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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art5 Abs3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2006/21/0059 2006/21/0058Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerden 1. der S,
2. der A, und 3. des R, sämtliche in H, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres vom 12. Dezember 2005, Zl. 144.779/2-III/4/05 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin, hg. Zl. 2006/21/0057), vom 19. Dezember 2005, Zl. 144.779/4- III/4/05 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin, hg. Zl. 2006/21/0058), und vom 14. Dezember 2005, Zl. 144.779/3- III/4/05 (betreffend den Drittbeschwerdeführer, hg. Zl. 2006/21/0059), jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den zitierten Bescheiden wies die belangte Behörde im Instanzenzug die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen zum Zweck der Familiengemeinschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 2, § 10 Abs. 4, § 14 Abs. 2 und § 19 Abs. 2 Z 6 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ab.
In den Bescheidbegründungen wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Beschwerdeführer noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich gewesen seien. Die Erstbeschwerdeführerin sei mit den weiteren Beschwerdeführern (ihren beiden Kindern) mit einem von der Österreichischen Botschaft Ankara ausgestellten Visum "C" mit Gültigkeit vom 5. August 2005 bis 2. September 2005 nach Österreich gereist; die Familie lebe bei dem in Österreich seit 1989 aufhältigen und seit 1992 durchgehend beschäftigten Ehemann bzw. Vater. (Mit Erkenntnis vom heutigen Tag zur Zl. 2007/21/0010 wurde die Beschwerde gegen ein über die Erstbeschwerdeführerin verhängtes Aufenthaltsverbot abgewiesen.)
Die belangte Behörde verwies weiters darauf, dass sich die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung am 30. August 2005 im Inland aufgehalten hätten; gemäß § 14 Abs. 2 FrG müsse jedoch der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Ausland gestellt werden. Es lägen keine humanitären Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG vor, die eine Inlandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG zulassen würden. Daran ändere nichts, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin seit 1989 ununterbrochen in Österreich lebe und seit dem Jahr 1992 durchgehend beschäftigt sei. Der überwiegende Teil der Familie sei nämlich noch nicht in Österreich niedergelassen und es könne "mit Sicherheit nicht davon gesprochen werden", dass "der Ort der Familieneinheit einzig und allein in Österreich liegt".
Die gegen die Versagung der Niederlassungsbewilligungen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden trat dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 30. März 2006, B 189- 191/06, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen und ergänzten Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Gerichtshof hat in Konstellationen wie der vorliegenden wiederholt ausgesprochen (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zlen. 2002/21/0138 bis 0140), dass die Abweisung der Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen der mit einem Reisevisum eingereisten und im Inland gebliebenen Angehörigen einer "Ankerperson" unter Heranziehung des § 10 Abs. 1 Z 2 und § 14 Abs. 2 FrG nicht als rechtswidrig zu beanstanden sei. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.
In diesem Erkenntnis wurde unter Zitierung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch dargelegt, dass der Beschluss Nr. 1/80 des (durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten) Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation - ARB nicht den Familiennachzug regle, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die auf anderen Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Dem gemäß würde nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten in Frage gestellt, einem Familienangehörigen eine Zuzugsgenehmigung zu versagen.
Auch wenn der Ehemann bzw. Vater als "Ankerperson" unbestritten "assoziationsintegriert" auf Grund des ARB ist, ist im vorliegenden Fall den weitwendigen Beschwerdeausführungen zum Assoziationsrecht der Boden entzogen; eine unmittelbare Anwendung des Gemeinschaftsrechts kommt auf die Beschwerdeführer als Staatsangehörige der Türkei nicht in Betracht.
Auch der Hinweis auf die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung führt die Beschwerden nicht zum Erfolg:
Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie lautet:
"Der Antrag ist zu stellen und zu prüfen, wenn sich die Familienangehörigen noch außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats aufhalten, in dem sich der Zusammenführende aufhält ..."
Art. 8 lautet:
"Die Mitgliedstaaten dürfen verlangen, dass sich der Zusammenführende während eines Zeitraums, der zwei Jahre nicht überschreiten darf, rechtmäßig auf ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten hat, bevor seine Familienangehörigen ihm nachreisen. Abweichend davon kann ein Mitgliedstaat, dessen bei Annahme der Richtlinie geltendes nationales Recht im Bereich der Familienzusammenführung die Aufnahmefähigkeit dieses Mitgliedstaats berücksichtigt, eine Wartefrist von höchstens drei Jahren, zwischen der Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung und der Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Familienangehörige, vorsehen."
Durch diese Richtlinie sind somit die nationalen Vorschriften über das Erfordernis der Antragstellung im Ausland und - innerhalb eines dreijährigen Rahmens - über die Einhaltung der Quotenpflicht gedeckt (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0158).
Auch die Berufung auf Art. 8 EMRK führt nicht dazu, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen. Diesbezüglich hat nämlich der Gerichtshof in vergleichbaren Konstellationen wiederholt (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zlen. 2002/21/0138 bis 0140 sowie das Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2003/21/0049) dargelegt, dass es keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben darstelle, von den (nach jahrelanger freiwilliger Trennung) nachziehenden Familienmitgliedern den gesetzlich vorgeschriebenen Weg für eine Familienzusammenführung unter Einhaltung der Bestimmungen über die Antragstellung im Ausland und die Quotenpflicht zu verlangen. Auch im vorliegenden Fall wird kein Umstand aufgezeigt, der dem entgegen eine sofortige Familienzusammenführung als einzig zumutbare Möglichkeit fordern würde.
Soweit in den Beschwerden auf Rz. 20 der Vorbemerkungen zur Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ("Familienangehörige sollten auch das Recht haben, sich mit dem langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, um die familiäre Lebensgemeinschaft zu wahren und den langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht in der Ausübung seines Aufenthaltsrechts zu behindern …") verwiesen wird, geht dieses Argument schon deswegen fehl, weil mit den mit dieser Erwägung angesprochenen Bestimmungen in Kapitel III dieser Richtlinie (im Speziellen mit Art. 16 "Familienangehörige") die Rechtstellung des langfristig aufenthaltsberechtigten Fremden in den anderen Mitgliedstaaten geregelt wird, wie dies im Übrigen auch die Erwägungen bereits ausdrücken.
Da nach dem Gesagten die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig sind, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. April 2007
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210057.X00Im RIS seit
04.06.2007Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009