Niederlassungsbewilligung benötigen würde. In einer Stellungnahme vom 9. März 2004 habe er ausgeführt, dass es im Hinblick auf die Situation im Kosovo inhuman wäre, ihm eine Niederlassungsbewilligung zu versagen. Ein am 15. September 2003 gestellter Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung sei mit Bescheid vom 9. August 2004 abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer habe über eine Aufenthaltserlaubnis als Saisonarbeitskraft verfügt. Er habe sich rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten, weshalb § 34 FrG zur Anwendung komme. In Ansehung des vom 9. August 2002 bis zum 8. August 2007 gültigen Befreiungsscheines könne ihm eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund einer befristeten Beschäftigung nicht erteilt werden. Sein Antrag sei gemäß § 14 Abs. 6 FrG als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu behandeln. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen könne dieser Antrag auch im Inland eingebracht werden. Im Fall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Saisonarbeitskräfte könne der Antrag auch im Inland eingebracht werden, wenn der Fremde zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt gewesen sei (§ 10 Abs. 1 Z. 3 FrG). Da der Beschwerdeführer jedoch gemäß § 1 der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1997 von der Sichtvermerkspflicht nicht ausgenommen sei und auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG nicht vorliegen würden, habe er seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 FrG vom Ausland aus stellen müssen. Eine Niederlassung im rechtlichen Sinn sei selbst bei Vorliegen mehrerer hintereinander folgender Saisonarbeitsbewilligungen zu verneinen. Da kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gegeben sei, bestehe keine Verpflichtung der Behörde, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis abzuwarten.

Der Beschwerdeführer habe keine näheren Verwandten in Österreich. Seine Familie halte sich im Kosovo auf. Sein Aufenthalt sei rein wirtschaftlicher Natur. Durch die Ausweisung werde in Anbetracht der Dauer seines bisherigen Aufenthaltes in nicht unbeträchtlicher Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Die Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei jedoch dringend geboten, weil die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung, nämlich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn einer Verletzung der fremdenrechtlichen Bestimmungen, immer noch unverhältnismäßig schwerer wiegen würden als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich. Daran könne der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Dauer seines Aufenthaltes, das Ausmaß seiner beruflichen Integration sowie die damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Bindungen in Österreich nichts ändern.

Von der Ermessensbestimmung des § 34 Abs. 1 FrG sei insofern Gebrauch zu machen, als bei Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 10 FrG doch eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. eines geordneten Fremdenwesens einhergehe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 1998 in Österreich auf Grund von mehreren Aufenthaltserlaubnissen als Saisonarbeitskraft erwerbstätig, zuletzt auf Grund einer vom 12. März bis zum 16. August 2002 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 9 FrG idF BGBl. I Nr. 34/2000. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"§ 9. (1) Im Falle eines kurzfristig auftretenden oder eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfes, der aus dem Potential an Arbeitskräften nicht abgedeckt werden kann, das im Inland Zugang zum Arbeitsmarkt hat, ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt - innerhalb des hiefür nach der Niederlassungsverordnung (§ 18) vorgegebenen Rahmens und nach Anhörung des betroffenen Landes - für einen Wirtschaftszweig, eine Berufsgruppe oder eine Region - mit Verordnung zahlenmäßig Kontingente für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festzulegen. Im Rahmen dieser Kontingente dürfen Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten erteilt werden; sie sind vorrangig Fremden zu erteilen, die über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit, verfügen.

Beschäftigungsbewilligungen mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Wochen, die einem an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigten Fremden erteilt werden, sind in dessen Reisedokument ersichtlich zu machen.

(1a) Unter den Voraussetzungen und nach dem Verfahren gemäß Abs. 1 ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit weiters ermächtigt, mit Verordnung zahlenmäßig Kontingente für die Beschäftigung ausländischer Erntehelfer festzulegen. Im Rahmen dieser Kontingente dürfen Fremden, die an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Wochen erteilt werden; diese sind im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen.

(2) Wird eine Beschäftigungsbewilligung nach Abs. 1 Fremden erteilt, die

1. über einen Aufenthaltstitel verfügen, so gestattet ihnen dies eine befristete Zweckänderung;

2. über keinen Aufenthaltstitel verfügen, so schafft dies bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung (§ 8 Abs. 1) einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit entsprechender Gültigkeitsdauer.

(3) Beschäftigungsbewilligungen, die im Reisedokument des Fremden ersichtlich gemacht wurden, gelten als Aufenthaltserlaubnis mit derselben Gültigkeitsdauer."

Am 13. August 2002 beantragte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis als Saisonarbeitskraft.

2. Die dem angefochtenen Bescheid (wie bereits der Mitteilung der Erstbehörde vom 3. Februar 2004 an den Beschwerdeführer) zu Grunde liegende Rechtsansicht, dass auf den vorliegenden Sachverhalt § 34 FrG zur Anwendung gelangen würde, ist unzutreffend. Eine Aufenthaltserlaubnis für den Zweck "Saisonarbeitskraft" vermochte - wie die belangte Behörde an sich zutreffend erkannt hat - nämlich nicht zu bewirken, dass der Beschwerdeführer als "bereits niedergelassen" im Sinn des § 14 Abs. 2 zweiter Satz erster Halbsatz FrG anzusehen war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. April 2004, Zl. 2003/18/0182, 30. November 2004, Zl. 2004/18/0358, und 14. Dezember 2006, Zl. 2003/18/0242 und Zl. 2006/18/0360). Die durch den Gesetzgeber ab 1. Jänner 2003 durch die FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126, geschaffene Möglichkeit einer einmaligen Antragstellung im Inland gemäß § 14 Abs. 2b FrG stand dem Beschwerdeführer nicht offen, weil er seit 1998 schon über mehrere (verlängerte) Aufenthaltserlaubnisse für den Zweck "Saisonarbeitskraft" verfügt hat und es sich daher bei seiner zuletzt bestehenden Aufenthaltserlaubnis vom 12. März bis zum 16. August 2002 nicht um eine (erste) Aufenthaltserlaubnis für befristet beschäftigte Fremde iSd § 5 Abs. 3 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975, idF der FrG-Novelle 2002, gehandelt hat, die nach § 5 Abs. 3 dritter Satz leg. cit. um höchstens sechs Monate verlängert werden dürfte. § 34 Abs. 1 FrG findet daher im vorliegenden Fall keine Anwendung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 2005, Zl. 2005/18/0049 und Zl. 2005/18/0179).

3. Da die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers auf eine Bestimmung gestützt hat, die auf ihn keine Anwendung findet, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. April 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180436.X00

Im RIS seit

23.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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